Editorial

„Ehre, wem Ehre gebührt“ – Ist der „Dr. h. c.“ noch zeitgemäß?

Von Christoph Plieth, Kiel


(07.07.2020) Ehrenpromotionen sind heikel, manchmal gar gefährlich – und binden unnötig viele Ressourcen. Warum schaffen wir sie nicht einfach ab?

Eine entscheidende Sprosse in der Karriereleiter vieler Forscher ist die Promotion. Den damit verbundenen Doktortitel muss man sich normalerweise im Rahmen einer mehrjährigen, wissenschaftlichen Arbeit unter Anleitung seines Principal Investigators (PI), seines „Doktorvaters“ oder seiner „Doktormutter“ hart erarbeiten. Das Recht zur Promotion, also zur Vergabe eines Doktortitels, hat normalerweise die Fakultät, welcher der PI angehört, in dessen Gruppe die Doktorandin oder der Doktorand die Jahre ihres letztlich Titel-bringenden wissenschaftlichen Schaffens verbringen.

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Foto: Unsplash/Hans Veth; Montage: LJ

Die Regelungen, mit welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren jemand am Ende dieser Zeit promoviert wird, setzt der Fakultätskonvent in den vielen Paragraphen seiner umfassenden Promotionsordnung (PromO) fest. Die PromO ist eine autonome Satzung, die allen Beteiligten als nachvollziehbare Richtschnur dienen und das Verfahren transparent machen soll.

Neben der „ordentlichen“ Promotion, der eine wissenschaftliche Arbeit zugrunde liegt, gibt es aber noch die sogenannte „Ehrenpromotion“ („Dr. honoris causa“). Diese setzt nicht notwendigerweise eine wissenschaftliche Arbeit voraus und wird von der Fakultät gerne auch mal an Personen für „...besondere persönliche Verdienste ideeller Art“ vergeben. Auch dies wird in der PromO geregelt, allerdings meist nur nebenbei und in aller Kürze.

Diese Kürze führt dann nicht nur hierzulande zu Anekdoten, denen kürzlich sogar der Deutsche Hochschulverband in seiner Mitgliederzeitschrift einen Artikel widmete (Forschung und Lehre 26: 1012-13). Zu solchen Anekdoten gehören zum Beispiel Personen, die Ehrendoktor-Titel sammeln wie andere Briefmarken oder Münzen, aber auch die Vergabe des „Dr. h. c.“ an eine siebzehnjährige Klimaschutzaktivistin oder Kermit, den Frosch – sowie schließlich auch der fehlgeschlagene Versuch, dem US-Whistleblower Edward Snowden diesen Titel zuteil werden zu lassen.

Auch wenn der Artikel zum Schmunzeln anregt und damit die Sympathie des Lesers gewinnt, so legt er doch nicht ohne Ernsthaftigkeit die weit verbreitete Heterogenität der Versuche offen, Kriterien für die Vergabe von „Ehrenpromotionen“ zu formulieren. Leider verfliegt etwas von der anfänglichen Sympathie, wenn es gegen Ende des Beitrags zu unbeholfenen Empfehlungen der Autorin kommt, wie die dargelegten Missstände abzustellen seien („... so bedacht sollten die Universitäten auf wissenschaftliche Verdienste der zu ehrenden Person Wert legen“). Diese Empfehlungen sind zwar gut gemeint, aber nicht gut begründet. Zum einen wird moniert, dass „...bei einer Universität mit beispielsweise 15 Fakultäten 15 verschiedene Promotionsordnungen mit im ungünstigsten Fall 15 verschiedenen Kriterien zur Verleihung eines Ehrendoktors existieren, die zu dem nach eigener Fasson der jeweiligen Fakultät interpretiert werden.“ Andererseits wird aber nicht die Frage gestellt, warum das so ist.

