Gefährlicher Kupfer-Zelltransport

Larissa Tetsch


Editorial

(11.11.2019) DÜSSELDORF: Die intrazellulären Rezeptoren für das Pflanzenhormon Ethylen funktionieren nur mit eingebautem Kupfer. Um das in freier Form giftige Element durch das Cytoplasma zu schleusen, haben Pflanzen zwei Transportwege entwickelt.

Die kleine, gasförmige Kohlenwasserstoffverbindung Ethylen ist eines der fünf klassischen Pflanzenhormone. Im Alltag ist das Hormon besonders dafür bekannt, von Bananen und Äpfeln als „Reifegas“ ausgeströmt zu werden und in der Obstschale unreife Früchte genießbar zu machen. Neben dem Reifeprozess reguliert Ethylen auch ganz grundlegende Prozesse wie pflanzliches Wachstum, Entwicklung und Stressanpassung. Wahrgenommen wird das Hormon über Rezeptoren in der Membran des Endoplasmatischen Retikulums (ER). Dieser ungewöhnlich erscheinende Aufenthaltsort ergibt sich aus den Eigenschaften seines gasförmigen Liganden, wie Georg Groth vom Institut für Biochemische Pflanzenphysiologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erläutert: „Ethylen ist hydrophob und kann sehr gut durch Membranen diffundieren. Es muss also nicht außen auf der Cytoplasmamembran von einem Rezeptor abgefangen werden.“ Eine weitere Besonderheit: Beim Ethylenrezeptor handelt es sich um einen negativen Regulator, der nur aktiv ist, solange kein Ligand gebunden ist. In diesem Zustand aktiviert er eine Kinase, die das ebenfalls in der ER-Membran befindliche EIN2-Protein phosphoryliert und dadurch stabilisiert.

bild
Kupfer ist für Pflanzen essenziell – und doch höchst gefährlich. Foto: iStock/abile

Bindet Ethylen, bleibt die Phosphorylierung aus und der außerhalb der Membran liegende Teil des EIN2-Proteins wird enzymatisch abgespalten. „Ganz verstanden ist dieser Prozess noch nicht“, gibt Groth zu. „Aber das prozessierte EIN2-Fragment wandert in den Zellkern und stabilisiert dort Transkriptionsfaktoren, die dann das Genexpressionsmuster verändern.“ Für die Bindung des Ethylens benötigt der Rezeptor monovalentes, also einwertiges Kupfer (Cu+). Offenbar ein Trick der Natur, um die Spezifität der Bindung eines so kleinen Moleküls zu gewährleisten, wie Groth vermutet. „Von der Kupferbindestelle gibt es bisher nur ein Modell, aber wir arbeiten daran, die Struktur aufzuklären.“

Editorial
Kontakt in der Membran

Die Kupferabhängigkeit ihres Ethylenrezeptors stellt die Zelle jedoch vor ein Problem. Denn Cu+-Ionen fördern die Bildung von gefährlichen Sauerstoffradikalen und dürfen deshalb auf keinen Fall frei im Cytoplasma vorkommen. Wie aber können sie dann nach ihrer Aufnahme an der Cytoplasmamembran zum Vorläufer des Ethylenrezeptors in der ER-Membran gelangen? Eine Lösung hierfür hat die Natur in Form von Transportproteinen gefunden, die das Kupfer direkt auf den Rezeptor übertragen, ohne dass Ionen freigesetzt werden. Den genauen Weg des Metalls durch die Pflanzenzelle haben Groth und sein Team nun zusammen mit Kollegen vom Center for Advanced Imaging der Heinrich-Heine-Universität sowie aus Wien und Bonn aufgeklärt (Sci. Rep. 9: 10715).

Kupfertransporter gibt es in verschiedenen Formen. Für den Ethylenrezeptor gab es bereits Hinweise auf eine Interaktion mit der membranständigen P-Typ-ATPase RAN1. Diese gehört zu einer Gruppe von ATPasen, die Schwermetalle transportieren und unter anderem auch aus Hefen und Säugetieren bekannt sind. Die Passage durch das Cytoplasma könnten lösliche Kupferchaperone ermöglichen. „Sie heißen so, weil sie das Kupfer ummanteln und so den Transport ungefährlich machen“, erklärt der Pflanzenphysiologe den ungewöhnlichen Namen. „Die Kupferbindung erfolgt dabei koordinativ, wahrscheinlich über Thiole.“

Doch zuerst einmal untersuchten die Forscher, wo genau in der Pflanzenzelle sich RAN1 überhaupt befindet. In Zellen des Wildtabaks Nicotiana benthamiana konnten sie ein fluoreszierendes Fusionsprotein von RAN1 in der ER-Membran nachweisen. Die ATPase könnte dort also tatsächlich mit den Ethylenrezeptoren wechselwirken. Die beiden untersuchten Kupferchaperone der ATX1-Familie ATX1 und CCH lagen wie erwartet diffus im Cytosol verteilt vor.

Schwermetall transportierende ATPasen wie RAN1 sind in der Regel mit sechs bis acht Transmembrandomänen in der Membran verankert. Entweder am C-Terminus oder seltener am N-Terminus besitzen sie eine ATX1-ähnliche Kupferbindedomäne. Wie genau RAN1 in der Membran sitzt, untersuchte Groths Team mithilfe einer Redox-sensitiven Sonde, die Mitautor Andreas Meyer vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn entwickelte. Dabei machten sich die Forscher zunutze, dass die Bedingungen im Inneren des ER oxidierend sind, im Cytoplasma dagegen vergleichsweise reduzierend.

