Editorial

Exosomen

von J. Boschert (Laborjournal-Ausgabe 11, 2006)


Wieso sind bisher alle Versuche der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das HI-Virus gescheitert? Weshalb sind Viren, die keine modifizierbare Membranhülle aufweisen, infektiös?

Man hat bisher angenommen, man müsse "nur" einen Weg finden die membranständigen Glykoproteine zu inaktivieren und hätte dann auch den Virus im Griff. Offensichtlich reicht das nicht und man weiß inzwischen auch warum: Die HI-Viren tarnen sich mit körpereigenen Membranhüllen. Sind die Viren erst einmal in die Zellen eingedrungen, übernehmen sie das Kommando.


Ubiquitäres Vehikel

Das trojanische Pferd der Retroviren sind sogenannte Exosomen. Diese Membranvesikel sind 50 bis 90 nm groß und entstehen durch Einschnüren der Zellmembran. Exosomen können von vielen Zelltypen abgegeben werden. Ihre Bildung wurde zum ersten Mal in Lymphzellen, Blutplättchen, Mastzellen und Dendritischen Zellen beschrieben. Geprägt haben den Begriff "Exosom" Johnstone et al. 1987 bei ihrer Arbeit an Retikulozyten von Schafen in vitro.

Aber auch Tumorzellen, Astrozyten und Neurone produzieren Exosomen. Einige Immunzellen wie B-Zellen oder Dendritische Zellen sezernieren Exosomen, die möglicherweise bei der adaptiven Immunantwort eine Rolle spielen. Außerdem dienen Exosomen als Transportvesikel - unter anderem für HI-Viren.

Gerade weil die Exosomen den Virus in sich bergen können, sind sie die Hoffnung der Wissenschaftler: Mit Hilfe der Exosomenproteine sollen Impfstoffe entwickelt werden. Exosomen spielen neben AIDS noch bei anderen Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis und Krebs eine Rolle.

Der Düsseldorfer Orthopäde Peter Wehling arbeitet mit Exosomen, die aus den Dendritischen Zellen des Immunsystems hervorgehen. Ausgangsvesikel sind dabei Endosomen. Durch Fusion mit der Plasmamembran werden Exosomen freigesetzt. Peter Wehling injiziert die Exosomen Patienten mit Rheumatoider Arthritis, um die Immunantwort zu unterdrücken und damit die Entzündungen zu lindern. Ursprünglich hatte Paul Robbins von der Universität in Pittsburgh dieses Verfahren entwickelt, als er nach einer Gentherapie für Rheumatoide Arthritis suchte. Er fand heraus, dass Mäuse nach der Injektion von Exosomen weniger rheumatische Beschwerden hatten.


Kleine Abbilder

Auch Krebspatienten wurde bereits mit Exosomen behandelt. Hier werden ebenfalls die Exosomen Dendritischer Zellen verwendet. Dazu werden nach Isolierung der Leukozyten aus dem Blut (mittels Leukapherese) sich differenzierende Dendritsiche Zellen gezüchtet. Diese wiederum schnüren Endosomen ein, aus denen schließlich Exosomen entstehen. Die Exosomen präsentieren auf ihrer Oberfläche wie die Dendritischen Zelllen, aus denen sie hervorgegangen sind, MHC-Komplexe. In einer Peptidlösung werden diese stabilisiert und bereit zur Injektion in den Patienten. Wie sie dort wirken, ist allerdings noch nicht geklärt.

Auch Krebszellen können Exosomen bilden und sich zunutze machen. Von Krebszellen abgeschnürte Exosomen tragen auf ihrer Oberfläche ein Transmembranprotein der TNF-Familie, den Fas-Liganden (FasL). Wenn die Exosomen auf Immunzellen stoßen, binden diese Liganden an ihren Fas-Rezeptor und induzieren in den Immunzellen die Apoptose.



Äquivalente Präsentation

Doch normalerweise tragen Exosomen auf ihren Membranen die gleichen Proteine wie ihre Ursprungszelle. Damit heften sich die Exosomen an Bestandteile der extrazellulären Matrix. Die angelagerten Exosomen blockieren die Diffusion anderer Exosomen durch die extrazelluläre Matrix. Wird diese bei einer Verletzung zerstört, werden die Exosomen freigesetzt und können an eingedrungene Entzündungszellen binden.

Mithilfe von Western Blotting, zytometrischen Analysen und Massenspektrometrie hat man die Proteinzusammensetzung von Exosomen verschiedenen Ursprungs analysiert. Von Dendritischen Zellen abstammende Exosomenund Tumor-Exosomen enthalten drei Gruppen von Proteinen: Antigen-bindende Proteine (wie Heat shock-Proteine und MHC-Proteine der Klassen I und II), Proteine, die bei der Signaltransduktion eine Rolle spielen, (wie Annexine, Tetraspanine und Integrine), sowie Proteine des Zytoskeletts (Aktin, Ezrin und Tubulin).


Ganz anders: RNA-Exosomen

Der Begriff Exosomen wird aber nicht nur für Vesikel gebraucht, die von Endosomen exozytiert werden, sondern auch für aus RNA-Exonukleasen aufgebaute Komplexe. Diese Exosomen arbeiten ähnlich wie die Proteasomen, die zelluläre Proteine abbauen. "Sie sind sozusagen der zelluläre Schredder für RNA", meint Karl-Peter Hopfner von der LMU München. Er analysierte zwei Varianten von Exosomen in Archaeoglobus fulgidus: "Exosomen sind evolutionär konservierte Komplexe, die aus mehreren RNAsen und RNA-Bindungseinheiten bestehen. Sie haben eine fassartige Struktur mit einem hohlen Inneren, wobei die RNAsen einen hexameren Ring bilden. Das hohle Innere hat eine wichtige Funktion. Es besitzt drei Kammern, in denen sich die RNA anlagern kann und abgebaut wird. Zur Zeit ist vieles noch Grundlagenforschung. Aber eine Anwendung könnte zum Beispiel sein, dass bei vielen menschlichen Erkrankungen der RNA-Abbau im Ungleichgewicht ist. Eine andere Möglichkeit wäre die Rolle von Exosomen bei RNA-Viren."



Letzte Änderungen: 21.11.2006