Diese „Warum“-Frage zu stellen, ist aber entscheidend. Denn Empfehlungen können nur gute und ernstzunehmende Empfehlungen sein, wenn ihnen eine Ursachenanalyse vorausgegangen ist. Die Ursachen für die offengelegten Missstände sind jedoch selbst für langjährig in die Gremienarbeit einer Fakultät involvierte Universitätsmitglieder nicht unbedingt leicht zu erkennen, denn sie liegen verborgen in drei Dilemmata:

1. Das Begriffsdilemma

Der Begriff der „Ehrenpromotion“ ist uneindeutig und wandelbar. Früher wurden mit der Vergabe des „Dr. h. c.“ überwiegend herausragende wissenschaftliche Leistungen gewürdigt, während die dahinter stehenden Menschen mit ihren privaten Ansichten und ihrer politischen Vergangenheit weniger ins Visier genommen wurden. Beispiele sind etwa Konrad Lorenz oder der Knochenchirurg und SA-Mann Gerhard Küntscher. Heutzutage jedoch gilt überdies: Ein herausragender Wissenschaftler ist ein Mensch, der nicht nur in der Wissenschaft eine Vorreiterfunktion hat, sondern auch charakterliche Eigenschaften und eine Gesinnung besitzt, die dem heutigen Zeitgeist entsprechend beispielgebend sind.

Gerade mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultäten, die sich ausschließlich naturwissenschaftlichen Kriterien und damit einer Sprache in exakt definierten Begriffen verpflichtet haben, können es sich eigentlich nicht leisten, in ihrer PromO einen Begriff wie „Ehrenpromotion“ zu verwenden, ohne dass dieser im Rahmen einer Präambel exakt definiert und damit auch auf lange Zeit fixiert wurde.

Was eine Promotion ist, muss einem Fakultätskonvent nicht erläutert werden. Allerdings scheiden sich die Geister bei dem Wort „Ehre“. Kaum jemand ist in der Lage, diesen abstrakten Begriff in wenigen Sätzen so präzise auf den Punkt zu bringen, ohne dass jemand anderes im Konvent aufsteht und sagt: „Also nein, diese Sache sehe ich doch ein wenig anders...!“

„Ehre“ ist ein von gesellschaftlicher Gruppe, Anschauung, Religion, historischem Kontext sowie weiteren Faktoren geprägter Begriff, der sich zudem ständig wandelt. Dieser Wandel wiederum ist dem jeweiligen Zeitgeist unterworfen. Kaum ein anderer Begriff unterliegt einer derart breiten semantischen Spanne von erstrebenswert bis verwerflich.

Es gab Autoren und Publizisten, die den Geist ihrer Zeit in ihren Werken präzise zu spiegeln vermochten. Diese Werke – wie etwa Theodor Fontanes „Effi Briest“ von 1896 oder Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von 1974 – zeigen, dass das, was gestern noch „ehrenvoll“ war, gemäß heutiger Political Correctness anstößig sein kann. Und bereits morgen kann dies wieder neutral oder gar positiv assoziiert sein.

2. Das Verfahrensdilemma

Gibt die PromO keine transparente und stringente Verfahrensweise zur Kommunikation und zur Vergabe des „Dr. h. c.“ vor, so manövriert sich die Fakultät unter Umständen wie folgt in ein Verfahrensdilemma:

Einerseits muss der zu ehrenden Person im Vorfeld mitgeteilt werden, dass man beabsichtigt, sie mit dem „Dr. h. c.“ auszuzeichnen. Sollte sie ein solches Ansinnen ablehnen – zum Beispiel, weil sie es ablehnt, sich in die Reihe der bisher so Geehrten einordnen zu lassen –, nachdem der Fakultätskonvent der Ehrung zugestimmt hat, dann wäre das gegebenenfalls je nach Begründung ein peinlicher, vielleicht sogar rufschädigender Vorgang für die Fakultät. Holt man andererseits vor Beschlussfassung im Konvent das Einverständnis der Person ein, und entscheidet der Konvent dann mangels Zweidrittelmehrheit gegen die Vergabe des „Dr. h. c.“, oder verweigern der Universitäts-Senat oder eine höhere Instanz seine Zustimmung – dann wäre das für die betreffende Person ein sehr peinlicher beziehungsweise rufschädigender Vorgang. Siehe zum Beispiel die Fälle „Barack Obama und die Arizona State University“ oder „Edward Snowden und die Universität Rostock“.

3. Das Ressourcendilemma

Jedes Ehrenpromotions-Verfahren ist aufwändig und bindet Zeit- und Personal-Ressourcen innerhalb der Fakultät und ihrer Gremien. Insbesondere bei Überarbeitungen und Neufassungen der PromO werden sowohl Begriffsbestimmungen als auch Bemaßungen des „Dr. h. c.“ schnell schwierig. Sind es Verdienste „in der Wissenschaft“ oder „um die Wissenschaft“, die geehrt werden sollen? Und was sind überhaupt „besondere persönliche Verdienste ideeller Art“? Reicht es dazu etwa, der Universität ein neues Hörsaalgebäude zu spendieren?

