Editorial

Probe gut, (fast) alles gut
Probenvorbereitung für die Massenspektrometrie-basierte Proteomik

Andrea Pitzschke


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Foto: UMass Amherst

Proteom-Forscher schicken ihre Proteinproben meist an Service-Labore, die massenspektro­metrische Protein-Analysen anbieten. Aber auch das modernste und empfindlichste Massenspektrometer liefert nur Daten-Schrott, wenn bei der Vorbereitung der Proben geschlampt wurde.

Worin unterscheiden sich Krebszellen von normalen Zellen? Was hat ein robuster Keimling einem schlecht wachsenden voraus? Wie reagiert ein Bakterium auf frisches Nahrungsangebot? Um Fragen wie diese möglichst umfassend beantworten zu können, genügt es nicht, Transkriptions-Profile in der Zelle und eine Handvoll Marker-Gene zu checken. Dazu muss man sich die exprimierten Produkte, sprich die Proteine, direkt anschauen – und das am besten lückenlos.

Protein-Analytiker und Proteomiker verwenden hierzu meist die Massenspektrometrie (MS). Häufig wird in ihren Papern der Eindruck erweckt, dass die publizierten Proteome die Proteine in der untersuchten Probe exakt abbilden. Dies trifft jedoch in den seltensten Fällen zu. MS-Analysen identischer biologischer Proben können zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Der Grund hierfür sind oft Unterschiede in der Probenvorbereitung. Wer die Literatur durchforstet, stellt schnell fest, dass es nicht das eine Protokoll gibt, das für alle Proben passt. Vielmehr existieren unzählige Varianten, die Forscher an ihre jeweiligen Proteinproben anpassen.

Dorothea Anrather und Markus Hartl von der Mass Spectrometry Facility der Max F. Perutz Laboratories am Vienna Biocenter kennen dieses Problem nur zu gut. Da in den wenigsten Laboren Massenspektrometer stehen, bieten sie, wie viele andere Proteomik-Service-Zentren massen­spektrometrische Analysen von Proteinproben an. Gemeinsam mit dem Kunden versuchen sie zunächst, die bestmögliche Lösung für die Probenvorbereitung zu finden. „Je nach Fragestellung, Probenart oder notwendiger Probenvorbereitung beziehungsweise vorhandener Expertise des Kunden wird die Vorbereitung der Analyseprobe dem Projekt angepasst. Vom Zellpellet bis zu aufgereinigten Peptiden ist alles möglich“, so Anrather und Hartl.

Umfangreiche Informationen

Dazu muss der Auftraggeber möglichst klare Angaben zu seiner Probe und seinen Erwartungen machen. An der Wiener MS-Facility startet die Analyse erst, wenn genügend Informationen vorliegen. „Wir brauchen Informationen zum experimentellen Hintergrund, dem Probenvorbereitungs-Protokoll, zur Proteinmenge, dem Organismus oder der Proteinsequenz. Genauso wichtig ist zu wissen, welche Fragen mit den Messungen beantwortet werden sollen.“

Proteom-Analysen von Organen, Geweben oder anderen Quellen können sehr unterschiedlich ausgerichtet sein. MS-Core Facilities beherbergen deshalb meist mehrere Geräte für verschiedene Analyse-Techniken. Alle sind irre teuer. In Hartls und Anrathers Labor stehen Orbitrap-Massenspektrometer für die Bottom-up-Proteomik und ein Quadrupol-Time-of-Flight (QTOF)-Massenspektrometer für die Massenbestimmung intakter Proteine (Top-down-Proteomik).

Im Bottom-up-Ansatz werden die Proteine zunächst enzymatisch, meist mit Trypsin, in Peptide zerschnitten, elektrophoretisch oder chromatographisch aufgetrennt und dann ins Massenspektrometer injiziert – in der Hoffnung, die Sequenzen der Fragmente publizierten Proteinen in Datenbanken zuordnen zu können.

