Europas Top-Talente im Visier

European Molecular Biology Organisation (EMBO)
von Ralf Schreck, Laborjournal 06/2018


Editorial

Sie forschen über Zellzyklus, Transkription oder Signaltransduktion? Sie wollen Ihren Horizont erweitern und einen Abstecher ins Ausland machen? Dann sind Sie bei EMBO an der richtigen Adresse – seit mehr als fünfzig Jahren wird Ihnen da geholfen!

In den letzten 54 Jahren hat die European Molecular Biology Organisation (EMBO) so einiges auf die Beine gestellt. All das hier vorzustellen, würde das Heft sprengen. Daher geht es nach einer kurzen Einführung hauptsächlich um die EMBO-Stipendien.

Herzstück von EMBO sind die mehr als 1.700 wissenschaftlichen Mitglieder, darunter auch knapp achtzig Nobelpreisträger. Die Anzahl der EMBO-Members wächst jährlich um bis zu fünfzig Wissenschaftler. Diese werden aufgrund wissenschaftlicher Leistungen durch aktuelle EMBO-Mitglieder vorgeschlagen. Finanziert wird EMBO zum Großteil durch die EMBC, die European Molecular Biology Conference. Das sind 25 Mitgliedsländer inklusive aller EU-Staaten mit Ausnahme von Bulgarien, Lettland, Rumänien, Tschechien und Zypern sowie zusätzlich Norwegen, die Schweiz, die Türkei und Israel. Indien und Singapur sind EMBC-assoziiert sowie Taiwan und Chile über Kooperationsvereinbarungen mit im Boot.


Aus den EMBO-Members rekrutieren sich die Mitglieder der zahlreichen Gremien, Komitees und Arbeitsgruppen bei EMBO. So gibt es jeweils ein Komitee für Stipendien, Kurse, EMBO-Mitgliedschaft oder Frauen in der Wissenschaft sowie eine Beratergruppe für Wissenschaftspolitik. An der Spitze von EMBO und für deren Weiterentwicklung zuständig ist der EMBO-Council mit 15 gewählten Mitgliedern. Angeführt wird der EMBO-Rat aktuell durch Carl-Henrik Heldin, ehemaliger Vizepräsident des European Research Council (ERC) und aktueller Vorstand des Nobelpreis-Komitees. Maria Leptin als EMBO-Direktorin ist aufgrund ihres Amtes ebenso im Council vertreten. Noch wichtig zu wissen ist, in welchen Forschungsfeldern EMBO aktiv ist: In den Leitfäden für die EMBO-Förderprogramme finden Sie nicht nur alles Wissenswerte, um ans Geld und Renommee zu kommen. Zusätzlich sind hier auch die EMBO-Themen gelistet, 21 an der Zahl, die von Ökologie und Evolution über Molekularmedizin und Neurowissenschaften bis hin zur Genomstabilität und Systembiologie reichen.

Editorial
Stippvisite im Ausland

Die gute Nachricht zuerst: Sind alle Haken im Stipendiums-Antrag richtig gesetzt, ein renommiertes Gastlabor gefunden und frühere Betreuer hinsichtlich Referenzschreiben vorgewarnt, so haben Sie das Ticket bereits relativ sicher in der Tasche. Die Traumquoten von über siebzig Prozent aus den Achtzigerjahren werden zwar nicht mehr erreicht, doch liegen die aktuellen Chancen auf ein EMBO-Kurzzeit-Stipendium immer noch bei über fünfzig Prozent. Das findet man so nicht häufig! Gefördert wird ein Aufenthalt von bis zu drei Monaten in einem Gastlabor im Ausland oder besser gesagt in einem der oben genannten EMBC-Länder. Ausnahmen sind zum Beispiel Einrichtungen mit extraterritorialem Status wie das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg. Hier können Sie sich auch aus Deutschland heraus bewerben. Gastländer außerhalb des EMBC sind möglich, müssen aber entsprechend begründet sein. Sie sollten zumindest ein Jahr Erfahrung als Doktorand gesammelt haben – eine Altersgrenze nach oben wird nicht erwähnt.

Das Stipendium ist nicht nur zum Quatschen, sondern zum richtigen Forschen gedacht. Bevorzugt gefördert werden Aufenthalte, aus denen sich neue wissenschaftliche Kontakte ergeben. Nicht gerne gesehen, sind Besuche bei langjährigen Kooperationspartnern oder bei Mentoren und Wegbegleitern aus Promotion oder Postdoc-Zeit.