Die Sonde basiert auf dem grün fluoreszierenden Protein (GFP) und wird jeweils einmal an den C- und einmal an den N-Terminus des Zielproteins angehängt. „Je nachdem, ob sie sich im oxidierenden oder reduzierenden Milieu befindet, fluoresziert die Sonde dann bei einer anderen Wellenlänge“, erklärt Groth das Prinzip.

RAN1 ist den Ergebnissen zufolge mit einer geraden Anzahl an Transmembrandomänen so in der Membran verankert, dass beide Enden – und damit auch die N-terminale ATX-ähnliche Kupferbindedomäne – im Cytoplasma liegen. Den Nachweis für die direkte Interaktion zwischen RAN1 und dem Ethylenrezeptor erbrachte das Forscherteam in lebenden Zellen mithilfe der Bimolekularen Fluoreszenzkomplementation, bei der die potenziellen Interaktionspartner jeweils einen Teil des gelb fluoreszierenden Proteins (YFP) tragen. Nur wenn sie sich sehr nahe kommen, werden die Teile so zusammengefügt, dass das Protein fluoreszieren kann. Da für RAN1 und ATX1 bereits aus den Hefeinteraktionsstudien eine direkte Wechselwirkung bekannt war, diente dieses Proteinpaar als Positivkontrolle. Für das zweite untersuchte lösliche Kupferchaperon CCH und zwei verschiedene Ethylenrezeptoren konnte auf diese Weise ebenfalls eine Bindung an RAN1 nachgewiesen werden. „In erster Linie interagieren dabei die cytosolische Kupferbindedomäne von RAN1 und der Transmembranteil der Ethylenrezeptoren miteinander“, so Groth.

bild
Dem pflanzlichen zellulären Kupfer-Transport auf der Spur ist Georg Groth zusammen mit den Autorinnen der Scientific-Reports-Studie Lena Müller, Claudia Hoppen und Buket Uzun. Foto: Steffen Köhler (HHU)

Im Grunde hatte das Forscherteam damit die Route des Kupfers aufgeklärt: Im ersten Schritt durchquert es gebunden an die Kupferchaperone ATX1 und/oder CCH das Cytosol, wird an der ER-Membran auf die ATPase RAN1 übertragen und von dieser an die Ethylenrezeptoren übergeben.

Es gab jedoch aus Hefen Hinweise darauf, dass Kupfer auch an RAN1 vorbei zu den Ethylenrezeptoren gelangen könnte. Tatsächlich wechselwirkten die löslichen Kupferchaperone in der Bimolekularen Fluoreszenzkomplementation auch direkt mit den Ethylenrezeptoren, und auch hier über die Membranregion des Rezeptors. Offensichtlich gab es also wirklich eine alternative Route für den Kupfertransport.

Zwei Wege zum Ziel

Nur welcher Weg ist in der Zelle der häufigere? Dies konnten die Wissenschaftler zumindest indirekt aufklären, indem sie in vitro die Dissoziationskonstanten (KD-Wert) der einzelnen Interaktionspaare und somit die Stärke ihrer Bindung ermittelten. Je stärker die Bindung, desto wichtiger sollte die entsprechende Interaktion auch in vivo sein. Verwendet wurden für die Versuche heterolog exprimierte und gereinigte Proteine der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Dabei zeigte sich, dass die Kombinationen des „klassischen“ Wegs – also die Kupferchaperone und RAN1 sowie RAN1 und die Rezeptoren – zehnmal höhere Affinitäten zueinander hatten, als die Kupferchaperone zum Ethylenrezeptor.

Dies könnte daran liegen, dass ATX1 und CCH ausschließlich mit dem Transmembranteil des Rezeptors wechselwirkten, während RAN1 zusätzlich über seinen C-Terminus mit dem ins Cytosol ragenden Rezeptorteil interagierte, wie Groth vermutet: „Die zusätzliche Bindung der außerhalb der Membran liegenden Rezeptorbereiche macht die Bindung an RAN1 wohl stärker als die an die löslichen Kupferchaperone.“ Trotz der schwächeren Bindung konnten ATX1 und CCH aber tatsächlich Cu+-Ionen direkt auf den Ethylenrezeptor übertragen. Ob und unter welchen Bedingungen dieser Kurzschlussweg physiologisch bedeutsam ist, möchten Groth und sein Team bald herausfinden: „In Frage kommen Stressbedingungen, erhöhte Kupferkonzentrationen oder auch Kupfermangel.“

Da die entsprechenden Proteine stark konserviert sind, laufen die beschriebenen Kupfertransportprozesse vermutlich bei allen Pflanzen mehr oder weniger in gleicher Weise ab. Als Nächstes möchten die Pflanzenforscher nun die Struktur der Kupferbindestelle des Ethylenrezeptors und die seiner Interaktionsstellen mit den Kupfertransportproteinen aufklären. „Spannend ist auch, ob die Kupfer-Ionen direkt übergeben wird oder beispielsweise durch einen Kanal diffundiert“, blickt Groth in die Zukunft. „Und natürlich, wie der Kupfereinbau die Konformation des Rezeptors beeinflusst.“ Noch gibt es also viel zu forschen am Rezeptor eines der fundamentalsten Hormonsysteme in Pflanzen.



Letzte Änderungen: 10.11.2019