Bei der Top-down-Strategie wird das Proteom in seine Komponenten zerlegt, um die darin enthaltenen Proteine im unzerstückelten Zustand identifizieren zu können. Das hat den Vorteil, dass auch posttranslationale Modifikationen, Spleiß-Varianten und bis dato unbekannte Proteine aufgespürt werden. Allerdings gehen bei der Trennung und Reinigung viele Proteine durch die Lappen – schwer-lösliche scheiden von vorneherein aus. Zudem ist die Top-down-Analyse noch nicht für den Hochdurchsatz bereit. In den MS-Service-Zentren und Proteom-Laboren dominiert deshalb weiterhin die massenspektrometrische Peptid-Analyse nach der enzymatischen Proteolyse.

Das für die Proteolyse verwendete Enzym muss hohe Qualitätskriterien erfüllen. „Im Großen und Ganzen“, so Hartl, „findet man auf dem Markt gute und erprobte Enzyme von diversen Firmen, die für die MS geeignet und in der Regel auch als MS-Grade gekennzeichnet sind. Wenn man sich für ein Produkt entschieden hat, sollte man aufgrund der Reproduzierbarkeit auch dabei bleiben – zumindest für dasselbe Projekt.“

Protease-Inhibitoren sind die größten Spielverderber, gefolgt von hochkonzentrierten Detergenzien und chaotropen Substanzen. Bevor man mit der Proteinextraktion loslegt, sollte man sich über die Pufferzusammensetzung im Klaren sein. Dummerweise ist das meiste, was den Zellaufschluss begünstigt, für die Proteolyse ein No-Go. Ähnliches gilt auch umgekehrt. SDS löst die Proteine aus den Zellen, stört aber im Massenspektrometer. Proteinase-Inhibitoren sind bei der Proteinisolierung essentiell, doch legen sie auch Trypsin und Co. lahm. Deshalb klärt Hartls Team beim Kunden vorher ab, welche Pufferbestandteile in den Proben zu erwarten, beziehungsweise zu vermeiden sind.

Typische Problemfälle

Und welches sind die häufigsten Probleme, die in den Proteinproben auftauchen? Da müssen Hartl und Anrather nicht lange nachdenken: „Verunreinigungen durch Polymere, die zum Beispiel als Detergenzien in diversen Puffern enthalten sind. Sie sammeln sich zum Beispiel aufgrund von ungeeigneten Reaktionsgefäßen in der Probenvorbereitung an, oder werden als Oberflächen-modifizierende Substanzen etwa bei diversen kommerziell erhältlichen Beads verwendet. Auch Keratin-Kontaminationen durch unsauberes Arbeiten bereiten oft Probleme. Dazu kommen dann noch Protein-Kontaminationen, zum Beispiel BSA aus Kulturmedien, oder Antikörper, die etwa über Pulldown-Assays in den Proben landen.“

Was die Reaktionsgefäße angeht, lohnt sich ein Blick in eine Studie, die unterschiedliche Probengefäße hinsichtlich des Proteinbindevermögens verglich (J. Chromatogr. A. 1142(1): 2-12). Von silanisiertem Glas mit vermeintlicher Antihaftbeschichtung lässt man besser die Finger – im dümmsten Fall bleibt der größte Teil der Probe daran hängen. Normale Polycarbonat-Tubes führen ebenfalls zu Verlusten. Am Besten schnitten in der Studie die LoBind Protein-Tubes von Eppendorf ab.

Einige MS-Probenvorbereitungs-Protokolle raten daher explizit zu diesen Tubes. Darunter das sehr lesenswerte Protokoll, das Sjef Boeren auf der Webseite des Laboratory of Biochemistry der Universität Wageningen in Holland bereitstellt. Boeren hat auch einige Tipps und Tricks für die Probenvorbereitung auf Lager. Etwa eine Bastelanleitung für µ-Säulen zur Protein-Konzentrierung, Entsalzung und Entledigung von Beads, die zum Beispiel nach einer Immunpräzipitation zurückbleiben. Die µ-Säulen bestehen aus einer 200µl-Pipettenspitze, in die ein zurechtgeschnittenes Stück eines C18-Silikagel-Scheibchens als Fritte gestopft wird. Er rät auch dazu, die Tubes und sich selbst regelmäßig elektrostatisch zu entladen (macht man das sonst nicht beim Kollegen?). Solche Feinheiten findet man in Zeitschriftenartikeln eher selten.

