Editorial

Mit Algorithmus zum Traumarbeitgeber
Life-Science-Matching-Plattform ScieMatch

Ralf Schreck, Laborjournal 10/2021


(12.10.2021) Noch beim Studieren oder schon am Promovieren? Irgendwann stellt sich die Frage nach dem nächsten Karriereschritt. Mit ScieMatch kommt seit kurzem ein neues Tool zum Einsatz, das Studenten und Jobsuchenden hilft, ein passendes Life-Science- oder Biotechnologie-Unternehmen zu finden.

Auch heute fällt es dem wissenschaftlichen Nachwuchs immer noch schwer, sich vom gewohnten akademischen Umfeld zu trennen. Doch dem, der zu lange nur durch die Uni-Brille schaut, droht im fortgeschrittenen Alter dank Wissenschaftszeitvertragsgesetz der Gang zur Arbeitsagentur. Die Life Sciences Studierendeninitiative (btS) hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, Lebenswissenschaftlern frühzeitig Einblicke in die Berufspraxis zu vermitteln und ihnen den Übergang in die Berufswelt zu erleichtern.

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Die btS (bts-sciecon.de) wurde vor 25 Jahren in Köln als Biotechnologische Studenteninitiative gegründet. Heute verfügt der gemeinnützige Verein bundesweit über Geschäftsstellen an 27 Hochschulstandorten. Die überwiegende Mehrheit der mehr als tausend Mitglieder sind Studenten und Promovierende, die einen jährlichen Beitrag von 25 Euro zahlen. Daneben sind btS-Alumni, Lehrende oder Angestellte aus Forschungsinstituten und Unternehmen als außerordentliche Mitglieder mit dabei. Der Verein lebt von deren ehrenamtlichen Engagement.

Neben zwölf bundesweiten Arbeitsgruppen zu Themen wie Weiterbildung, Vernetzung oder Datenschutz ist zum Beispiel die ScieCon eine zentrale btS-Aktivität. ScieCon ist eine Firmenkontaktmesse von Studenten für Studenten der Lebenswissenschaften mit regelmäßig über tausend Besuchern. Die lokalen Geschäftsstellen bieten darüber hinaus Vernetzungsveranstaltungen, Firmenexkursionen sowie Vorträge oder Workshops zu Soft Skills und Bewerbung beziehungsweise Berufseinstieg an.

„Bridging the gap“ ist ein zentrales Motto der btS. Der wissenschaftliche Nachwuchs soll Wege in die Wirtschaft oder zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufgezeigt bekommen. Der Biologe Johann Liebeton engagiert sich seit 2018 bei der Studenteninitiative: „Bei zahlreichen Events mussten wir feststellen, dass Studenten zwar die großen Life-Science-Unternehmen sowie einzelne lokale Akteure kennen, sie aber in der Regel keinen Überblick über die Unternehmen haben.“ Ebenso seien die Vielfalt der Möglichkeiten beziehungsweise die unterschiedlichen Berufsprofile eines Wissenschaftlers in der Forschungs-und-Entwicklungs-Abteilung eines Unternehmens hinaus nur wenig bekannt.

Das war für die btS Motivation genug, um mit ScieMatch ein neues Tool zu starten, das die Passfähigkeit zwischen Jobsuchenden und Unternehmen mithilfe eines Algorithmus analysiert und bewertet. Seit März 2021 ist das für Studenten und Doktoranden kostenfreie Angebot online und erfreut sich bei den knapp tausend bisherigen Nutzern einer regen Nachfrage. Auch Nicht-btS-Mitglieder können das Tool nutzen. Neben Jobs kann auf ScieMatch auch Interesse an Praktikumsplätzen, Trainee-Möglichkeiten, Industriepromotionen oder Bachelor- sowie Masterabschlussarbeiten bekundet werden. Mit einem Fokus auf Berufseinsteiger in einer engen Branchennische sowie einem nicht auf Profit ausgerichteten und daher „neutralen“ Angebot sieht btS Vorteile gegenüber anderen rein kommerziellen Anbietern, die Matching-Tools verwenden.

Wie funktioniert ScieMatch?

