Editorial

Lebende Tinte für 3D-Druck

Andrea Pitzschke


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Mit der bakterienbeladene Tinte lässt sich nicht nur das ETH-Logo in 3D drucken (oben), auch eine komplexe Oberfläche wie ein Puppenkopf ist bedruckbar (unten). Fotos: Labor für komplexe Materialien / ETH Zürich

Bakterien in dreidimensionalen Strukturen festzuhalten, ohne ihre Funktion zu beeinträchtigen, ist nicht einfach. Mit einem neuen 3D-Druckverfahren, das bakterienbeladene Hydrogele als Tinte einsetzt, ist es jedoch ein Kinderspiel.

Bakterien produzieren die unterschiedlichsten Substanzen. Je nachdem, was sie zu futtern bekommen oder wie ihr taxonomischer Hintergrund aussieht, verkapseln oder sekretieren sie Biopolymere, verfestigen losen Sand zu Mauern oder synthetisieren ökologisch unbedenkliches Plastik.

Besonders attraktiv sind sie als Materiallieferanten für die Biomedizin. Hierzu müssen jedoch zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Bakterien müssen am Leben erhalten und gleichzeitig immobilisiert werden. Nur so landen die hergestellten Substanzen kontinuierlich am gewünschten Ort.

Gemütlichere Zellkultur

Flüssigzellkulturen sind hierfür ungeeignet. Sie sind formlos und durchlaufen einen unerwünschten „demografischen Wandel“. Auch die bisher eingesetzten Immobilisations-Technologien, etwa die Adsorption von Bakterien auf Oberflächen, versagen, sobald toxische Nebenprodukte die Toleranz der Mikroorganismen überstrapazieren. Entsprechend begrenzt ist die Materialausbeute. In harte 3D-Gerüste lassen sich Bakterien zwar „reinquetschen“. In diesen ist der Zugang zur Außenwelt und zu Nährstoffen durch das starre Gerüst aber stark eingeschränkt.

Eine Gruppe um Andre Studart von der ETH Zürich kam deshalb auf die Idee, diffusionsoffene Hydrogele mit Bakterien zu beladen und sie anschließend als lebende Tinte in der gewünschten dreidimensionalen Struktur zu drucken (Sci. Adv. 3: eaao6804).

Als Testobjekte wählten die Wissenschaftler Pseudomonas putida sowie Acetobacter xylinumPseudomonas putida verstoffwechselt Phenol und ist deshalb zum Beispiel für die Sanierung belasteter Böden und Gewässer (Bioremediation) interessant. Acetobacter xylinum sekretiert eine biokompatible Nanocellulose, die beispielsweise Chirurgen neue Therapiemöglichkeiten eröffnet.

An dem passenden Hydrogel musste die Gruppe aber eine Weile basteln. Als beste Rezeptur stellte sich schließlich ein etwa fünfprozentiges Gemisch heraus, das zu gleichen Teilen aus Hyaluronsäure (HA), k-Carrageen (CA) sowie pyrogener Kieselsäure (FS) bestand. Hyaluronsäure und Carrageen bilden die Struktur; Carrageen und FS sorgen für die nötige Elastizität. Gleichzeitig dienen diese quellfähigen Substanzen als Feuchtigkeitsspeicher, welche die enthaltenen Bakterien vor dem Austrocknen schützen. Zudem lösen sie sich in beliebigen wässrigen Medien, wie zum Beispiel LB-Medium – das Hydrogel wird hierdurch zum Kalorienlieferant.

Nun noch die Bakterien unterrühren und ab damit in den 3D-Drucker. Speist man die „Druck-Patronen“ mit unterschiedlichen Bakterien-Füllungen, lässt sich nicht nur die Zusammensetzung der Bakterien variieren, sondern auch ihre Position. So hat das Team etwa Bacillus subtilis als Quer- und P. putida als Längsstreifen aufeinander gedruckt, ähnlich einem Karo-Textilgewebe. Von der kurzen UV-Bestrahlung (1 Minute, 90 mW), die zur Kreuzvernetzung des Hydrogels nötig ist, ließen sich die Bakterien nicht stören, wie Vitalitätstests zeigten.

Um das Bioremediations-Potenzial der lebenden Pseudomonas-Hydrogele zu testen, inkubierten die Forscher sie in Phenol-haltiger Nährlösung (Phenol als einzige Kohlenstoffquelle). Artig baute Pseudomonas putida das Phenol sukzessive ab, wobei die Bakteriendichte im Medium allmählich anstieg. Die Bakterien vermehrten sich, wodurch die jüngeren Generationen die älteren von ihren Plätzen im Hydrogel „schubsten“ und sie ins Umgebungsmedium verdrängten. Die Gesamt-Aktivität im Hydrogel blieb konstant und war durch die große Kontaktoberfläche (die Bakterien kamen ständig mit Substrat in Berührung) beachtlich hoch.

Der 3D-Druck gibt nur die Form, etwa die Seitenverhältnisse, des „lebenden“ Hydrogels vor, die endgültigen Ausmaße hängen von der Umgebung ab. So führen zum Beispiel Unterschiede in den Ionenkonzentrationen zwischen Hydrogel und Medium dazu, dass das Gel aufquillt oder schrumpft.

Mittel zum Zweck

Im Beispiel der biomedizinischen Anwendung durch Acetobacter xylinum dienten die Bakterien nur als Mittel zum Zweck. Sie sollten Nanocellulose herstellen, die ins Hydrogel sekretiert wird, und sich hinterher wieder verziehen. Da dies nur mit nicht-kreuzvernetzten Gelen funktionierte, verzichteten die Forscher in diesem Fall auf die UV-Bestrahlung. Nach wenigen Tagen füllte die gebildete Nanocellulose die ursprüngliche Form des Hydrogels aus. Und nun kommt der Clou: Durch Auswaschen lassen sich die drei Hydrogel-Substanzen entfernen; die Bakterien selbst wird man durch Einlegen des Hydrogels in Lauge (1M NaOH, 80°C) wieder los. Übrig bleibt ein Nanocellulose-Gebilde, das absolut biokompatibel und obendrein dehnbar ist.

Anwendungen sehen die Forscher unter anderem als Hautersatz, etwa an Körperteilen wie Ellenbogen oder Knie, an denen die Haut gedehnt wird. Wirklich hübsch ist die Form, die das Team für seinen Demonstrations-Versuch wählte: Ein mittels Scanner abgetasteter Puppenkopf lieferte die Vorlage für den 3D-Drucker. Die von den Bakterien synthetisierte Nanocellulose passte perfekt wie eine Maske zum Puppenkopf.



Letzte Änderungen: 08.05.2018