Editorial

Homo- und Heterothallismus

von Sonja Schmitzer (Laborjournal-Ausgabe 11, 2009)


Malaria

iStock/ntstudio

Pilze vermehren sich geschlechtlich und ungeschlechtlich durch Sporen und vegetativ durch Ausbreitung ihrer Myzelien. Zahlreiche Pilze, wie zum Beispiel Ascomyzeten (Schlauchpilze) und Zygomyzeten (Jochpilze), können sich sowohl asexuell als auch sexuell vermehren.

Ascomyzten – zu ihnen gehören die meisten Hefe- und Schimmelpilze – bevorzugen jedoch die asexuelle Vermehrung. Dabei bildet der Pilz aus spezialisierten Zellen an den Spitzen seiner Hyphen (fadenförmige Zellen, aus denen das Myzel entsteht) durch Mitose Sporen aus. Deren Schicksal überlässt er Wind, Wasser oder vorbeistreunenden Tieren.

Bei der sexuellen Vermehrung verschmelzen zwei haploide Geschlechtszellen entweder entgegengesetzten Paarungstyps, also eine a- mit einer α-Zelle (Heterothallismus), oder vom gleichen Paarungstyp (Homothallismus). Bei heterothallischen Pilzen sind die Myzelien selbstinkompatibel beziehungsweise selbststeril.

Homothallische Hefepilze wie Saccharomyces cerevisiae benötigen nicht einmal ein fremdes Myzel zur sexuellen Fortpflanzung: sie haben die Fähigkeit zum Paarungstypwechsel mittels Genkonversion (siehe unten): Eine Hefezelle teilt sich in zwei gleiche Tochterzellen, die eine ändert ihren Paarungstyp, und schon können sich zwei Zellen unterschiedlichen „Geschlechts“ vereinen (M. N. Hall & P. Linder, Cold Spring Harbor Laboratory Press, 1993).


Anpassung durch Sex

Lange Zeit galt der humanpathogene Hefepilz Candida albicans als sexuell inaktiv – einzige Fortpflanzungsstrategie schien die ungeschlechtliche Variante zu sein. Vor zehn Jahren jedoch entdeckten Wissenschaftler um Alexander Johnson, University of California, San Francisco, dass – vermutlich als Anpassung an veränderte Umweltbedingungen – zwei Zellen entgegengesetzten Paarungstyps verschmelzen (Science 2000, 289:307-10). Die Arbeitsgruppe um Richard Bennett, Brown University in Providence, USA, hat dies kürzlich auch für C. albicans-Zellen desselben Paarungstyps gezeigt (Nature 2009, 460(7257):890-3).

Die sexuelle Reproduktion wird bei C. albicans und S. cerevisiae durch Paarungstyp-spezifische Pheromone (a- und α-Pheromon - α = alpha) gesteuert. Sie fördern die Verschmelzung haploider Zellen entgegengesetzten Paarungstyps. Die Verschmelzung von Zellen desselben Paarungstyps wird, so vermuten die Wissenschaftler um Bennett, bei a-Zellen über den α-Pheromon-Antagonisten Bar1 verhindert. Diese extrazelluläre Aspartyl-Protease wird in a-Zellen gebildet und inaktiviert durch Spaltung das α-Pheromon, das von α-Zellen erzeugt wird. Fehlt Bar1, wie in der Linie C. albicans Deltabar1, produzieren die a-Zellen nicht nur „ihr“ a-Pheromon, sondern auch das α-Pheromon. Dieses bindet an den α-Pheromon-Rezeptor Ste2 – die a-Zelle befruchtet sich selbst.

Bei Organismen, die über zwei unterschiedliche Paarungstypen verfügen, erwartet man gemeinhin, dass bei der sexuellen Vermehrung diese beiden Paarungstypen miteinander verschmelzen. Doch das Team um Joseph Heitman, Duke University Medical Center, Durham, North Carolina, hat bereits 2005 entdeckt, dass auch der humanpathogene Basidiomyzet Cryptococcus neoformans, Erreger der Kryptokokkose, gänzlich zur gleichgeschlechtlichen Fortpflanzung übergegangen ist (Nature 434(7036):1017-21). Möglicherweise sind diese spezialisierten Sexualpraktiken beim Überleben und der Anpassung der Pilze an eine unwirtliche Umgebung von Vorteil.

Und der biologische Sinn dahinter? Die Vorteile der genetischen Rekombina­tion überzeugen die Pilze wohl auch bei der Homothallie. Und wenn weder das andere Geschlecht noch überhaupt ein anderer Pilz zur Stelle ist, bedient pilz sich der Genkonversion und ist sich selbst genug.


a- und α-Zellen – Sex bei Pilzen

Die phänotypischen Unterschiede zwischen Zellen der beiden Paarungstypen a und α bei Pilzen beruhen auf der unterschiedlichen Transkription und Repression bestimmter Gene: a-Zellen produzieren a-Faktor und den Zelloberflächenrezeptor Ste2, der α-Faktor bindet; und sie unterdrücken die Gene, die für α-Zellen charakteristisch sind. α-Zellen produzieren α-Faktor und den Zelloberflächenrezeptor Ste3, welcher a-Faktor bindet; und sie unterdrücken die Gene, die für a-Zellen charakteristisch sind.

Die unterschiedlichen Expressionsmuster in a- und α-Zellen werden verursacht durch die Gegenwart eines der beiden Allele des MAT-Lokus (mating type locus), MATa beziehungsweise MATα. MATa-Allel kodiert für das a1-Gen, das in haploiden Zellen das a-spezifische Transkriptionsprogramm anwirft (wie Expression von Ste2 und Repression von Ste3), welches eine a-Zelle definiert. Das MATα-Allel kodiert für die Gene α1 und α2, welche in haploiden Zellen zum α-spezifischen Transkriptionsprogramm führen (wie Expression von Ste3 und Repression von Ste2). Dieses macht die Zelle zu einer α-Zelle.

Haploide Hefezellen können ihren Paarungstyp mittels Genkonversion wechseln, indem sie die Information am MAT-Lokus austauschen. Dies ist möglich, da sich in Hefezellen downstream und upstream des MAT-Lokus zusätzlich zwei stille Kopien von MATa und MATα befinden: HMLα (Hidden MAT Left) und HMRa (Hidden MAT Right).

Beim Paarungstypwechsel (mating type switch) wird die MAT-Sequenz von der HO-Endonuklease ausgeschnitten und durch ein Allel des entgegengesetzten Kreuzungstyps einer der stillen Loci (HMLα oder HMRa) ersetzt. Bei den ursprünglichen a-Zellen wird also eine α-Sequenz eingesetzt, bei den α-Zellen eine a-Sequenz.





Letzte Änderungen: 16.11.2009