Editorial

Die hohe Kunst des Spleißens

Inteine

Thorsten Lieke


Kapitäne von Segelbooten verbinden Taue mit Schere und Spleißnadel. Im Labor verknüpft man Protein(tau)e mit Inteinen.

Es gibt Proteine, bei denen wundert man sich schon über den Namen: Inteine zum Beispiel. Das sind enzymatisch aktive Abschnitte in der inneren Region eines Vorläuferproteins, die sich selbst aus diesem herausschneiden und die beiden flankierenden Abschnitte zu einem fertig ausgereiften Protein (mature protein) verknüpfen.

Audspleiss

Seilenden durch Spleißen zu verbinden, um zum Beispiel wie hier einen Augspleiß herzustellen, will gelernt sein. Beim Verknüpfen von Proteinen überlässt man das Spleißen am besten Inteinen.

Die Namensgebung korrespondiert hierbei mit den Introns und Exons der DNA, denn auch ein Intein (Internal Protein) wird von Exteinen (External Protein) ­flankiert, die im Verlauf der Intein-Aktivität miteinander verknüpft oder abgespalten werden. Inteine wurden 1990 in der Bäckerhefe Saccharomyces cervisiae als Bestandteil des Vorläuferproteins der vakuolären ATPase (VMA1) entdeckt. Das Molekulargewicht der biologisch aktiven Vma1 von 67 kDa gab den Forschern lange Zeit Rätsel auf. Basierend auf der Größe des VMA1-Gens, müsste das translatierte Protein eigentlich 118 kDa schwer sein. Analysen ergaben schließlich, dass sich eine Domäne selbst aus dem mittleren Abschnitt des translatierten Vorläuferproteins herausschneidet und die zwei Teile zu dem endgültigen VMA1-Protein verknüpft.

Schnell stellte sich heraus, dass Inteine in sämtlichen lebenden (Pro- und ­Eukaryonten sowie Archaeen) und sogar nicht-lebenden Organismen wie Phagen und Viren vorkommen, doch innerhalb dieser Gruppen bei weitem nicht in jeder Gattung/Art.

Daraus schlossen Evolutionsbiologen, dass Inteine phylogenetisch sehr alt sein müssen und wahrscheinlich bereits in den Erbinformationen der Lebewesen vor der Trennung in Pro- und Eukaryonten enthalten waren. Organismen mit Inteinen hatten aber offensichtlich keinen entscheidenden evolutiven Vorteil, sonst müssten alle heute vorkommenden Arten Intein-positiv sein. Da der Nutzen also einseitig in der Weitergabe ihrer Geninformation zu liegen scheint, spricht man auch von „parasitären genetischen Elementen“. Auffallend ist, dass Inteine oft in den Gensequenzen für DNA-Polymerasen und Rekombinasen eingebettet sind. Einige Inteine sind nicht nur proteolytisch aktiv. Sobald sie sich aus dem Vorläuferprotein „ausgeklinkt” haben, funktionieren sie wie Endonukleasen mit hochspezifischer Sequenzerkennung.

Aminosäuren müssen passen

Grundsätzlich können Exteine entweder vom N- oder C-Terminus des Inteins abgespalten oder durch Verknüpfen (Spleißen) kovalent verbunden werden. Die ersten Aminosäuren der Exteine, die dem N-Terminus (N-Extein) beziehungsweise dem C-Terminus (C-Extein) des Inteins folgen, nähern sich einander an und werden über eine mehrstufige Reaktion verbunden. Entscheidend für die enzymatische Aktivität des jeweiligen Inteins sind die Aminosäuren Cystein und Serin am N-Terminus sowie Asparagin am C-Terminus. Das C-Extein muss mit Cystein, Serin oder Threonin beginnen, sonst funktioniert das Spleißen nicht.

Durch den Austausch von Aminosäuren kann man die zwei grundlegenden Reaktionen der Inteine, das Cis- und das Trans-Spleißen an die jeweilige Anwendung anpassen. Beim Cis-Spleißen liegen Intein und Extein auf dem selben Vorläuferprotein, wie im Beispiel des Vma1-Proteins. Im Gegensatz dazu, sind beim Trans-Spleißen zwei unabhängig translatierte Vorläuferproteine vorhanden, die aus einer inaktiven Intein-Hälfte (Split-Intein) und dem N-Extein sowie einer zweiten Intein-Hälfte und dem C-Extein bestehen. Die beiden Split-Inteine verbinden sich zu einem aktiven Enzym und verknüpfen die Exteine zu einem neuen Protein.

Dies kann man ausnutzen, um zum Beispiel rekombinante toxische Proteine herzustellen, die erst außerhalb der Zellen durch Intein-Aktivität entstehen. Außerdem lassen sich so Proteine mit Fluorochromen verbinden, die sich mit konservativen Methoden schwer markieren lassen.

