Editorial

Eilige Drucksache

Tissue Printing

Patrick M. Heidrich


Tissue Printing

Haben Sie es erkannt? Gewebsabdruck (Tissue Print) einer Zitronen­scheibe. Als Probe diente ein monoklonaler Antikörper gegen Galactan. Foto: Paul Knox, Cell Wall Lab

Wenn sich Zytologen für die Rolle eines Proteins bei Entwicklungsprozessen interessieren, wollen sie wissen wo es herkommt und was mit ihm passiert. Antikörper können diese Fragen beantworten.

Wenn man sich erst einmal ihrer Spezifität versichert hat, sind Antikörper eine feine Sache: Man kann damit Proteine präzipitieren, in Gelen und Western Blots Banden visualisieren, Dot-blot-Assays durchführen und andere verrückte Sachen machen. Ein Zytologe denkt beim Thema Antikörper zuerst an eine Immundetektion zwecks spatio-temporaler (Sekretions-) Analyse. Sprich: er will an histologischen Präparaten zeigen, wo und wann innerhalb eines gegebenen Entwicklungszeitraums ein bestimmtes Protein zu finden ist.

Um Proben mikroskopisch zu untersuchen, werden diese chemisch fixiert, dehydriert, in flüssiges Kunstharz überführt und polymerisiert. Die Harzblöcke werden dann am Mikrotom geschnitten, die Scheibchen (immun-) zytochemisch gefärbt und schließlich betrachtet. Unter günstigen Umständen gelingt die Immundetektion sogar an in Spurr-Kunstharz eingebetteten Proben, deren Einbettungsprozedere generell für beste Ultrastrukturerhaltung ausgelegt sind. Oft aber verlieren diese Proben wegen der chemischen Fixierung mit Aldehyden und Osmiumtetroxid an Antigenizität gegenüber einem bestimmten Antikörper: die Epitope werden vom Antikörper nicht mehr erkannt.

Für Proben, die speziell zum Zwecke der Immundetektion eingebettet werden, wird daher gerne während der chemischen Fixierung die Osmierung ausgelassen und LR-White-Kunstharz als Einbettmedium verwandt. LR-White besitzt den Vorteil, dass die polymerisierte Probe weniger hydrophob ist als eine Spurr-eingebettete. Daher wird die Inkubation mit wässrigen Sondenlösungen erleichtert. Ich habe es jedoch erlebt, dass auch LR-White-eingebettete Proben ihre Antigenizität verloren und eine Immundetek­tion unmöglich wurde. Zum Glück enthält die Trickkiste der Zytologen noch einige andere Trümpfe. So wäre eine Kaltpolymerisation unter UV-Licht eine gangbare Alternative zur normalen Hitzepolymerisation und mag das ein oder andere Epitop verschonen. Auch die nur partielle Entwässerung (Teildehydrierung), Einbettung unfixierter Proben (LR-Gold) oder die Verwendung exotischer Kunstharze (Lowicryl) mag manchmal das interessante Epitop retten – wenn auch auf Kosten der Auflösung oder Stabilität. Schlagen alle Tricks fehl, wirft der frustrierte Experimentator irgendwann die Brocken hin und verzweifelt.

Was tun? Da vermutlich die zur Fixierung verwendeten Chemikalien und die Einbettungsprozesse die Epitope der Proteine maskieren oder zerstören, muss eine Methode her, die die räumliche Verteilung der Proteine in der Probe konserviert oder widerspiegelt, ohne diese vernetzenden Reagenzien auszusetzen. Die Proteine müssen also immobilisiert werden. Immobilisierung von Proteinen – da war doch was? Richtig, die gute, alte Nitrocellulose­membran, die sich, in kleine Fetzen geschnitten, so herrlich als Tischfeuerwerk zweckentfremden lässt.

Bekannt ist Ihnen sicher der elektrophoretische Transfer von Proteinen auf eine Membran im Tankblotverfahren, der Western Blot. Doch lassen sich Proteine auch mit anderen Methoden auf eine Nitrocellulosemembran aufbringen. Irgendwann kam ein kluger Kopf auf die Idee, Proben einfach zu schneiden und die Schnittfläche auf die Membran zu pressen. Die an der Schnittfläche austretenden Proteine des Zytosols und der apoplastischen Matrix werden auf der Membran fixiert. Sie sind dann einer Detektion zugänglich, entsprechend einer Western Blot-Entwicklung mit Primär- und Sekundärantikörper konjugiert mit beispielsweise Alkalischer Phosphatase (AP). Diese Methode heißt Tissue Printing oder Gewebsabdruck.

Nichts für Grobmotoriker

Mit dieser führte ich Gewebsabdrücke mit Claviceps purpurea infizierten Roggenfruchtknoten durch, die eine Länge von etwa drei bis sieben Millimeter und ein Volumen von wenigen Kubikmillimetern aufwiesen. Dies wie folgt: Verschiedene zeitliche Stadien werden präpariert, durch Eintauchen in flüssigen Stickstoff schockgefroren und bis zur Durchführung des Gewebsabdrucks bei -70 °C gelagert. Alternativ kann auch Frischmaterial direkt verarbeitet werden. Geschnitten werden die Proben mit einer Rasierklinge, die, um Proteinkontaminationen zu vermeiden, gereinigt und in Ethanol gewaschen wurde. Ein passendes Stück Membran wird auf eine Lage Whatman-Filterpapier gelegt und die Proben nach einmaligem Abtupfen auf sauberem Filterpapier mit der Schnittfläche auf der Membran plaziert. Nun wird vorsichtig eine weitere Lage Filterpapier und ein Stapel Reinigungspapier von etwa einem Zentimeter Gesamtdicke aufgelegt. Die Probe darf nicht zur Seite kippen und sollte nach Kontakt mit der Membran nicht seitlich verschoben werden, da sonst Artefakte auftreten können. Der Blotaufbau wird mit einem Gewicht beschwert. Ich verwende ein Eisengewicht von drei Kilogramm pro Quadratzentimeter und presse etwa eine Minute. Diese Bedingungen sind für andere Proben individuell anzupassen. Ziel ist es, einen vollständigen Kontakt der Schnittfläche mit der Membran sicherzustellen, ohne die Probe zu zerquetschen.

