Editorial

Buchbesprechung

Sigrid März




Thomas Reinard:
Molekularbiologische Methoden 2.0
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: utb GmbH; Auflage: 2. vollst. überarb. u. erw. Aufl. (10. September 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 9783825287429
ISBN-13: 978-3825287429
ASIN: 3825287424
Preis: 34,99 Euro (Taschenbuch)
Jede Menge DNA, RNA und... Proteine

Molekularbiologie für Anfänger, Fortgeschrittene und solche, die sich eventuell demnächst ins Labor wagen.

Da schlägt das Biologen-Herz der Rezensentin höher, gehört doch die Molekularbiologie zu ihren Lieblingsdisziplinen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen beim ersten Blick in das 2018 veröffentlichte Werk „Molekularbiologische Methoden 2.0“. 2.0? Ja, es handelt sich um die „2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage“ der Erstlingsausgabe aus dem Jahr 2010. Damals pressten sich noch 270 Seiten zwischen dunkelblaue Buchdecken. Heute sind es circa fünfzig Seiten mehr, die laut Buchrücken den sich ständig ändernden Methoden im Labor geschuldet und mit Dingen wie Bioinformatik und synthetischer Biologie gefüllt sind.

Erst die Grundlagen...

Da es sich um ein molekularbiologisches Buch handelt, steigt der Leser direkt mit der Frage ein, was DNA sowie RNA sind und wie daraus Proteine werden. Basen und Doppelhelix, Aminosäuren und β-Faltblätter, Pro- und Eukaryoten – Grundlagen wie diese werden anschaulich und mit (aus Lehrbüchern wohlbekannten) Schemata und Abbildungen erklärt.

Mit Grundlagen geht‘s weiter. Der Anfänger lernt von der Pike auf, was Puffer, Waagen und der Molekularbiologen wichtigste Arbeitsutensilien – Mikropipetten und Reaktionsgefäße – sind. Hier und da wird das Greenhorn in den Laborjargon eingeführt: Reaktionsgefäße heißen Eppis, Zentrifugenröhrchen Falcons, Schleichwerbung hin oder her.

Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass der Autor die eine oder andere Stunde im Labor verbracht hat. Denn die Texte lesen sich lebensnah und ohne viel Brimborium. Das kommt nicht von ungefähr, denn Thomas ­Reinard leitet an der Leibniz Universität Hannover die AG Molekulare Biochemie und lehrt praktischerweise ebendort Molekularbiologische Methoden und Bioinformatik. Deshalb kennt Reinard sich vermutlich nicht nur mit Zentrifugieren, Konzentrieren und Umpuffern aus, sondern auch mit E. coli. Wie macht der Experimentator es seinem bakteriellen Mitarbeiter möglichst gemütlich und drängt ihn freundlich, aber bestimmt, unmenschlich große Plasmide in rauer Menge zu produzieren? Die Antwort finden Sie im Buch.

...dann die Methoden

Alsbald werden nach allen Regeln der Kunst Nukleinsäuren aufgereinigt, aus Bakterien, Pflanzen- und tierischen Zellen, mit und ohne Kit, Plasmid- und genomische DNA oder gar RNA. In eigens benannten und farbig abgesetzten Protokoll-Boxen finden sich ebensolche, mit exakten Angaben zu Inkubationstemperatur oder Zentrifugationszeit. Das gibt Menschen, die das erste Mal im Labor stehen, eine Idee von dem, was auf sie zukommt.

Nach der PCR kloniert der Einsteiger, zum Beispiel mittels TA-Klonierung. Das bedeutet nicht, dass praktischerweise die TA alle Klonierungen im Labor macht, sondern es umreißt eine auf T- und A-Basen-Überhängen basierende Klonierungsstrategie. Lustigerweise klonieren Fortgeschrittene erst drei Kapitel später. Warum das so ist, erschließt sich der Rezensentin nicht. Hier finden sich dann komplexere Methoden wie Golden-Gate-Klonierung und Gibson-Assembly. Dazwischen sitzen Vektoren (manche sind nur zum Vervielfältigen gedacht, andere „exprimieren“ tapfer mehr oder weniger korrekt gefaltete Proteine) sowie ein Exkurs zur Elektrophorese und Hybridisierung von Nukleinsäuren.

Ab Seite 201 muss das Erbgut zurückstecken, denn – hoppla – auf einmal dreht sich alles um Proteine und biochemische Methoden. Vielleicht ist die Rezensentin altmodisch, aber: Biochemie in einem Buch über Molekularbiologie? Klar, Proteine sind ja auch irgendwie Moleküle, und Polymerasen, Nukleasen oder Restriktionsenzyme sind Proteine. Und so leiten die Kapitel 9 bis 11 durch die Grundlagen der Proteinbiochemie: von Aufreinigung über Quantifizierung, Elektrophorese, Blotting und immunbiochemische Verfahren bis zum Phage Display, an dem der weltoffene Forscher heutzutage nicht vorbei kommt.

Nach dem Proteinblock, der sage und schreibe zwanzig Prozent des Buches umfasst, geht es nahtlos mit DNA-Kram weiter. Beispielsweise DNA- und Next-Generation-Sequenzierung oder Genom-Editierungsmethoden mit dem unvermeidlichen CRISPR/Cas9 sowie der bereits erwähnten Bioinformatik.

Wer sollte dieses Buch lesen? Das beantwortet der Autor selbst und sieht sein Klientel in „fortgeschrittene[n] Studenten der Lebenswissenschaften“. Und weiter: „Es soll die Lücke zwischen den allgemeinen Lehrbüchern der ersten Semester und reinen Methodenbüchern schließen“ und „[…] später im Labor ein hoffentlich wertvoller Berater sein.“ Dementsprechend ist es weder ein reines Lehr- (zu wenig theoretische Tiefe) noch Praxisbuch (Protokolle zu oberflächlich). Aber für einen molekularbiologischen Überblick ist das Buch mit seinem gewählten Verhältnis von praktischer Anwendung und Hintergrundwissen durchaus geeignet.

Auflockernd, manchmal zu viel

Bemerkenswert sind die zahlreichen Abbildungen, Tabellen und auflockernden Elemente, wie zum Beispiel Concept-Maps, die den Inhalt der (meist) folgenden Seiten in einer Grafik zusammenfassen. Manchmal ist es aber zu viel des Guten, wenn sich auf einer Doppelseite zwei Abbildungen samt Bildunterschriften, eine Tipp-Box, eine Gut-zu-Wissen-Box und noch etliche Fußnoten tummeln. Da sucht der Leser schlussendlich verzweifelt den Fließtext.

Zu guter Letzt präsentiert der Anhang unter anderem die zehn goldenen Laborregeln. Dort heißt es sinngemäß: Achte die TA, denn ihre Macht ist unendlich! Sowie: Nutze niemals ungefragt die Stammlösungen oder Pipettensätze deiner Kollegen – und zurückkommend auf die zuvor genannte Regel – vor allem nicht die der TAs! So ist es.





Letzte Änderungen: 08.03.2019