Ebenso sollte das Stipendium nicht dazu genutzt werden, um einen bereits angetretenen Aufenthalt zu verlängern, ein Meeting oder Workshop zu besuchen oder sich zwischen zwei Jobs zu finanzieren. Projektanträge, die ausschließlich dem Erlernen einer Methode unabhängig von bisherigen Forschungsarbeiten dienen, zu anwendungsorientiert sind oder in industriellen Einrichtungen durchgeführt werden sollen, machen es den Gutachtern leicht und wandern in den Müll.

Falls Sie sich bewerben, sollten Sie das mindestens drei Monate vor Abflug über das EMBO-Online-Portal tun. Die drei Monate braucht es in der Regel, um den Antrag zu begutachten. Auf eigenes Risiko können Sie den Antrag jedoch auch erst am Tag vor Abreise einreichen. Bis auf die knapp 2,5 DIN-A4-Seiten oder maximal 1.500 Wörter Projektbeschreibung ist die Antragstellung ein Klacks. Als abhängiger Wissenschaftler – sprich Promovend oder Postdoc – brauchen Sie noch zwei Gutachten. Ebenso erforderlich sind Angaben zu den drei wichtigsten Publikationen – falls Sie bereits so viele haben.

Der Antrag wird im EMBO-Fellowship-Büro zunächst formal geprüft und dann an Gutachter verteilt. Diese sind entweder EMBO-Mitglieder, EMBO-Young-Investigators oder Editoren von EMBO Press. Die finale Entscheidung trifft dann der EMBO-Stipendienmanager. Im Erfolgsfall gibt es neben den Reisekosten auch ein Tagesgeld. Das liegt je nach Land zwischen 63,51 Euro für Tschechien und 133,22 Euro für die Schweiz. Und das zusätzlich zu Ihrem Gehalt, das während des Auslandsaufenthaltes in der Heimat weiterläuft. Damit das Heimatlabor von Ihrem Ausflug profitiert, müssen Sie dort nach Rückkehr mindestens sechs Monate weiterarbeiten. Und das wird tatsächlich auch überprüft! Nach einer Wartezeit von einem Jahr können Sie sich erneut auf ein Stipendium in einem anderen Gastlabor bewerben. Eine Bewerbung ist ebenfalls möglich, wenn Sie ein laufendes EMBO-Langzeit-Stipendium haben.

Anträge auf ein 12- bis 24-monatiges Langzeit-Stipendium können Sie einreichen, wenn der Doktortitel bei Eingabefrist noch nicht länger als zwei Jahre zurückliegt. Auf jeden Fall wird der Titel spätestens dann gebraucht, wenn das Stipendium angetreten wird. Ausnahmen wie Elternzeit werden berücksichtigt und sollten vor Antragstellung mit EMBO abgestimmt werden. Abgestimmt werden sollte zuvor auch, ob ein medizinischer Doktortitel ausreicht. Hier muss richtige Laborluft geschnuppert worden sein – sprich experimentelle Forschungserfahrung nachgewiesen werden. Eingereicht werden kann der Antrag das ganze Jahr über. Aufgrund des Begutachtungsprozederes gibt es dennoch zwei Fristen: jeweils der zweite Freitag im Februar und im August.

Etwa vier Monate später gibt es die Zu- oder Absage. Viele Antragsteller verfolgen auch noch Plan B und reichen weitere Anträge parallel bei anderen Förderern wie dem „Human Frontier Science“-Programm ein (siehe LJ 5/2018: 66-70). Dies geschieht in der Hoffnung, dass letztlich ein Antrag durchgeht und der zeitliche Abstand zwischen Promotion und Postdoc nicht zu groß wird. Voraussetzung für ein Stipendium ist weiterhin eine zumindest akzeptierte Erstautor-Publikation in einem internationalen Journal oder auf gängigen Preprint-Servern wie arXiv oder bioRxiv. Wieder gibt es umfangreiche Mobilitätsregularien. Vielleicht die Wichtigste ist, dass die Staatsbürgerschaft eines EMBC-Mitgliedslandes gebraucht wird beziehungsweise man zumindest da promoviert haben sollte, um das Stipendium auch im „gelobten“ Land sprich den Vereinigten Staaten nutzen zu können.

Laut EMBO sind bis zu dreißig Prozent aller Stipendien pro Jahr für einen Aufenthalt außerhalb der EMBC-Länder vorgesehen. Der Antrag erfolgt wieder über das Online-System und keine Antragstellung ist komplett ohne zwei Empfehlungsschreiben und die Aufnahmebestätigung des Gastlabors.


