Editorial

Buchbesprechung

Juliet Merz




Perspektiven – Berufsbilder von und für Biologen und Biowissenschaftler

Broschiert: 256 Seiten
Verlag: Verband Biologie, Biowiss. u. Biomedizin in Dtl. e.V.; Auflage: 10 (31. Oktober 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3981092333
ISBN-13: 978-3981092332
Preis: 14 Euro (broschiert)

Nächster Halt: Karriere

Die Arbeitswelt hält unzählige Berufe bereit. Und auch Biologen stehen nach ihrem Studium oder der Promotion vor einem Berg von Möglichkeiten, die viele gar nicht auf dem Schirm haben. Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) war so freundlich und hat einen Karriereratgeber mit einigen Jobs herausgebracht.

„‚Den Biologen’ gibt es nicht – aber viele Wege, die in ein spannendes und vielfältiges Berufsfeld führen.“ Genau 77 dieser Wege stellt der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (kurz VBIO) in seinem 255 Seiten langen Karriereratgeber „Perspektiven – Berufsbilder von und für Biologen und Biowissenschaftler“ vor. Aber wie sehen die aus?

Der VBIO teilt sowohl die Berufslandschaft als auch die Lektüre in sechs Kategorien ein: Hochschule, Kommunikation, Natur, Labor, Lehren und Unternehmen. In der Einführung des Ratgebers erwarten den Leser eine Reihe von Grundsatzfragen, die ihn erst einmal auf den richtigen Weg bringen sollen. Welche Kenntnisse und Erfahrungen jenseits des Wissenschaftsbetriebs haben Sie? Wie wichtig ist Ihnen finanzielle Sicherheit? Oder: Sind Sie bereit, (mehrfach) umzuziehen? Der Leser kann diese Fragen zwar für sich beantworten, erfährt in der Lektüre aber nicht, zu welchem Berufszweig seine Kompetenzen oder Abneigungen passen oder eben nicht.

Der rote Faden

Ein Tipp, der sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht: Informieren Sie sich früh und lenken Sie bereits während des Studiums etwa durch Praktika in die richtige Bahn ein. Es ist viel schwerer, sich hinterher noch einmal umzuentscheiden – aber auch das ist möglich. Außerdem: Vertrauen Sie auf den Zufall, erkennen und ergreifen Sie Chancen und lassen Sie sich nicht entmutigen. Denn der Weg könnte steinig werden, machen Sie sich das immer bewusst.

Zu Beginn eines jeden Kapitels finden sich kurze Einführungen in den jeweiligen Berufszweig. Anschließend folgen die Erfahrungsberichte der Biologen, in denen sie ihren beruflichen Werdegang offenlegen – auch mit allen Um- und Seitenwegen. Zum Schluss folgt pro Kapitel eine Übersicht mit Anlaufstellen, weiterführender Literatur, hilfreichen Webseiten und Weiterbildungsangeboten.

Auch die düsteren Seiten

Auffällig ist, dass sich die Erzählungen in ihrer Länge und Ausführung zum Teil sehr unterscheiden. Manche Berichte wirken fast etwas knapp erzählt, andere wiederum hätten definitiv gekürzt werden können: Dass beispielsweise die kürzlich beschriebene Art von Autorin Timea Neusser in die Top Ten der marinen Evertebraten gewählt wurde (Seite 37), ist für den Leser karrieretechnisch wohl eher unbedeutend.

Die Berufs-Porträts wirken jedoch stets ehrlich und beleuchten genauso die düsteren Zeiten. Saskia Reibe-Pal erzählt zum Beispiel ab Seite 134, mit welcher Mühe sie versuchte, sich den Traum zu erfüllen, als Kriminalbiologin zu arbeiten – um am Ende doch zu scheitern und zu erkennen, dass „man wohl doch nicht immer alles schaffen [kann], wenn man nur hart genug daran arbeitet.“ Trotzdem bleiben sie und viele andere Autoren optimistisch. Wenngleich oft eine ordentliche Portion Zufall und Glück mit der Biologenkarriere Hand in Hand geht.

Deshalb schreibt Katharina Römpler auch ganz passend: „Im Großen und Ganzen habe ich viele Stationen in meinem Lebenslauf dem Zufall zu verdanken. Jeden Leser, der nun augenrollend denkt: ‚Schon wieder so eine zufällig perfekt gelaufene Berufslaufbahn’, kann ich gut verstehen. Mir ging es genauso während meiner entmutigenden Jobsuche“ (Seite 154). Im weiteren Verlauf verrät die Produkt-Entwicklerin in einem Labordiagnostik-Unternehmen aber, dass diese Zufälle nicht immer so glücklich waren.

Weiterhin verraten die Autoren viele wichtige Tipps und Tricks. So ermutigt Organisationsgründer Rainer Bussmann Lebenswissenschaftler, sich nicht von verschlossenen Professorentüren abschrecken zu lassen (Seite 39). Und Finanzberaterin Ina Lackerbauer rät, früh eine Bestandsanalyse darüber zu machen, was man gut kann – Stichwort Soft­skills (Seite 217).

Aber in welchen Berufen arbeiten die Erzähler eigentlich? Dabei sind unter anderem Universitätsprofessoren, Zookuratoren und Grundlagenforscher sowie Zeitungsredakteure, Dokumentarfilmer, Ornithologen, Reproduktionsmediziner, Lehrer und Unternehmensgründer. Ein paar der Autoren haben der Biologie den Rücken gekehrt. Dazu gehören etwa die oben genannte Finanzberaterin Lackerbauer oder der Motivationstrainer Akuma Saningong.

Alte Tipps, neue Strategien

Lackerbauer ist auch noch aus einem weiteren Grund erwähnenswert: Sie ist mit der Bachelor-Absolventin Julia Walbrühl (Seite 112) die Jüngste unter den Autoren (Jahrgang 1989). Die beiden ältesten Berichterstatter sind der Dokumentarfilmer Wolfgang Tins (Seite 68) und der Unterwasserforscher Claus Calentin (Seite 103), beide Jahrgang 1945. Tatsächlich ist die Jahrgangs-Angabe hinter jedem Autor sehr interessant, so kann der Leser das Erzählte gut einordnen. Denn dass einige Tipps und Ereignisse in der heutigen Zeit nicht mehr funktionieren würden, erkennen die Schreiber selbst und versuchen, ihre Strategien neu einzuschätzen oder dem aktuellen Stand anzupassen.

„Perspektiven – Berufsbilder von und für Biologen und Biowissenschaftler“ bietet einen spannenden Einblick in die unterschiedlichsten beruflichen Werdegänge von Biologen. Wer noch nicht weiß, was er später einmal arbeiten möchte, tut gut daran, in den Ratgeber einmal reinzusehen. Doch auch wer sich schon entschieden hat, kann gerne einen Blick riskieren. Möglicherweise ergeben sich so ganz neue „Perspektiven“; oder man kann sich selbst bestätigen, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.





Letzte Änderungen: 06.12.2018