Die Protokolle zur Vorbereitung von Proteinproben für die MS folgen alle dem gleichen Muster: Extraktion, Reduktion/Alkylierung von Cysteinresten, Reinigung, Aufkonzentrierung, Fragmentierung und optional eine weitere Reinigung. Sie unterscheiden sich jedoch darin, wo und wann die enzymatische Fragmentierung in Peptide stattfindet.

Bei der Filter-unterstützten Probenvorbereitung (Filter-Aided Sample Preparation, FASP), die von der Gruppe des Proteomik-Vorreiters Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried stammt, geschieht sie an Festphasen-fixierten Proteinen (Nat. Methods 6(5): 359-62). Beim Verdau in der Lösung (In Solution Digest, ISD) schwimmen Probenbestandteile und Trypsin in derselben Suppe herum, aus der die Peptide dann mittels Natrium-Deoxycholat (SDC) oder TCA/Acetonfällung gefischt werden – vorausgesetzt, man bringt sie wieder in Lösung.

Die vielen Experimentierschritte bei der ziemlich populären FASP-Methode kosten viel Zeit. Etwas schneller ist die alternative S-Trap-Methode, bei der die Proteine in fünf Prozent SDS lysiert und durch Zugabe von Phosphorsäure und einem methanolhaltigen Puffer in eine feine Suspension verwandelt werden (Proteomics 14(9): 1006-10). Die suspendierten Proteine binden an Filtermaterial, verbliebenes SDS wird in einem einzigen Waschschritt beseitigt. Wie bei FASP findet der Verdau direkt am noch immobilisierten Protein statt.

Viele Protokoll-Varianten

Vor jeder MS-Analyse sollte man die Literatur intensiv durchforsten und nach Publikationen suchen, bei denen die Forscher mit ähnlichem biologischen Material starteten und mehrere Methoden parallel testeten. Von Gerstenblättern (Plant Methods 14: 72-85), über Formalin-fixiertes Lebergewebe (Clin. Proteomics 11(1): 28-39) bis hin zu HeLa-Zellen (J. Proteome Res 16(11): 4060-72) existieren viele Beispiele für Probenvorbereitungs-Methoden, inklusive ihrer Vor- und Nachteile.

„Nach unserer Erfahrung gibt es kein Protokoll, das universell für alle Proben einsetzbar wäre. Deshalb verwenden wir je nach den Anforderungen der Projekte verschiedene, einschließlich ISD, FASP, et cetera. Um die Vielzahl an Möglichkeiten auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, evaluieren wir jedoch unsere Methoden regelmäßig oder haben für die häufigsten Anwendungen, also bestimmte Zelltypen oder Organismen, Standard-Protokolle, die nach unserer Erfahrung gute Ergebnisse liefern.“ Die beiden Wiener raten Forschern, die ihre Proteinprobe in weitgehend aufgearbeiteter Form zur MS-Facility bringen wollen, um Kosten zu sparen, zu kommerziellen Kits. Diese sind einfach in der Handhabung und liefern in der Regel gute Ergebnisse.

Aber ob mit oder ohne Kit: Jeder einzelne Arbeitsschritt muss sauber und genau durchgeführt werden. MS-Analysen sind nicht billig, und immer öfter sind neben qualitativen auch quantitative Aussagen gefragt. Fehler, die schon bei der Probenvorbereitung passieren, sind in der Regel nicht oder nur in sehr begrenztem Maß nach der Messung in der Datenanalyse auszubügeln. Das kann im schlimmsten Fall eine komplette Wiederholung des Experiments notwendig machen.

Hartls Team führt daher routinemäßig nach dem Verdau mit einem kleinen Anteil der Probe einen Chromatographie-Lauf auf einer HPLC mit UV-Detektor durch, um zu sehen, ob die Kriterien für eine messbare Probe erfüllt sind. Wenn nicht, geht es zusammen mit dem Kunden auf Fehlersuche, die mitunter auf einen alternativen Weg der Probenvorbereitung führt. „Wenn schon vorab klar ist, dass die Proben in Lösung problematisch sind, kann man auch eine PAGE mit anschließendem In-Gel-Verdau machen“, erklärt Hartl.