Maria Leptin ist als EMBO-Direktorin
im EMBO-Council vertreten. Foto: EMBO

Begutachtungsmarathon

Die rund 1.600 Langzeit-Stipendiumsanträge, die jedes Jahr bei EMBO eingereicht werden, gehen durch viele Hände. Nach formaler Prüfung werfen drei Mitglieder des zwanzig-köpfigen Fellowship-Komitees zunächst einen kurzen Blick in die Anträge. Hat man das Prä-Screening überstanden, folgt auf der nächsten Stufe ein Live-Interview mit Vortrag vor Ort oder zumindest virtuell bei einem EMBO-Member oder -Young-Investigator. Dann bekommen fünf Mitglieder des Fellowship-Komitees Antrag und Interview-Report. In einem gemeinsamen Meeting des Komitees wird dann eine priorisierte Liste der Bewerber erstellt. Da der Antrag mehreren Komitee-Mitgliedern bereits bekannt ist, geht es etwas schneller und fällt vielleicht etwas objektiver aus als in Begutachtungsverfahren anderer Förderorganisationen.

Die Erfolgsquoten der letzten Jahre lagen zwischen 11 und 16 Prozent. Gehören Sie zu den glücklichen Gewinnern, so sind Sie jetzt ein EMBO-Fellow, können sich im Glanz des EMBO-Stipendiums sonnen und langsam den Koffer packen. Die Fellowship muss innerhalb eines Jahres nach Antrags-Cutoff angetreten werden. Wie bei anderen Förderern auch gibt es einen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten. Wechselten Sie beispielsweise ans EMBL in Heidelberg, so erhielten Sie in 2017 fürs erste Jahr 36.000, fürs zweite 39.553 Euro. Für Umzug und Rückflug gibt es bis zu 5.000 Euro plus ein halbes Monatsgehalt on top. Pro Kind unter 18 Jahren gibt es jährlich zusätzlich 5.394 Euro. Ebenso sind für jedes Kind unter sechs Jahren Betreuungskosten von bis zu 2.500 Euro pro Jahr abrufbar.

Auch sonst ist EMBO familienfreundlich: Drei Monate bezahlte Elternzeit bei gleichzeitiger Verlängerung des Stipendiums sowie Teilzeitarbeit (50 oder 75 Prozent) aufgrund von Kinderbetreuung sind möglich. Falls Sie sich schon jetzt Gedanken über den Ruhestand machen, teilfinanziert EMBO mit bis zu 100 Euro pro Monat ein Altersversorgungssystem, das zumindest in Europa transferierbar sein sollte. Geld fürs Labor wie beispielsweise bei Human Frontier gibt es nicht.

Eine große Familie

Falls Sie ein EMBO-Fellowship erhalten, es aber nicht antreten wollen oder können oder vorzeitig abbrechen, so können Sie als EMBO-Fellow ohne Stipendium trotzdem Mitglied der EMBO-Familie bleiben. Das macht sich gut im Lebenslauf und ermöglicht die Teilnahme am Meeting der EMBO-Fellows, auf dem Sie über Ihre Forschung schwadronieren und sich mit anderen Fellows vernetzen können.

Ebenso kann man Free-of-Charge bei einem EMBO-Leadership-Kurs für Postdocs mitmachen. Der wird von der Gesellschaft zur Förderung der Lebenswissenschaften Heidelberg GmbH, einer gemeinnützigen EMBO-Tochter, angeboten und kostet für „normalsterbliche“ Nicht-Stipendiaten knapp 2.000 Euro. Da lernen Sie dann in drei Tagen, wie Sie später das eigene Labor führen müssen, um das Beste aus sich und Ihren Mitarbeitern herauszuholen.

Für EMBO-Fellows, bei denen es super im Gastlabor läuft, gibt es seit 2014 die Möglichkeit, das Langzeit-Stipendium um bis zu zwei weitere Jahre zu verlängern. Das sogenannte EMBO-Advanced-Fellowship ist dazu gedacht, wichtige Experimente abzuschließen beziehungsweise den Weg des Fellows in die Unabhängigkeit zu ebnen. Damit verbunden ist nicht nur eine Erhöhung des Stipendiums auf 44.726 Euro im Beispielland Deutschland. Wird der Fellow vor Ende des EMBO-Stipendiums im Gastlabor andersweitig finanziert und kann er glaubhaft machen, dass er jetzt sein eigener Herr ist, so kann er für Laborzwecke über bis zu 30.000 Euro frei verfügen. Aber freuen Sie sich nicht zu früh! Es werden pro Jahr nur fünf der Advanced-Fellowships ausgesprochen.

EMBO-Qualitätssiegel...