Zudem würde der sich wandelnde Zeitgeist fordern, dass Begriffsbestimmungen und Bemaßungen ständig angepasst werden. Und nicht zuletzt würde besagter Wandel auch Revisionen der Verfahren von früheren Ehrenpromotions-Vergaben nötig machen. Schließlich sind Entscheidungen der Fakultät über Ehrenpromotionen aus früheren Zeiten im Licht gegenwärtiger Anschauung möglicherweise inkorrekt.

Tatsächlich werden heute ältere Ehrungen mit großem Aufwand entzogen (zum Beispiel für Konrad Lorenz von der Uni Salzburg), oder die erklärte Aberkennung von Ehrenpromotionen wird wiederum für nichtig erklärt (siehe zum Beispiel „Bestand B2 Akten der Ehrendoktoren“ der TU Braunschweig). Oder es wird ein Doktortitel entzogen, der im Rahmen eines normalen Promotionsverfahrens erworben wurde (Annette Schavan an der Universität Düsseldorf) – und dieser Titelverlust durch die Verleihung einer Ehrendoktorwürde wieder „ausgebügelt“ (Annette Schavan von der Universität Lübeck).

Angesichts von Plagiarismus-Vorwürfen durch Plattformen wie VroniPlag und den dadurch vielerorts initiierten „Revisionen“ ordentlicher Promotionen könnte es zukünftige Generationen von Fakultätsgremien leicht zur Ineffizienz verurteilen, wenn sie mit dem „Dr. h. c.“ eine weitere Kategorie von Doktoren stets an den jeweiligen Zeitgeist anpassen müssen. Dies wäre umso unerfreulicher, weil diese Kategorie nicht allein der Wertschätzung wissenschaftlicher Leistungen dient, sondern teilweise schlichtweg der selbstgefälligen Bedienung von Eitelkeiten.

„Ehre“ – eine Imagination?

Um dem Begriff „Ehre“ nun näherzukommen, ist eine Auseinandersetzung damit sinnvoll, wie er in der Vergangenheit (ab-)genutzt wurde. Dazu muss man nicht die letzten 15.000 Jahre der Menschheitsgeschichte betrachten. Nein, es reichen die letzten 150 Jahre und die Beantwortung einer einzigen Frage, die da lautet:

Wie viele Menschen sind in den letzten 150 Jahren mit einer Imagination im Kopf, die sie „Ehre“ nannten, sowie mit einer Waffe in der Hand und einem „Hurra!“ auf den Lippen auf das „Feld der Ehre“ getreten und haben die Nachbarn mit Terror und Tod überzogen, nur um am Ende selbst daran zu sterben – und dies auf Veranlassung oder Befehl von ein paar wenigen Menschen, die mit „Ehre“ nicht viel im Sinn hatten, die aber sehr genau wussten, diese Imagination manipulativ zu nutzen, um ihre Macht und ihren persönlichen Reichtum zu mehren?

Zu dieser vergleichsweise präzisen Frage wird man niemals eine präzise Antwort finden. Aber egal aus welcher Perspektive heraus man einen Versuch dazu unternimmt, wird man immer auf eine mehrstellige Millionenzahl kommen. Und mit solch logarithmischer Größenordnung ist es nachvollziehbar, wenn jemand konstatiert: „Ehre“ ist nicht nur die dümmste, sondern „Ehre“ ist zugleich die verwerflichste Imagination der Menschheitsgeschichte.

„Ehre“ – eine Vertrauenssache?

Mit der Ehre ist es ähnlich wie mit dem Geld: Es ist zunächst einmal Imagination oder Illusion. Da geht jemand mit einem in Rotbrauntönen gehaltenen Zettel, auf dem Bauwerke der Renaissance und die Unterschrift von Mario Draghi zu sehen sind, in einen Laden, sammelt einen ganzen Einkaufswagen voll Waren zusammen und gibt dem Ladenbesitzer das Stück Papier. Der quittiert das mit einem Kassenbeleg und ist damit einverstanden, dass derjenige, der ihm den rotbraunen Zettel gab, die Waren nun als sein Eigentum betrachtet. Von ganz außen betrachtet ein amüsanter und fragwürdiger Vorgang. Wie kann der Ladenbesitzer die Waren bloß gegen ein Stück Papier tauschen? Die Antwort auf die Frage ist simpel: Es hat etwas mit Vertrauen zu tun! Der Geschäftsmann vertraut darauf, dass er den Geldschein gegen neue Ware oder Dienstleistungen eintauschen kann, die für sein Geschäft nötig sind. Noch mehr vertraut er, wenn er bargeldlose Zahlung akzeptiert.