Im Chromatographie-Testlauf wird über die UV-Spur die tatsächliche Proben­menge bestimmt und die Verdau-Effizienz überprüft. Gleichzeitig können die beiden abschätzen, ob Verunreinigungen etwa durch Detergenzien vorhanden sind. Da einige Substanzen UV-Licht nur sehr schlecht absorbieren, funktioniert diese Methode leider nicht immer. Manchmal lässt sich mit ihr eine mangelhafte Probe aber noch retten: „Eine nochmalige Zugabe von Proteasen kann den Verdau komplettieren, und Detergenzien lassen sich eventuell mit zusätzlichen Aufreinigungs-Methoden entfernen.“

Das Problem der mangelnden Reproduzierbarkeit ist aus Sicht der Wiener Analytiker auch in der Proteomik ein Thema: „Das beginnt bei der Vielzahl an Protokollen und Möglichkeiten zur Probenvorbereitung, setzt sich fort bei Art und Zustand des LC-MS-Systems und endet bei der verwendeten Software und den eingestellten Parametern für die Auswertung. Jeder dieser Schritte kann das Endergebnis signifikant beeinflussen. Allerdings sind diese Probleme bekannt, und es gibt mittlerweile auch zahlreiche Lösungswege. So wurden in den letzten Jahren wichtige Fortschritte in der Qualitätskontrolle gemacht, die bei richtiger Anwendung die Reproduzierbarkeit stark erhöhen. Nach unserer Einschätzung ist eine regelmäßige und gut dokumentierte Qualitätskontrolle der LC-MS-Systeme ein absolutes Muss, vor allem bei quantitativen Studien. Ein gut dokumentiertes Experiment mit entsprechender Qualitätskontrolle, das auf den gleichen Instrumenten und mit ähnlicher Datenanalyse durchgeführt wird, sollte auf jeden Fall weitgehend reproduzierbar sein.“

Schnell und universell

Angesichts der vielen Variablen und Ungewissheiten bei der Probenvorbereitung sind Proteomiker ständig auf der Suche nach einer einfachen Standard-Methode, die den Weg für vergleichbare Ergebnisse ebnet. Ein vielversprechender Ansatz könnte die sogenannte Sample Preparation by Easy Extraction and Digestion (SPEED)-Technik sein, die eine Gruppe um Peter Lasch vom Robert Koch Institut in Berlin derzeit auf biorxiv zur Diskussion stellt (doi.org/10.1101/393249). SPEED basiert auf den drei simplen Schritten Ansäuerung, Neu­tralisierung und Verdau, die in ein und demselben Gefäß ablaufen. Sogar notorisch schwer zugängliche Kandidaten, etwa Gram-positive Bakterien, kann SPEED knacken und zwar mit hoher Reproduzierbarkeit. Die Probenvorbereitung mit SPEED erfordert fünfzehn Minuten Handarbeit, spezielles Equipment ist nicht nötig.

Den Balanceakt zwischen effizientem Zellaufschluss und Verdau umgeht die Methode, indem sie ganz auf Detergenzien und chaotrope Substanzen verzichtet und stattdessen auf Trifluoressigsäure (TFA) als Wunderwaffe setzt. Als starke Säure (pK = 0,2) löst TFA Zellen und Gewebe leicht auf und dient zugleich als Lösungsmittel für Proteine, ohne diese zu hydrolisieren oder deren Aminosäuren zu modifizieren. Die sauren Lysate werden mit einem Tris-Puffer neutralisiert, woraufhin die Probe durch die präzipitierenden Proteine milchig wird.

Die Proteine schwimmen in der Dispersion als winzige Partikel herum, ohne zu verklumpen. Dies ermöglicht sowohl Trypsin als auch Reduktions- und Alkylierungs-Reagenzien einen leichten Zugang zu den Proteinen. Sollte die Dispersion, etwa bei Gram-positiven Bakterien, noch unlösliche Partikel von der Zellwand enthalten, helfen zehn Sekunden in der Mikrowelle.

Mit Kosten von einem Euro pro Probe stiehlt SPEED allen bisherigen Probenvorbereitungs-Methoden vermutlich die Show. Bleibt nur noch abzuwarten, ob die Proteomik-Gemeinde auf den SPEED-Schnellzug aufspringt – und ob die Methode tatsächlich hält, was sie verspricht.



Letzte Änderungen: 06.12.2018