Buchbesprechung

von Carsten T. Rees

Editorial

Volker Rieble:
Das Wissenschaftsplagiat.

Broschiert: 120 Seiten
Verlag: Verlag Vittorio Klostermann 2010; Auflage: 1.
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-465-04101-6
Preis: 14.80 EUR
Wegen einer Einstweiligen Verfügung ist das Buch nur direkt beim Verlag erhältlich.

Editorial
Nebel des Grauens

Hochstapelei, Fälschung und Plagiat – die Spielarten wissenschaftlicher Unredlichkeit sind vielfältig: Über eine gelungene Sektion des Plagiats.

Unschön ist das Phänomen der Wissenschaftsfälschung mit dem Fall von Herrmann und Brach in den Fokus des Interesses der hiesigen Scientific Community gerückt. Die Welle von Paper Retractions, die gerade über uns rollt, läßt uns diesen Fokus nicht verlieren.

Leiser kommt da meist eine andere Spielform der wissenschaftlichen Unredlichkeit daher: das Wissenschaftsplagiat. Diesem hat der Autor des besprochenen Buches den Kampf angesagt. Volker Rieble, Juraprofessor an der LMU in München, ist bekannt für die schneidende Schärfe und Präzision seiner Analysen – und er ist Lust-Rhetoriker. Grund genug für den Rezensenten, einen Biologen, sich noch im Dezember ein Exemplar zuschicken zu lassen und sich an den „fachfremden“ Text zu wagen. Und er hat die Lektüre nicht bereut – er hat sie genossen.


Lust-Rhetoriker am Werk

Allein, wie findet er einen Aufhänger für seine Rezension? Lähmendes Grübeln! Hilfe kam da völlig unerwartet aus dem fernen Berlin, von keinem Geringeren als dem zum Zeitpunkt der Rezension Noch-Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg. Dieser schafft es binnen Tagen, das Thema bis in die Seiten der Regenbogenpresse zu katapultieren. Auch die üblichen Verdächtigen bei Diskussionsrunden und Talkshows fallen sich zu dem Thema wieder gegenseitig ins Wort.

Fast allen Reaktionen auf zu Guttenberg gemein sind eine geringe Trennschärfe der Analyse des Phänomens und meist völlig untaugliche Lösungsvorschläge.

Ganz anders das besprochene Buch. Es beginnt mit einer Phänomenologie des Plagiats. Prüfungs-„Mogeleien“ sind hinlänglich bekannt, pikanter ist das „professorale Ausschlachten“ von Prüfungsarbeiten. Analysiert werden verschiedene plagiatorische Techniken. Ein eigenes Kapitel erhält der Fall Ludger Wellkamp. Dieser „Autor“ war ein besonders eifriger Plagiator, der selbst noch aus dem Strafvollzug heraus „seine“ Plagiate verbreitete. Seine überbordende Dreistigkeit brachte ihm neben einer langjährigen Haftstrafe eine vom BGH bestätigte Sicherungsverwahrung (!), sozusagen als Ideenschänder, ein.

Extrem kritisch sieht Autor Rieble „Open access als Plagiathilfe“. Die DFG als eine der „treibenden Kräfte der Open-access-Alianz (...) unternimmt nichts gegen den Rechtsbruch durch Plagiatoren. Sie läßt die Autoren alleine und liefert sie dem Raub aus.“ Meint zumindest Volker Rieble. Doch lassen herkömmliche Verlage ihre Autoren nicht genauso im Stich, wenn es hart auf hart kommt?


DFG-Versuche „untauglich“

Auch auf die „Regeln zur Sicherung guter Wissenschaftlicher Praxis“ der DFG geht Rieble ein, im Kapitel „Untaugliche Abhilfe­versuche“ – Unterpunkt „Wissenschafts­ethische Ansätze“. Hier merkt man es dem Autor an, dass er sich als Direktor eines eigenen Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht auf eine solide Finanzierung jenseits der Förderung durch die mehrfach geschmähte DFG verlassen kann. Ein Highlight des Buches ist sicherlich Riebles Entwurf eines „wissenschaftsrechtlichen Plagiatsbegriffes“. Die Überschriften sind hier Programm: „Autorschaft als positive Verantwortung“, „Auch für gemeinfreie Texte und Ideen“, „Wissenschaftsspezifischer Herkunftsnachweis“ und „Zitiergebot als Konsequenz“. Konsequent wird der Blick vom ersten Opfer des Plagiats, dem in seinen Urheberrechten betroffene Autor des Origialtextes, auf das zweite Opfer gelenkt, die Wissenschaft selbst. Damit stellt sich letztlich auch die Frage nach der „Rechtsfolge des unzureichenden Zitats“, mithin nach Strafe und Abschreckung für den Täter.

Vielleicht gar nicht so schlecht, dass in diesem Buch die Bösen meistens Juristen sind. Der Autor selbst führt die Fall-Auswahl auf seine „déformation professionelle“ zurück. So bleiben die Lebenswissenschaften, abgesehen von einer Erwähnung des Falles Herrmann/Brach, verschont. Weniger Glück haben die Atomphysiker. Ihnen will Rieble „den allgemeinen Mindeststandard wissenschaftlichen Zitierens“ beibringen. So gesehen kommen aber selbst sie noch mit einem blauen Auge davon.


Einstweilige Verfügung

Sollten Sie das Buch kaufen wollen, greifen Sie schnell zu – nur bereits aufgebundene Exemplare sind noch beim Verlag erhältlich. Zwei Jura-Professoren, denen Rieble einige Seiten wegen ihrer „Zitierpraxis“ widmet, haben beim Landgericht Hamburg eine Einstweilige Verfügung gegen das Buch erwirkt.
Ein letztes Problem gilt es noch zu lösen. Rezensionen haben selten Fußnoten. Daher weist der Rezensent noch einmal expressis verbis darauf hin – sämtliche Zitate stammen aus: Volker Rieble: Das Wissenschaftsplagiat. Man will ja nicht in bundesministerielle Fußstapfen treten


Letzte Änderungen: 07.06.2011

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