Editorial

Buchbesprechung

Kay Terpe




Buchbesprechung

Kay Terpe


Dave Goulson:
Und Sie fliegt doch. Eine kurze Geschichte der Hummel.

Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (28. Juli 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3446440399
ISBN-13: 978-3446440395
Preis: 19.90 Euro (Buch), 15.99 Euro (eBook)

Dicke Brummer

Ein herausragendes Sachbuch über die gutmütigen Vettern der Honigbienen.

Wussten sie, dass die Tomatensoße, die sie gerade auf ihren Nudeln verteilen, aus einer Fabrik in Holland stammt; und dass die spanischen Tomaten von türkischen Hummeln bestäubt wurden, die ihrerseits in einem Betrieb in der Slowakei gezüchtet wurden? So etwas und vieles mehr erfährt man in diesem herrlich unterhaltsamen Buch, das den Leser mitnimmt auf eine interessante Reise ins Reich der „Bumble­bees“. Dave Goulson erzählt in seiner „kurzen Geschichte der Hummel“, wie aus einem arachnophobischen Jungen, der sich zeitlebens für Insekten interessierte, ein Hummelforscher wurde. Auf diesem Weg lernte er, dass man Hummeln besser nicht auf Herdplatten trocknet und dass Riesenkrabbenspinnen auf Rache sinnen, wenn sie sich aus einer Leimfalle befreit haben.


Foto: Den/Fotolia

Lange war gar nicht so viel über Hummeln bekannt. Erst seit 30 Jahren werden sie gezüchtet, seitdem man ihre Wichtigkeit für die Bestäubung von Pflanzen erkannte. Aus diesem Grunde wurde die englische Erdhummel (Bombus terrestris) Ende des 19. Jahrhunderts in Neuseeland angesiedelt. Dort vermehrte sie sich prächtig, während sie im Ursprungsland ausstarb. Der Autor vermittelt anschaulich die ökologischen Aspekte derartiger Zusammenhänge.

Man erfährt, dass in Australien nicht Hummeln die Tomaten bestäuben, sondern kostenpflichtige Arbeiter, und dass wie durch ein Wunder in Tasmanien Hummeln auftauchten, die seither diese Pflichten übernehmen. An vielen Beispielen zeigt Goulson, wie die Europäer das Massensterben der australischen und neuseeländischen Fauna und Flora durch das Einschleppen fremder Spezies auslösten (er selbst untersuchte die ökologischen Folgen der eingeschleppten Hummeln).

Verschwenderische Vegetarier

Hummeln sind übrigens Vegetarier. Ihre Lieblingsspeise ist der proteinhaltige Nektar von Klee und anderen Leguminosen. Eine Königin muss am Tag 6.000 Blüten besuchen, um die erforderliche Menge an Zucker aufzunehmen, damit sie im Frühjahr die Temperatur in ihrem Nest auf 30 °C halten kann. Die Nester befinden sich stets unter der Erde; alte Mäusegänge werden bevorzugt und zur Ansiedelung umgestaltet: Dort baut die Hummel eine Hohlkugel mit der Größe eines Tennisballs, in der die Brut heranwächst.

Hummeln sind bei einer Körpertemperatur von 35 °C übrigens gar nicht kaltblütig. Die Wärme wird durch die Kontraktion der Flugmuskeln (200 Mal pro Sekunde) erzeugt. Ein Pelz und isolierende Luftsäcke halten die Wärme im Körper, dessen Oberfläche zum Volumen riesig ist. Energetisch betrachtet ist der Hummelflug unglaublich teuer – noch 75 Prozent teurer als beim Kolibri. Die ersten Hummeln entwickelten sich vor 40 Millionen Jahren. Dennoch oder gerade deshalb sind sie clever. Sie finden immer nach Hause, wenn die Entfernung nicht größer als zehn Kilometer ist; die klügsten schaffen sogar über 15 Kilometer. Hummeln scheinen zu wissen, ob eine Blüte voll oder leer ist. Es sind nette Geschöpfe, die nur im absoluten Ausnahmefall beißen und stechen, und dies mit einem Stachel, der keine Widerhaken hat. Ihre Hauptfeinde sind Dachse, Mäuse und Meisen. Wie die Menschen plagen sie sich mit Milben, Fadenwürmern und Motten herum. Die Männchen hängen gerne in kleinen Gruppen ab und schlürfen Nektar. Taucht dann ein Weibchen auf, sind sie sofort zur Paarung bereit. Die Weibchen bevorzugen vitale, durchtrainierte, genetisch nichtverwandte Burschen – die Analogie zum Menschen ist offensichtlich.

Ja, der Leser bekommt einen tiefen Einblick in das Leben der Hummel.

Anekdoten aus dem Hummelleben

Man könnte gar zu der Überzeugung kommen, dass das Sterben der hochgezüchteten Bienenvölker letztendlich gar nicht so schlimm sein wird, da die ökologischen Nischen von den wildlebenden Bienen und Hummeln recht schnell ausgefüllt werden könnte – wenn auch nicht mit der gleichen Effizienz. Und denken Sie daran, dass jede verzehrte Gurke, Aubergine, Stangenbohne, schwarze Johannisbeere und Paprika von einer Hummel bestäubt wurde. Na dann, guten Appetit bei der Lektüre – und zum Abschluss noch das Gedicht eines unbekannten Hummelfreundes:

Die Kuckuckshummel hält ganz still
Und überwintert bis April
Im Mai erscheint sie, Mord im Sinn,
und meuchelt eine Königin.
Sodann versklavt sie resolut
Der toten Konkurrentin Brut,
Die Töchter schaffen Futter ran,
Und erst im Juli stirbt sie dann.




Letzte Änderungen: 04.11.2014