Editorial

RNA-Editing

von Britta Mädge (Laborjournal-Ausgabe 06, 1999)


Man könnte meinen, die Zelle sei wankelmütig. Da hat sie gerade in ihrem Kern ein Gen aktiviert, saubere mRNA produziert und könnte loslegen, ein schönes Protein zu bauen, da fängt sie an, an der Botschaft herumzuwerkeln: Nein, nicht nur, daß die lntrons herausgeschnitten werden - noch bevor beim Splicen genetischer Ballast über Bord geht, werden Basen in den codierenden Regionen verändert.

Diese Art des mRNA-Finetuning nennt man "RNA Editing". Neben Insertion und Deletion ist die Modifikation der Basen die häufigste posttrankriptionelle Veränderung. Dabei werden definierte Nukleotide so bearbeitet, daß sich ihr Informationsgehalt verändert: Cytidin (C) kann in ein Uracil (U) oder ein Adenin (A) in Inosin (I), welches wie ein Guanin (G) abgelesen wird, umgewandelt werden. Wenn bei der Translation anschließend andere Aminosäuren eingebaut werden, kann das weitreichende Folgen haben: So wird zum Beispiel beim Glutamat-Neurorezeptor GluR-B ein A durch ein I ausgetauscht. Dadurch wird statt eines Arginins ein Glutamin im lonenkanal des Rezeptors eingebaut, was wiederum dessen Calciumdurchlässigkeit verringert. Einen ähnlichen Effekt hat das Editieren an drei As beim Serotonin-Rezeptor 5-HT2C: Der resultierende Rezeptor hat deutlich geringere Aktivierungsfähigkeiten. Da die nachträgliche RNA-Veränderung gewebespezifisch gesteuert wird, und außerdem der Anteil der editierten RNA variabel ist, kann auf diese Weise die Proteinzusammensetzung moduliert werden.

Biochemisch ist der Austausch von Adenin gegen Inosin eine Desaminierung, und das Enzym, das diesen Vorgang katalysiert eine Doppelstrang-RNA-spezifische Adenosin-Desaminase (ADAR, früher DRADA). Der Prozeß spielt sich gleich nach der Transkription ab - noch vor dem Splicen der prä-RNAs. Dabei sind intronische RNA-Sequenzen entscheidend, denn nur wenn diese mit Exon-Basen einen Doppelstrang bilden, kann die ADAR eine Basenveränderung vornehmen. Introns beeinflussen also die codierenden Bereiche, indem sie Editieren möglich machen. Daß umgekehrt RNA-Editing Einfluß auf Introns, genauer alternatives Splicen, nimmt, war kürzlich in Nature zu lesen (Bd. 399, S. 75). Die Autoren zeigen, daß das Bastelwerkzeug selber, die ADAR2, einem ausgeklügelten Regulationsmechanismus unterliegt:

Der RNA-Editor editiert seine eigene RNA in der Weise, daß eine neue Splice-Stelle entsteht. Dadurch werden 47 Basenpaare in die mRNA eingefügt, woraus eine Leserasterverschiebung resultiert, die zu einem inaktiven, stark verkürzten Protein führt. Doch damit noch nicht genug. Ein alternatives Startcodon sorgt dafür, daß gewebespezifisch ein zwar verkürztes, aber voll aktives Enzym entstehen kann. Durch das Do-it-yourself-Editieren entsteht nun eine gute Möglichkeit zur negativen Autoregulation der ADAR2, so spekulieren die Autoren. Ist viel von der vollständigen Desaminase vorhanden, fängt sie an, ihre eigene mRNA zu editieren und für alternatives Splicen zugänglich zu machen. Durch die Insertion zusätzlicher Basen werden nun zwei Regulationsmöglichkeiten geschaffen: 1. kann die Zelle über Gebrauch oder Nicht-Gebrauch des alternativen Startcodons steuern, ob ein enzymatisch aktives Protein gebildet wird, und 2. könnte sich dies in seiner Stabilität oder Lokalisation vom vollständigen ADAR2-Enzym unterscheiden. Damit entpuppt sich RNA Editing endgültig als elegantes Werkzeug der Zelle um Proteinaktivitäten flexibel zu modulieren, ohne genomische Veränderungen vornehmen zu müssen.

Also doch keine Charakterschwäche.

Editorial

Editorial


Letzte Änderungen: 19.10.2004