Nach dem Abdruck werden eventuell anhaftende Gewebereste vorsichtig mit einer Pinzette entfernt. Tricks bezüglich des Schneidens gibt es keine – versetzen Sie sich einfach gedanklich zurück in die „graue Vorzeit“, in der Sie mit Rasierklinge bewaffnet im Botanischen Grundpraktikum saßen. Rechnen Sie außerdem mit viel Ausschuß, wenn Sie Grobmotoriker sind.

Eine in manchen Protokollen angewendete Aktivierung der Membran mit Blotpuffer (Methanol) vor dem Tissue Print habe ich irgendwann weggelassen, weil ich die diffizile Präparation im Abzug vermeiden wollte. Negative Auswirkungen auf meine Gewebsabdrücke hatte dies nicht.

Mit Ponceaurot (0,5 % (w/v) mit 3 % (w/v) TCA) kann die Effektivität der Proteinübertragung überprüft werden. Wenn man schnell ist (Ponceau blutet zügig aus und bildet dann rote Schlieren, die das Bild verwaschen erscheinen lassen) und eine Kamera zur Hand hat, kann auch ein Schnappschuss der proteingefärbten Prints gemacht werden. Nach der Entfärbung können Sie die Membranen kühl lagern oder sofort analog einem Western Blot entwickeln. Zur Entwicklung verwenden Sie am Besten ein Tris-buffered-saline-Blotto/TBS-Tween Protokoll und ein Sekundär-Antikörper-AP-Konjugat mit den Substraten NBT/BCIP.

Noch einmal: Tissue Printing zeichnet sich gegenüber Immundetektionen an eingebetteten Proben dadurch aus, dass die Proteine bis zur Inkubation mit dem Primärantikörper keinen modifizierenden Agenzien ausgesetzt werden müssen. Damit ist die Chance hoch, dass Epitope für die Antikörperbindung unversehrt bleiben. Tissue Printing stellt somit für die immunhistochemische Lokalisierung von Proteinen eine Method of last resort dar, die eingeschossen werden kann, wenn alles andere versagt. Ein weiterer Vorteil ist der sparsame Einsatz des (meist kostbaren) Primärantikörpers. Er kann hochverdünnt eingesetzt werden und muss nicht in zwei- bis dreistelligen Verdünnungsstufen verheizt werden. Zudem ist Durchführung einfach: Sie können eine Gruppe von Proben an einem Nachmittag abdrücken und entwickeln. Ergebnisse auf die schnelle Tour!

Die Technik besitzt natürlich im Vergleich zur Licht- oder gar Elektronenmikroskopie wegen der Natur des Detektionskomplexes (Präzipitation von beispielsweise NBT-Formazan in wässrigem Milieu­) eine geringe Auflösung. In der Praxis sind punktförmige Signale bis hinunter zu etwa 100 bis 50 Mikrometern sauber zu dokumentieren. Darunter dürfte es schwierig werden.


Signalerkennung

Wie kann man nach der Entwicklung erkennen, in welchem Bereich der geschnittenen Probe ein Signal auftritt? Die erstellten Bilder Ponceaurot-gefärbter Membranen können durch Überlagerung mit den erhaltenen Immunsignalen helfen, diese einem bestimmten Gewebebereich zuzuordnen. Weiterhin wird beim Pressen häufig der Umriss der Proben sichtbar in die mürbe Blotmembran gepresst, so dass man nach Entwicklung des Abdrucks gut die Lage des Immunsignals bezüglich des Probenumrisses bestimmen kann. Zusätzlich enthalten botanische Objekte häufig Gewebe, die farbige Stoffe, wie zum Beispiel Chlorophylle, Anthocyane, Carotinoide oder phenolische Komponenten enthalten. Diese werden ebenfalls während des Gewebeabdrucks auf der Membran immobilisiert. Die farbigen Substanzen in Kombination mit dem physikalischen Abdruck des Objektes auf der Membran ermöglichen es dem Zytologen, signalgebendes Gewebe und Signal zuzuordnen.

Zum Schluss ein Tipp zur fotografischen Dokumentation der entwickelten Abdrucke: Beleuchten Sie die Membranen relativ flach von der Seite mit einer Schwanenhalsleuchte oder Ähnlichem. Die Reliefs, die die Kanten und sonstige harte Strukturen der Probe in der Membran eingeprägt haben, treten dann plastisch hervor und steigern so die Interpretationsmöglichkeit und Ästhetik der Fotos, ähm..., sorry: mikrofotografischen Dokumentationen.

Fragen, Anregungen, Kommentare an patrick.m.heidrich@web.de




Letzte Änderungen: 10.03.2010