Interessenten beantworten auf ScieMatch zunächst zehn Fragen. Danach sind eine Registrierung und das Anlegen eines Profils erforderlich, um die restlichen 28 Fragen einsehen zu können. Dabei gibt es eine Mischung aus Multiple-Choice- und quantitativ zu beantwortenden Fragen zu Fähigkeiten, Interessen und Werten des Bewerbers, aber auch zu seinen Vorstellungen hinsichtlich des nächsten Arbeitgebers. Bevorzugen Sie ein internationales Team, die Arbeit im Großraumbüro, eine Anstellung in einer bestimmten Region oder das kollegiale „Du“ am Arbeitsplatz? Sollte sich Ihr zukünftiger Arbeitgeber Nachhaltigkeit, Genderparität, Inklusion und/oder Diversität auf die Fahnen schreiben? Sind Sie Erbsenzähler oder Spaßbremse, Eule oder Lerche, In-Frage-Steller oder Netzwerker? Wie wichtig sind Work-Life-Balance, eine Kinderkrippe im Unternehmen oder ein Firmenwagen? Teilnehmende Unternehmen geben Auskunft zu diesen Fragen und können entweder das kostenfreie Basispaket oder ein kostenpflichtiges Standard- oder Premiumpaket mit einer proaktiven Rekrutierungsmethode buchen. Der Preis für das Standardpaket beträgt 750, der für das Premiumpaket 1.750 Euro pro Jahr. Start-ups können ScieMatch kostenfrei nutzen.

Mittelfristig soll ScieMatch kostendeckend arbeiten. Der Algorithmus vergleicht die Wünsche der Interessenten mit den Angaben der Unternehmen und zeigt anschließend Unternehmen mit hoher Passgenauigkeit an. Der Interessent bekommt darüber Zugang zum Profil und der Website der Firma, um sich weiter zu informieren oder direkt zu bewerben.

Anonymität und Datenschutz gewährleistet

ScieMatch legt großen Wert darauf, dass der Datenschutz gewährleistet ist. In der Standardeinstellung teilt ScieMatch keine personenbezogenen Daten mit anderen Nutzern oder Unternehmen. Die Studenten und Doktoranden bestimmen selbst, ob Firmen Zugriff auf ein pseudonymisiertes Profil von ihnen bekommen. Pseudonymisiert bedeutet dabei, dass Unternehmen zunächst nur den Matching-Score und die Antworten auf die Fragen sehen. Basierend darauf können sie entscheiden, ob sie eine „Kontaktanfrage“ schicken. Wird diese vom Nachwuchs positiv beantwortet, erhält das Unternehmen nachfolgend Zugang zum Namen und gegebenenfalls zu weiteren hinterlegten Informationen wie Lebenslauf und LinkedIn- oder Xing-Profil. Weiterhin können Studenten bestimmen, wie lange ihr Profil für die Firmen freigegeben ist, sowie bereits beantwortete Fragen und ihr Profil später noch ändern. Nutzen sie ihren Account für 26 Monate nicht, wird dieser automatisch gelöscht. Ob eine Bewerbung über ScieMatch erfolgreich verläuft, erfährt die btS nur nach direkter Rückmeldung durch Stelleninhaber oder Unternehmen.

Wie geht es weiter?

Bisher nutzen 15 Unternehmen ScieMatch, davon hat zum Beispiel Merck einer namentlichen Nennung als Nutzer zugestimmt. Während die btS zu Beginn zunächst Unternehmen gewinnen konnte, mit denen sie schon länger zusammenarbeitet, sollen laut Biologe Liebeton in Zukunft verstärkt neue Unternehmen akquiriert werden. Er nennt fünfzig Firmen fürs kommende Jahr. Da ScieMatch ebenso in einer englischsprachigen Version vorliegt, können auch Fachkräfte aus dem Ausland das Stellen-Tool nutzen. Zusätzlich sollen zukünftig neben den Unternehmen auch außeruniversitäre Einrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft als potenzielle Arbeitgeber auftreten.

Derweil läuft im Hintergrund die Optimierung des Fragenkatalogs weiter. Dabei muss auch der Wunsch der Unternehmen berücksichtigt werden, ihren Aufwand so gering wie möglich zu halten. Noch in diesem Jahr soll ScieMatch um einen weiteren Service erweitert werden: 25 Berufsbilder aus den Life Sciences wurden definiert und sollen Nutzern die Vielfalt der Jobmöglichkeiten näherbringen. Liebeton ist vom zukünftigen Erfolg von ScieMatch überzeugt: „Wir bekommen zahlreiche positive Rückmeldungen durch unsere Mitglieder und hoffen, dass die über uns geknüpften Kontakte zu zahlreichen Stellenbesetzungen führen.“