Editorial

Fette Ausbeute mit Zuckerdiät

Optimiertes Zellkulturmedium

Mirja Krause


Erlenmeyer

Für den Sauerstofftransfer in die Bakterienkulturen wäre es besser, die Schüttelkolben offen zu lassen. Um Kontaminationen zu vermeiden, werden sie jedoch üblicherweise mit Wattestopfen, Alufolie oder Metallkappen verschlossen.

Die Herstellung löslicher rekombinanter Proteine in Bakterienzellen funktioniert nicht immer reibungslos. Mirja Krause erklärt, wie sich mit dem neuentwickelten Zellkultursystem En Base die Zelldichte und die Menge an löslichem Protein pro Zelle deutlich erhöhen lässt.

Im Grunde ist die Aufgabe von Zellkulturen, die für die Expression rekombinanter Proteine eingesetzt werden, sehr einfach: sie sollen lösliche und möglichst aktive Proteine produzieren. Mit vielen Standard-Zellkulturprotokollen gelingt dies aber nur teilweise oder manchmal auch gar nicht. Das bekannteste Protokoll für die Kultivierung von E. coli-Zellen in Schüttelkolben dürfte das Sambrook-Protokoll sein, das in der "Molekularbiologie-Bibel" von Tom Maniatis aufgeführt ist. Seit über 20 Jahren orientieren sich Molekularbiologen an diesem Protokoll, das oft funktioniert – aber eben nicht immer.

Proteine, die sich mit dem Sambrook- oder einem anderen Standardprotokoll nur schlecht oder gar nicht exprimieren lassen, gelten meist als „schwierige Kandidaten“, die spezielle Kunstgriffe erfordern. Auch in unserer Arbeitsgruppe gab es diese Fälle und nicht selten suchten wir in SDS-PAGE-Gelen mit der Lupe nach Banden des exprimierten Proteins.


Überfressene Bakterien

Der Grund für die schlechte Ausbeute bei der Expression von Proteinen in Bakterien-Kulturen ist häufig ein auch bei Menschen vorkommendes Phänomen: Die Bakterien überfressen sich ganz einfach. Medien für Schüttelkulturen „laufen“ in der Regel als Batch-Kulturen und enthalten von der ersten Sekunde an alle Bestandteile und Nährstoffe für die weitere Kultur. Der Prozess verläuft meist weitgehend unkontrolliert, das heißt wichtige Parameter, wie zum Beispiel der pH-Wert, die Menge an gelöstem Sauerstoff und die Glukosekonzentration im Medium werden nicht kontrolliert.

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Frosch

Nicht nur Frösche fühlen sich hundeelend wenn sie sich überfressen haben. Auch Bakterienzellen geht es danach schlecht.

Dies führt dazu, dass die hohe Atmungsrate der schnellwachsenden Bakterien die Rate des Sauerstofftransfers in die Kultur übersteigt. Hieraus resultiert recht schnell eine Sauerstoffverarmung und damit eine Wachstumslimitierung. Die Bakterien wachsen nur noch langsam und verringern die Proteinproduktion. Dabei passen sie ihren Stoffwechsel den anaeroben Kulturbedingungen an und setzen Metabolite frei, die den pH-Wert senken. Darüber hinaus führt die unkontrollierte Menge der in Standard-Komplexmedien vorhandenen Glukose zu einem Überfluss-Metabolismus. Hierdurch sammelt sich zusätzliches Acetat an, das den pH-Wert des Kulturmediums weiter absenkt, bis die überfressenen Bakterien schließlich "erkranken".

Verstärkt wird das Ganze, wenn die Schüttelkolben – wie in vielen Laboren üblich – mit Wattestopfen, Alufolie oder Metallkappen verschlossen werden. Der Sauerstofftransfer in die Kulturen sinkt dadurch gegen Null und der Übergang zu anaeroben, also ungünstigen Kulturbedingungen, beschleunigt sich zusätzlich. Eine Lösung für den Sauerstofftransport in die Kolben bieten selbstklebende, sterile Einweg-Verschlussmembranen, so genannte AirOtop Seals. Die AirOtop Membranen lassen keine Keime von außen in die Kultur, dafür aber Sauerstoff. Das oben beschriebene Problem des Überfressens bleibt aber weiterhin bestehen.

