Editorial

Blue lights, scientists got blue lights..

von Cornel Mülhardt



Manche Leute trennen sich nur ungern von ihren alten UV-Röhren. Hier ein Tip: Mit ein wenig Basteltalent können Sie die laboreigene Tiefkühltruhe in eine gemütliche Sonnenbank verwandeln - die Kolleginnen werden es Ihnen danken.

Wenn keiner mehr meine Artikel lesen will, werde ich vielleicht umsatteln. Labor-Exorzist scheint mir ein Beruf mit Zukunft zu sein. Klonierungen, die sich hartnäckig allen gängigen Techniken widersetzen, Sequenzierungen, die nach der fünfunddreißigsten Base auf mysteriöse Weise abbrechen: das Unheil droht immer und überall. Sichern Sie sich schon heute meine Dienste, am besten per lukrativem Exklusivvertrag, morgen könnte es bereits zu spät sein! Keine Ergebnisse, keine Publikationen, kein Job - das Leben ist zu kurz, um unnötige Risiken einzugehen!!! Bitte nur ernstgemeinte Anfragen - wegen Filzstiften, die auf wundersame Weise verschwinden und ähnlichem Hokuspokus wenden Sie sich bitte an die finstere Gestalt, die neben Ihnen arbeitet.


...Like a deep blue sea..

Einer von diesen hartnäckigen Mythen ist der vom Blauen Licht. Zugegeben, ich komme damit ein wenig spät, schließlich hat sich VW erst kürzlich intensiv im Werbefernsehen mit dem Thema auseinander gesetzt, aber vielleicht ist dem Einen oder Anderen die Brisanz der Kernaussage entgangen. Tatsache ist, dass blaues Licht eine unglaublich beruhigende Wirkung auf Wissenschaftler hat, vor allem auf diejenigen, die in der Zellkultur arbeiten. Zum Ende eines erfolgreichen Arbeitstags gehört in dieser Berufssparte der Griff zu den zwei Lichtschaltern, dem einen, der die Neonröhren zum Schweigen bringt und dem anderen, der die UV-Lampen zum Leben erweckt. Und während man erschöpft und ausgelaugt das Institut verlässt, zeigt einem ein letzter Blick auf die blaue illuminierte Fassade, dass es jetzt dort oben den bösen Mikroben an den Kragen geht. In aller Ruhe kann man sich nun einen hinter die Binde kippen und dabei einigen ausgewählten Kollegen berichten, welchen Unsinn dieser inkompetente Gnom namens Chef“ heute wieder abgesondert hat.

Die Realität sieht leider anders aus. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass auch deutsche Wohnstuben häufig blau erleuchtet sind? Das dient weder der Desinfektion noch der Extermination der Insassen, sondern ihrer Unterhaltung und viele von ihnen bezahlen dafür ein Heidengeld, vor allem die Abonnenten von Premiere World. In den Zellkulturlabors ist die Situation ähnlich. Während der Wissenschaftler beruhigt vor sich hin schlummert, erfreuen sich die Bakterien an der originellen Partybeleuchtung und die Pilze tanzen Polka. Nur ans Sterben denken sie nicht, weil die Lampen zwar blau, aber nicht ultraviolett leuchten - und keiner merkt’s!

Der Grund dafür ist der liebe Gott, der bei der Erschaffung der Welt offenbar nicht einen Gedanken an den Menschen verschwendet und in seiner unendlichen Gemeinheit das ultraviolette Licht unsichtbar gemacht hat! Als sei das nicht genug, sorgte er außerdem dafür, dass UV-Lampen, völlig unabhängig von ihrer eigentlichen Bestimmung, auch blau leuchten. Dann noch gezielt ein, zwei Neuronen im Wissenschaftlerhirn lahmgelegt und seither sind Generationen von Labortätern davon überzeugt, ihrer Zellkultur etwas Gutes zu tun, wenn sie sie nächtens in blaues Licht tauchen.

UV ist eben nicht gleich UV. Als ultraviolett bezeichnet man Licht mit Wellenlängen im Bereich von 10 bis 400 nm. Diesen großen Bereich unterteilt man bekanntlich in UVA (315-400 nm), das im Solarium für die Bräunung sorgt, UVB (280-315 nm), das den Sonnenbrand verursacht und UVC (200-280 nm), der für den Laborbetrieb interessanteste Bereich. Diese Strahlung besitzt nämlich die Lizenz zum Töten! Der Vollständigkeit halber sei noch das Schwarzlicht (345-400 nm) erwähnt, das in der Disco die peinlichen weißen Schuppen auf dem schwarzen Pullover so wunderschön zur Geltung bringt, also für den Jungforscher ebenfalls von erheblicher Relevanz ist. Schwarzlicht schimmert durchaus auch etwas blau, was einem zwar verrät, dass die Röhre brennt, aber leider überhaupt keinen Hinweis darauf liefert, wieviel gutes UVC-Licht selbige Röhre noch produziert.


...holding back the tears,
holding back the pain...

