Editorial

Buchbesprechung

Winfried Köppelle




Detlef Singer:
Welcher Vogel ist das?

Broschiert: 430 Seiten
Verlag: Kosmos (Franckh-Kosmos); Auflage: aktualisierte Auflage. (7. Februar 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3440112594
ISBN-13: 978-3440112595
Preis: 19,99 EUR



Peter Barthel & Paschalis Dougalis:
Was fliegt denn da?: Alle Vogelarten Europas in über 1700 Farbbildern

Broschiert: 199 Seiten
Verlag: Kosmos (Franckh-Kosmos); Auflage: 32. Auflage. (7. Februar 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3440124886
ISBN-13: 978-3440124888
Preis: 9,99 EUR

„Dr-rüp“ oder „Pitt-pick-pirr“?
Zwei Naturführer über die Vögel Europas

Schnappen Sie sich einen der hier vorgestellten Naturführer und gehen Sie mal wieder raus in die Natur. Sie werden Ihre wahre Freude haben!

Wie steht’s eigentlich um die Vögel? Ganz schlimm, glaubt man dem Bundesamt für Naturschutz (BfN). Die Zahl der Feldvögel Europas etwa habe sich innerhalb der letzten 30 Jahre halbiert, und auch in Deutschland gingen die Bestände vieler Brutvögel auf Äckern und Wiesen weiter deutlich zurück. Eine internationale Studie ließ im Sommer 2012 die Vogelfreunde Alarm schlagen, und die Zahlen sind ja auch wahrlich besorgnis­erregend: Die Feldlerche (Ruf: „dr-rüp“) ist selten geworden, die Feldsperlinge („tschip-tschip“) haben sich in den letzten 20 Jahren auf zwei Drittel ihres früheren Bestands verringert, von den Kiebitzen („kie-witt“) fand man nur mehr ein Drittel der einstigen Zahl, und beim Rebhuhn („pitt-pick-pirr-pitpit“) sind die Bestände seit 1990 um dramatische 90 Prozent eingebrochen. Grund ist einerseits der fortwährende Verlust natürlicher Lebensräume. Zudem sterben täglich (!) in Europa über 250.000 Vögel durch Vogelschlag: Sie geraten in Freileitungen, knallen gegen Gebäudefenster, Autos, Züge und Lärmschutzwände und werden in den Turbinentriebwerken von Passagierflugzeugen zerfetzt. Was die Pestizide übriglassen, erledigen Miezekatzen (Ruf: „miau“).

In der Tat haben die gefiederten Piepmätze – abgesehen von den eingangs erwähnten, langfristigen Bedrohungen – zwei Todfeinde: Geputzte Fenster und Felis silvestris catus. Die acht Millionen deutschen Hauskatzen würden pro Jahr rund 50 Millionen Vögel töten, ist immer wieder zu lesen. Ob die Miezen aber wirklich imstande sind, die Piepmatzbestände merklich zu drücken, darüber streiten sich die Gelehrten.

Genug Defätismus! Wenden wir uns stattdessen der angenehmsten Seite der Vogelkunde zu: der Beobachtung und Bestimmung mit Auge und Feldstecher, unterstützt von einem guten Bestimmungsbuch. Zwei Bücher dazu sind kürzlich in dritter Auflage erschienen: vom schwedischen Ornithologen Detlef Singer der Naturführer Welcher Vogel ist das? sowie der 1936 begründete Bestimmungsklassiker Was fliegt denn da?, verfasst vom Göttinger Diplom-Biologen Peter Barthel und dem Illustrator und Naturmaler Paschalis Dougalis. Der Kosmos-Verlag genießt unter Ornithologen einen exzellenten Ruf. Können ihm die beiden neuen Naturführer gerecht werden?

Ist doch klar, welcher Vogel das ist!

Neben der unterschiedlichen Seitenzahl fällt als erstes die jeweils charakteristische Bebilderung ins Auge: Der „Singer“ ist durchwegs mit Farbfotos gespickt (pro Doppelseite meist 7 bis 9), der Barthel/Dougalis hingegen enthält Farbzeichnungen (etwas kleineren Formats und daher mehr als doppelt so viele). Ob man großformatige Fotos oder kleinformatige Zeichnungen als für die Artbestimmung geeigneter erachtet, ist Geschmackssache. Fotografien wirken lebensechter, während auf Zeichnungen bestimmungsrelevante Details oft besser zu erkennen sind.

Beide Naturführer arbeiten nach dem bewährten Schema „links der Text, rechts die Bilder“. Der „Singer“ beschreibt auf seinen 432 Seiten gut 400 Vogelarten, der nur halb so dicke „Barthel/Dougalis“ sogar 540. Somit sind die Texte im „Singer“ zwangsläufig detaillierter; pro Doppelseite werden immer zwei Arten vorgestellt und in allen Einzelheiten beschrieben – ein zur sicheren Erkennung typisches sowie zahlreiche weitere Merkmale, verwechslungsträchtige ähnliche Arten, die „Stimme“ (der Ruf), sowie Wissenswertes zu Vorkommen, Fortpflanzung und Nahrung. Dazu eine farbige Verbreitungskarte und – auf der rechten Seite – exzellente Fotos des beschriebenen Vogels im Flug und auf Boden/Baum oder im Nest, sowie (falls nötig) als Jungvogel und /oder als Männchen und Weibchen.

Wahrlich ausgeklügelt sind die Umschlagklappen im „Singer“: Vorne finden sich Schattenrisse der Referenzarten; dazu bestimmungsrelevante Schwanz-, Schnabel-, Bein- und Flügelformen. Auf den hinteren Klappen sind arttypische Verhaltens-, Flug- und Sitzweisen schematisch abgebildet – immer mit Seitenverweisen zu den entsprechenden Abschnitten im Buch. Besser, schneller und verständlicher geht es nicht! Auch die Einleitung ist zwar knapp, aber nahezu perfekt. Speziell der höchst praktische Familienschlüssel lotst den Leser mit Schattenrissen und Ultrakurzbeschreibungen der gruppentypischen Merkmale blitzschnell auf die relevanten Seiten im Buchinneren. Eine Eiertafel hilft dem Vogelbeobachter auch dann noch weiter, wenn die Elterntiere gerade ausgeflogen sind.

Gar keine Frage, was da fliegt!

Beim „Barthel/Dougalis“ leitet ein farbkodierter Familien-Schnellschlüssel auf der Umschlagklappe den Leser zum richtigen Kapitel; dort haben die Autoren allerdings bis zu elf Arten auf eine Doppelseite gepresst, was die Ausführlichkeit der Informationen begrenzt. Die Zeichnungen sind tadellos, allerdings etwas klein geraten: Zudem sind relevante Hinweise (etwa auf das Geschlecht des abgebildeten Vogels) oft nur schwer zu erkennen. Der „Barthel/Dougalis“ ist knapper und ernsthafter als sein dickeres Gegenstück, der „Singer“; ohne ständiges Konsultieren des Abkürzungsverzeichnisses ist es anfangs gar nicht möglich, all die auftauchenden Abkürzungen und Buchstaben-Codes zu verstehen.

Dennoch ist festzustellen: Beide Naturführer sind nahezu perfekt – bis hin zum wasserfesten Einband und den stabilen Hochglanzseiten, die selbst einem heftigen Regenschauer widerstehen.




Letzte Änderungen: 11.05.2013