Mit der Ehre ist es ähnlich: Wenn einer dem anderen eine „Ehrennadel“ ansteckt, dann ist das von außen betrachtet zunächst ein lächerlicher Vorgang. Aber niemand, der an dieser Zeremonie teilnimmt, kommt auf die Idee, sich darüber zu amüsieren – weil alle Beteiligten darauf vertrauen und ehrlich anerkennen, dass dieser Vorgang eine echte Würdigung besonderer Leistungen, Errungenschaften oder Eigenschaften der Person ist, die die Nadel bekommt.

„Kapital und Währung“ versus „Reputation und Renommee“

Jeder, der auf seinem Bankkonto einen Betrag stehen hat, vertraut darauf, dass dies ein Wert ist, von dem er jederzeit etwas gegen Dinge oder Dienstleistungen eintauschen kann, die er zum Leben braucht. Nur existiert dieser Wert zunächst noch nicht einmal in Form hübsch bebilderter Scheinchen, sondern es sind lediglich Zahlen, die auf großen Festplatten diverser Server gespeichert sind. Das Vertrauen, dass diese Binärcodes von Beständigkeit sind und sich zu gegebener Zeit gegen reale Werte, oder zumindest gegen Scheinchen, eintauschen lassen, ist grenzenlos. Was aber ist, wenn es einen „Server-Super-GAU mit SSD-Kernschmelze“, eine „Computervirus-Pandemie“ oder auch nur einen längeren „Blackout“ gibt und die gespeicherten Codes auf Null gesetzt werden? Oder, noch schlimmer, wenn ein Vorzeichenfehler dazu führt, dass aus „plus“ plötzlich „minus“ wird? So etwas ist noch niemals passiert. So etwas kann niemals passieren! Das ist alles abgesichert!! Darauf kann man voll und ganz vertrauen!!

Doch kommt es zu einer natürlichen Pandemie und demzufolge zum Erliegen des Wirtschaftssystems oder produziert die Raffgier internationaler Banker und der Zerfall ihrer Standeswerte eine Wirtschaftskrise – wie sieht es dann mit dem Vertrauen aus? Sollte man nicht vielleicht doch in Regional- oder Lokalwährungen investieren, sich besser bevorraten und mehr Klopapier horten? Gewährt das eine gewisse Sicherheit vor globalen Erschütterungen?

Auch diese Gedanken und Fragen erlauben wiederum Analogieschlüsse zur „Ehre“: Diese Imagination hat ihren Wert jeweils im sozialen Umfeld. Jeder glaubt davon ein gewisses Maß zu besitzen und vertraut darauf, dass das, was man selbst unter „ehrenvoll“ versteht vom nächsten Mitmenschen auch so verstanden wird. Schaut man sich den üppigen Behang der Uniformen mancher Schützenvereinsmitglieder an, so könnte man auf den Gedanken kommen, auch „Ehre“ ließe sich bevorraten.

Doch machen Diskussionen um Berechtigung, Reputation und Renommee vergangener „Ehrerbietungen“ wie in den obigen Beispielen deutlich, dass es auch hier zu „globalen Erschütterungen“, das heißt zum Wandel im „Zeitgeist“ gekommen ist beziehungsweise noch kommen kann. Bei der Akzeptanz dieses Wandels ist jedoch Vorsicht geboten, denn vermeintliche Änderungen im Zeitgeist verbreiten sich heutzutage „dank“ digitaler sozialer Netzwerke gelegentlich wie Pandemien einer „New Political Correctness“. Ob die daraus resultierende Empörungskultur einer sachlichen Diskussion dient, darf infrage gestellt werden.

Der „Ehrenkodex“ und die Gefahr der „Kompassreihe“

Ein „Ehrenkodex“ gewährt scheinbar Sicherheit, definiert allerdings nur sehr regional, was „ehrenwert“ ist und was nicht. Etwas abseits solch regionaler „ehrenwerter“ Gesellschaften kann der Kodex bereits als wertlos, verwerflich oder gar kriminell eingestuft sein – so, wie es bei Regionalwährungen eben auch ist.