Verschiedene Möglichkeiten gäbe es ja schon, ohne viel Aufwand die Funktionsfähigkeit Ihrer UV-Leuchten zu messen: Legen Sie Ihre Hand für eine Viertelstunde ins Blaue. Wenn die Haut kurze Zeit später anfängt, fürchterlich zu brennen und einen Farbton zwischen Gesengte-Sau-Rosa und Ich-hack-mir-die-Hand-ab-Rot annimmt, dann ist die Lampe wohl noch in Ordnung. Schneller und eindeutiger ist der visuelle Test: Blicken Sie für fünf Minuten (ohne Brille) in die strahlende Röhre. Wenn Sie die folgende Nacht nicht in der Notaufnahme des nächsten Krankenhauses verbringen, mit roten, tränenden Augen und gestützt von einem Blindenführer, dann muss die Röhre ausgewechselt werden.

Spaß beiseite - es gibt auch weniger schmerzhafte Möglichkeiten, eine gewisse Vorstellung von der Effektivität der Bestrahlung zu erhalten: Stellen Sie Gegenstände aus Plastik in die Zellkultur. Nach einigen Tagen wird Plexiglas spröde und bröselt. Diesen Effekt nützt der Nasse-Socken-Test (im angelsächsischen Sprachbereich Burlington-Hydro-Test): dünnwandiges Wasserbad möglichst voll unter die Lampe stellen und den Zellkulturraum nur mit Birkenstock-Sandalen betreten. Fühlen sich die Füße feucht an, ist alles in Ordnung. Der Forscher mit Stil verwendet eine Sonderform des Nasse-Socken-Tests: Er stellt die kostbar erkauften Plastikflaschen mit PBS unter die Lampe. Funktioniert sie, zerbrechen ihm die Flaschen beim Öffnen zwischen den Fingern, durchnässen Socken und Labormantel und wieder weiß der Forscher: Alles in Ordnung. Nicht ganz so eindrückliche Spuren im Forschergemüt hinterlässt der Farbtest mit weißen Pipetten: Sie werden gelb.

Schlichtweg profan ist es dagegen, sich ein UV-Meter zu kaufen. Zudem sind die so teuer, dass man bereit sein sollte, die Röhren wenigstens einmal täglich zu messen, damit sich die Anschaffung auch lohnt. Am schönsten wäre es, wenn die einschlägige Industrie billige Teststreifen im Stil von pH-Indikatorpapier entwerfen könnte, mit denen sich die Funktionalität der UV-Lampen ohne großen Aufwand messen ließe. Es würde ja genügen, eine grobe Vorstellung von ihrer Killer-Wirkung zu bekommen (das ist ernst gemeint, liebe Industrie).

Solange eine Revolution auf diesem Gebiet ausbleibt, kann man allen, die vor der Umgestaltung ihrer Zellkultur stehen, nur empfehlen, die UV-Lampen mit einer Zeitschaltuhr zu koppeln. Sind die Röhren in Ordnung, reicht eine Viertelstunde Leuchtzeit aus, um das meiste Kleinzeug zu eliminieren - mit Ausnahme von einigen extrem resistenten Sporen (und Kakerlaken). Wer es besonders ausgefuchst mag, kann den Vorgang vollautomatisieren, indem er die Lichtlein jede Nacht um drei angehen lässt - wer um diese Uhrzeit noch arbeitet, hat es verdient, gegrillt zu werden. Der Lebensdauer der Lampen hilft das ungemein - rein theoretisch sollte man so fünf bis zehn Jahre mit einem Satz Röhren über die Runden kommen. Und das Inventar dankt es einem ebenfalls.


...when the morning comes
I’ll be far away...

Für den Fall, dass Sie das alles nicht so recht überzeugt, gebe ich Ihnen noch eine kleines Rechenbeispiel mit auf den Weg. Eine handelsübliche UV-Röhre sollte laut Herstellerangaben nach ca. 1000 Betriebsstunden ersetzt werden. Gesetzt den Fall, Sie gehören zu den ganz besonders Gründlichen und schalten Ihr Lichtlein regelmäßig jeden Abend um sechs ein und morgens um acht wieder aus und lassen es noch dazu das ganze Wochenende über brennen, dann ist dieser Zeitpunkt bereits nach zwei Monaten erreicht. A propos: Wann haben SIE das letzte Mal ihre UV-Röhren ausgetauscht?

Andererseits: Vielleicht sollte man die Leuchten doch besser die Nacht durch brennen lassen. Die nachts in geheimnisvolles Blau gehüllten Institute machen auf Otto Normalverbraucher einen ungeheuren Eindruck. Es sieht einfach waaaaahnsinnig geschäftig und professionell aus. Unter uns: Wiegt das die Nutzlosigkeit dieses Tuns nicht mehr als auf?

Zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache. Sollte der eine oder andere in der Vergangenheit vergeblich versucht haben, mir eine E-Mail zukommen zu lassen, könnte das an der falschen Adresse gelegen haben. Die meisten Leute sind mit meinem Namen etwas großzügig (einschließlich einiger Redakteure beim Laborjournal!) - Computer dagegen nicht. Ein kleines “h” zuviel und schon kommt die Nachricht standepede wieder zurück. Tun Sie sich, mir und Tausenden Geschundenen mit ungewöhnlichen Namen einen Gefallen und achten Sie auf die korrekte Schreibweise: cornel. muelhardt@web.de




Letzte Änderungen: 08.09.2004