Bei der Synthese von sehr großen Proteinen mit sich wiederholenden Aminosäure-Sequenzen, wie zum Beispiel in Spinnenfäden, sind Inteine ebenfalls hilfreich. Wenn man die repetitiven Sequenzen jeweils mit einer N- und C-Intein-Hälfte kombiniert, entstehen über die Trans-Spleißreaktion langkettige Protein-Polymere.

Proteinreinigung mit Intein-Tag

Auch bei der Proteinreinigung nutzen Forscher die besonderen Eigenschaften von Inteinen. So basieren kommerzielle Intein-Reinigungs-Kits auf SceVMA1-Intein, bei dem das C-terminale Asparagin durch Alanin ersetzt wurde, wodurch die Spleiß-Reaktion blockiert ist (die Nomenklatur der Inteine bezieht sich immer auf den Organismus in dem es gefunden wurde und das Protein, das modifiziert wird: Sce steht für Saccharomyces cervisiae und VMA1 für Vacuolar membrane H(+)-translocating adenosine triphosphatase).

Der C-Terminus des Inteins ist kovalent mit einer Chitin-bindenden Domäne verbunden, der N-Terminus ist mit dem zu reinigenden Protein verknüpft (Intein-Tag). Der N-Terminus ist modifiziert, so dass es nur durch die Zugabe einer Thiol-Verbindung zu einer Spaltung kommt. Gibt man das Intein-getaggte Protein auf eine mit Chitin-Harz gefüllte Säule, so bindet es an diese. Mit Dithiothreitol induziert man anschließend die Intein-Aktivität, wodurch das zu reinigende Protein vom Intein-Tag abgespalten wird und von der Säule gespült werden kann.

Induziertes Spleißen

Die Spleißaktivität von Inteinen kann man auch in vivo induzieren (Conditional Protein Splicing, CPS) etwa durch pH-Wert, Temperatur oder Licht.

Integriert man Rapamycin-Bindeproteine in die Inteinsequenz, so blockieren diese die Spleißreaktion des Inteins. Setzt man Rapamycin zu, so wird diese wieder aktiviert. Inteine erleichtern auch die Analyse von Protein-Protein-Interaktionen. Hierzu verknüpft man die beiden Proteine, deren Wechselwirkung man untersuchen will, mit zwei Intein-Hälften mit Trans-Spleiß-Aktivität und jeweils einem Fragment eines Reporter-Proteins. Da die Intein-Hälften eine sehr geringe Affinität zueinander haben, finden sie nur dann zu einem aktiven Intein zusammen, wenn die potentiellen Bindungspartner miteinander interagieren. Tun sie dies, so wird das Reporter-Protein gespleißt, was sich mit einer entsprechen Reaktion nachweisen lässt.

Eine äußerst interessante Anwendung von Inteinen präsentierte vor einigen Wochen ein Heidelberger Team unter Obhut von Roland Eils vom DKFZ beim International Genetically Engineered Machine (iGEM)-Abschlusswettbewerb am MIT in Boston. Die Heidelberger synthetisierten mit Hilfe von Inteinen eine Hitze-stabile zirkuläre DNA-Methyltransferase und erhielten dafür den Hauptpreis des Wettbewerbs (siehe Seite 10).

Zyklische Peptide beziehungsweise Proteine sind wesentlich stabiler als ihre linearen Pendants und zudem resistenter gegen chemische und enzymatische Angriffe. Sie können also nicht so leicht von Proteasen zerstört werden. Die Synthese von zyklischen Proteinen ist nicht ganz einfach, lässt sich aber, wie die Heidelberger Gruppe in der Abschluss-Jamboree des iGEM eindrücklich demonstrierte, mit Split-Inteinen bewerkstelligen.

Zyklisieren mit Split-Inteinen

Die Heidelberger stellten hierzu mit einem Expressionsvektor ein Fusionsprotein aus dem Zielprotein (DNA Methyltransferase) und dem Split-Intein (NpuDnaE) am C- und N-Terminus der DNA Methyltransferase her (IC-Zielprotein-IN). In einer sogenannten SICLOPPS-Reaktion (Split-Intein Circular Ligation of Peptides and Proteins) vereinen sich die beiden Split-Inteine wieder und verknüpfen gleichzeitig die beiden Enden des Zielproteins zu einem zyklischen Protein (S. Elleuche & S. Pöggeler, Appl Microbiol Biotechnol 2010, 87:479-89).

Wer Genaueres zur Herstellung von zyklischen Proteinen mit Split-Inteinen erfahren möchte, findet auf der Webseite der Heidelberger iGEM-Gruppe eine ausführliche Toolbox, in der die einzelnen Schritte des Protokolls erläutert sind (http://2014.igem.org/Team:Heidelberg).






Letzte Änderungen: 09.12.2014