Kein Artikel über die Förderprogramme bei EMBO wäre komplett, wenn nicht doch noch kurz auf das „Young Investigator Program“ (YIP) eingegangen würde. Falls Sie sich in diesem Jahr noch bewerben wollen, haben Sie Pech. Der Zug ist am 3. April, der Einreichungsfrist der Voranträge, bereits abgefahren. Das Verfahren beim YIP ist dreistufig: Vorantrag, Vollantrag und Interview vor dem Young-Investigator-Komitee in Heidelberg. In der letzten Runde gingen 224 Anträge ein, von denen 12,5 Prozent oder 28 gefördert wurden.


Das letzte EMBO-Meeting fand 2016 in Mannheim statt –
EMBO-Workshops und Konferenzen gibt es nach wie vor regelmäßig.
Foto: EMBO

...mit Handgeld

Die wichtigsten Voraussetzungen sind, dass Sie bei Einreichungsfrist wenigstens ein Jahr und maximal vier Jahre unabhängiger Gruppenleiter sind, am 1. Januar des Antragsjahres nicht älter als vierzig Jahre jung sind und Ihr Labor in einem EMBC-Land lokalisiert ist. Die mehr als zwanzig Benefits laufen unter den Kategorien: Netzwerken, Erhöhung der Sichtbarkeit, Unterstützung des Labors und des Young Investigators. Reich werden kann man hier nicht – aber darum geht es ja auch nicht! Es gibt im zweiten Jahr 15.000 Euro Preisgeld, und die Forschungsmittel von 10.000 Euro pro Jahr muss man sich im Wettbewerb mit anderen YIPs „erschreiben“. Zusätzlich gibt es Geld, um unter anderem wissenschaftliche Kontakte zu knüpfen, ein Meeting zu organisieren oder um Vorträge im Ausland zu halten. Zugriff auf die Infrastruktur des EMBL, kostenfreie Publikation in EMBO-Press-Journalen und die Teilnahme des Doktoranden an der Nobelpreisträger-Tagung in Lindau sind weitere Annehmlichkeiten, die ein YIP gerne wahrnimmt. Verpassen Sie also nicht die nächste Frist im Jahr 2019.




Zur Geschichte von EMBO & Co

Die Ursprünge der European Molecular Biology Organisation (EMBO) liegen in den 1960er Jahren. Eine Gruppe renommierter Wissenschaftler um Leo Szilard, Victor Weisskopf, Jim Watson und Sydney Brenner verfolgte ehrgeizige Ziele. Man wollte qualitativ hochwertige, molekularbiologische Forschung in Europa durch wissenschaftlichen Austausch über Grenzen hinweg fördern. Im Mittelpunkt sollte dabei das wissenschaftliche Talent und die Einrichtung eines zentralen molekularbiologischen Labors stehen.

1964 wurde EMBO als privatrechtliche Organisation gegründet und 200 Forscher zu Mitgliedern ernannt. Die Nobelpreisträger Max Perutz und John Kendrew waren der erste Direktor beziehungsweise der erste Generalsekretär von EMBO. In den Anfangsjahren hatte EMBO weder offizielles Mandat noch eigene Mittel. Die VolkswagenStiftung sprang ein und finanzierte mit rund 1,4 Millionen Euro erste Stipendien sowie praktische Kurse.

Die langfristige Unterstützung von EMBO wurde 1969 durch Schaffung der European Molecular Biology Conference (EMBC), einer zwischenstaatlichen Organisation aus damals 14, heute 29 Mitgliedsländern, gesichert. Diese tragen nach einem Bruttosozialprodukt-basierten Schlüssel den Löwenanteil des EMBC-Budgets, das sie an EMBO weiterreichen. Hauptzahler sind dabei Deutschland mit knapp 20 Prozent sowie Frankreich und das Vereinigte Königreich mit je rund 15 Prozent.

Das EMBO-Stipendien-Programm erreichte mit der Vergabe von 275 Langzeit-Stipendien in 2010 und 350 Kurzzeit-Stipendien in 2016 Höchststände. Ergänzt wurden die beiden Fellowships ab 2000 durch ein Young-Investigator-Programm, ab 2006 durch die Installation-Grants und ab 2014 durch Avanced-Fellowships. Im Falle einer Auflösung von EMBO fallen etwaige Restmittel an die VolkswagenStiftung zu deren satzungsgemäßen Nutzung zurück. Fast vergessen: Das ursprünglich geplante zentrale Labor wurde mit dem Europäischen Molekularbiologischen Labor EMBL in Heidelberg 1974 umgesetzt.

Wer mehr zur Geschichte wissen möchte, kann sich das Buch „EMBO in perspective – A half-century in the life sciences“ von Georgina Ferry bei EMBO runterladen, das zum 50. Geburtstag von EMBO erschienen ist.



Last Changed: 05.06.2018