Editorial

DNA-Vakzinierung

von Karoline Stürmer (Laborjournal-Ausgabe 08, 1997)


DNA-Vakzinierung heißt das neue Zauberwort am Immunologenhimmel. Durch Einschießen "nackter" DNA soll ein Schutz gegen Herpes, Hepatitis, Krebs und AIDS möglich werden. Glaubt man den Immunolgen, befindet sich die lmpfstoffentwicklung gerade an einem entscheidenden Wendepunkt. Der neue Impfansatz vereint sämtliche Vorteile der üblichen Immunisierungsstrategien: Die Effektivität von Lebendimpfstoffen mit der Sicherheit von Totimpfstoffen.

Bei der Immunisierung mit Lebendimpfstoffen werden dem Impfling lebende, aber abgeschwächte, dem Immunsystem unterlegene Erreger verabreicht. Sie können das Immunsystem maximal aktivieren. Trotzdem ist nicht jede Impfung mit solchen Lebendimpfstoffen möglich. Gerade bei den für ihre schnelle Wandelbarkeit bekannten HI-Viren beispielsweise wäre die Gefahr einer Rückmutation zum lethalen Erreger zu groß. Mit der immunisierung durch einem Totimpfstoff kann dieses Risiko umgangen werden. Dabei werden beispielsweise einzelne Proteine eines Erregers injiziert. Das Immunsystem kann auf diese Reizung aber nur unvollständig reagieren. Es bildet zwar Antikörper gegen das fremde Protein, spezifische Killerzellen werden durch diese sichere Form der Impfung aber nicht aktiviert. Gerade die spielen aber eine wichtige Rolle bei der Schutzwirkung von Impfstoffen, vermuten Immunologen.

Die dritte Revolution der Impfstoffentwicklung, wie die DNA-lmmunisierung bereits enthusiastisch bezeichnet wird, scheint die Nachteile der beiden erstgenannten Impfmethoden zu umgehen. Bei der DNA-Vakzinierung werden dem Impfling an Goldpartikel gebundene DNA-Plasmide in die oberen Hautschichten geschossen. Die dafür verwendete "Gen-Pistole" wurde ursprünglich für die Transformation von Pflanzenzellen entwickelt. Sind die Plasmide in den körpereigenen Zellen angekommen, produzieren sie Erregerproteine. Die Fremdproteine können das Immunsystem mit Hilfe spezieller Antigen-präsentierender Zellen sehr effektiv stimulieren. In Mäusen konnte eine DNA-Vakzine gegen Influenza-Viren genau wie ein Lebendimpfstoff die volle Immunantwort auslösen. Antikörper, zytotoxische T-Lymphozyten, T-Helferzellen und das immunologische Gedächtnis wurden aktiviert. Da kein Erreger verabreicht wird, besteht auch keine Gefahr, daß dieser in eine gefährliche Form rückmutiert.

DNA ist außerdem einfach und billig herzustellen. Sie benötigt keine Kühlung und ist im Gegensatz zu bisherigen Impfstoffen extrem stabil. Trotzdem sind nicht alle Forscher begeistert. Robert Webster, Leiter der Virologie im St. Jude's Children Hospital in Memphis klagte auf der diesjährigen Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Virologie in Hamburg, daß seine ersten Ergebnisse zunächst nicht veröffentlichbar waren, da die Gutachter von Science ihm nicht glaubten. inzwischen sind sich die Wissenschaftler einig, daß die Immunisierung grundsätzlich funktioniert. Sie fürchten aber, daß sich die applizierten Gene ins Genom integrieren können. Daß sie mit starken Promotoren ausgerüstet sind, macht sie besonders gefährlich. Bisher sind solche Vermutungen allerdings reine Spekulation. Erfolgversprechend klingen dagegen die Ergebnisse, die Jean Boyer von der Universität von Pennsylvania im Mai in Nature Medicine veröffentlichte. Schimpansen wurde DNA, die für HIV-Strukturproteine kodiert, injiziert. Danach waren sie sogar immun gegen eine künstlich herbeigeführte Infektion mit einer anderen HIV-Variante.

Editorial

Editorial


Letzte Änderungen: 19.10.2004