Jede Fakultät einer jeden Universität definiert für sich den Kodex, der sagt, was unter „ehrenwert“ zu verstehen ist. Die Definition der Ehrendoktorwürde ist also sehr regional. Sie wird typischerweise nicht präzise in der PromO der jeweiligen Fakultät festgeschrieben, sondern ergibt sich aus der Kompassreihe der bisher Geehrten, die als Maßstab herhalten müssen.

Was aber muss geschehen, wenn in dieser Reihe Persönlichkeiten entdeckt werden, die – am aktuellen Zeitgeist gemessen – nicht mehr als Maßstab herhalten können? Kann man sie (posthum) aus der Reihe eliminieren, um den Kompass wieder „einzunorden“ – wie im Beispiel von Konrad Lorenz und der Uni Salzburg? Genau betrachtet ist allein der Versuch dazu fragwürdig, denn die Ehrendoktorwürde erlischt mit dem Tod des Titelträgers. Zudem gilt vielerorts: „Ein Entzug [des Doktortitels] ist nur nach vorheriger Anhörung des Betroffenen möglich.

Die Empfehlungen des oben genannten Artikels in Forschung und Lehre sind unbeholfen und gehen nicht weit genug. Gerade die „Nebenwirkung“, wenn sich Hochschule oder Fakultät „mit den Geehrten schmücken“, ist alles andere als „gefahrlos“. Beispielsweise wenn sich herausstellt, dass der Geehrte zwar ein herausragender Wissenschaftler oder Mediziner war, aber sein persönliches Handeln aus heutiger Sicht als eher niederträchtig gewertet werden muss, weil er zu seiner Zeit aktiv dazu beigetragen hat, dass Dozenten-Kollegen aufgrund ihres jüdischen Glaubens ihren Job verloren und von der Universität verwiesen wurden (siehe etwa Ratschko und Mehs, Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2011: 56-63). Dann nämlich ist die Gefahr gegeben, dass in Zukunft Personen, an welche die Fakultät mit der Absicht der Verleihung eines „Dr. h. c.“ herantritt, dies ablehnen, weil sie sich nicht der Kompassreihe der bisher so Geehrten zurechnen lassen wollen.

Fazit: Schluss mit unzeitgemäßen Zeremonien!

Moderne, zukunftsorientierte Fakultäten sollten also besser nicht „... eine Vergabe [des Dr. h. c.] mit Bedacht festlegen und auch anwenden“, sondern vielmehr diesen alten Zopf ganz abschneiden und Regelungen zur Vergabe von „Ehrenpromotionen“ aus ihrer PromO ersatzlos streichen. Lokal, das heißt in der Fakultät, wäre der Abschied von dieser Tradition eine Möglichkeit zur Effizienzsteigerung, denn nach endgültigem Abschluss dieses Kapitels entfällt auch die Notwendigkeit, es für Revisionen und Korrekturen immer wieder aufzuschlagen. Global würde das denjenigen die Grundlage entziehen, die mit dem Ehrentitel Geschäfte machen (siehe etwa DHV-Newsletter 12/2017: „Wertersatz für vermittelten ‚Dr. h.c.’ entspricht Vertragsentgelt“). Interpretationen und historische Betrachtungen des abgeschlossenen Kapitels sollten dann diejenigen übernehmen, die das aufgrund ihrer Expertise können, die das wollen – und die es im Rahmen ihres Aufgabenbereiches sollen.

Für „Glanz und Reputation“ gibt es neben Fakultätspreisen, Universitätsnadeln, Wissenschaftspreisen und -medaillen im Rahmen vieler verschiedener Anlässe einer lebendigen Universität immer wieder neue Gelegenheiten und bessere Möglichkeiten, herausragende wissenschaftliche Leistungen oder das persönliche Engagement Einzelner für Fakultät und/oder Universität zu würdigen sowie öffentlich herauszustellen. Ganz ohne dass dies eventuell auch noch durch ein Verwaltungsgericht wie im Fall „Edward Snowden und Universität Rostock“ überprüft werden müsste.



Zum Autor

Christoph Plieth ist Privatdozent in der Arbeitsgruppe „Strukturbiologie“ am Zentrum für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Kiel.


Letzte Änderungen: 07.07.2020