Um die Zellen gesund zu halten, wird deshalb in Fermentations-Reaktoren beim so genannten Fed-Batch-Prozess, kontinuierlich eine definierte Menge Glukose in den Reaktor gepumpt. Gleichzeitig kontrollieren Sensoren den pH-Wert und den Sauerstoffgehalt. Auf diese Weise kann man sehr hohe Zelldichten erreichen und die Produktion von löslichen rekombinanten Proteinen steigern.

Wie aber lässt sich das Fed-Batch-Prinzip von Bioreaktoren auf Schüttelkolben oder Mikrotiterplatten übertragen? Ganz einfach: in dem man die Bakterien auf eine „Zuckerdiät“ setzt.


Medium aus Finnland

Peter Neubauers Gruppe an der Universität Oulu in Finnland entwickelte vor wenigen Jahren das Zellkultur-System EnBase (Enzyme-based-substrate-delivery), das Glukose durch den enzymatischen Verdau von Stärke kontrolliert ins Medium abgibt (Panula-Perälä et al., Microbial Cell Factories 2008, 7:31). Inzwischen ist der Bioverfahrenstechniker Neubauer aus dem hohen Norden an die TU Berlin gezogen und hat mit seinem Team ein weiteres Medium namens EnBase Flo kreiert, das Glukose freisetzende Polymere in löslicher Form enthält.

Zuckerdiät

Mit EnBase Flo lässt sich die Glukosemenge im Medium über die Enzymkonzentration (Glucoamylase) kontrollieren, die man in der Kultur einstellt (Krause et al., Microbial Cell Factories 2010, 9:11). Die Zuckerdiät verhindert den schädlichen Überfluss-Metabolismus in den Bakterien und sorgt dafür, dass der pH-Wert über mehr als zwei Tage stabil bleibt und damit deutlich länger als bei LB-Medium bei dem der pH-Wert nur sechs bis acht Stunden konstant ist. So genannte Boostertabletten verstärken die pH-stabilisierende Wirkung zusätzlich. Die Bakterien bleiben dadurch gesund und lassen sich unter kontrollierten und stabilen Bedingungen kultivieren, bei denen sie wesentlich höhere Zelldichten erreichen. Darüber hinaus steigt die Ausbeute an löslichem, aktivem Protein bis auf das zehnfache. Inzwischen ist das EnBase Flo Medium, das sich nicht nur für den Labormaßstab eignet, sondern auch für Hochdurchsatzprozesse, auch in Tablettenformat unter dem Namen EnPresso erhältlich, wodurch die Kultivierung noch einfacher wird.

Wie simpel die Zellkultur mit dem EnBaseFlo-System ist, verdeutlicht das folgende Kurzprotokoll. Dazu braucht man: einen 500 ml Sterilkolben, steriles Wasser, Antibiotika, Inducer und ein Enpresso-Tablettenset. Im ersten Schritt bereitet man eine Vorkultur. Diese kann aus einer Flüssig-Übernachtkultur, einem Glycerolstock oder von einer Agarplatte angeimpft werden. Anschließend gibt man unter Sterilbedingungen 50 mL steriles Wasser und zwei Mediumtabletten in den 500 mL Kolben, wartet bis sich die Tabletten auflösen und gibt dann das benötigte Antibiotikum, sowie 50 µL EnZ’Im (Glucoamylase) zu. Nachfolgend impft man mit der Vorkultur an (OD600= 0,05 bis 0,15), verschließt den Kolben mit der AirOtop Membran und startet die Kultur. Nach der Übernachtkultivierung (16-20 Stunden) setzt man eine Booster-Tablette, 50 µL EnZ’Im und Inducer zu. Anschließend setzt man die Kultivierung fort und erntet die Zellen nach 24 Stunden.


Letzte Änderungen: 23.02.2011