Editorial

Großes Potenzial, aber noch viele Fragezeichen
Enzymatische DNA-Synthese

Andrea Pitzschke


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Noch sind viele enzymatische DNA-Syntheseverfahren in der Erprobungsphase. Eines Tages könnten sie die klassische chemische DNA-Synthese jedoch ablösen. Foto: Berkeley Lab

(04.06.2020) Warum arbeiten Forscher an der enzymatischen DNA-Synthese, obwohl es seit vierzig Jahren eine gut funktionierende chemische DNA-Synthese gibt? Zum einen aus wissenschaftlicher Neugier, zum anderen, weil sie etwas verspricht, was die chemische Synthese nicht kann: sehr lange Sequenzen an einem Stück herstellen.

Ohne synthetische DNA oder RNA liefe im Labor fast nichts: keine PCR, keine Adapter, keine Linker und sonstige Klonierungs-Elemente, kein CRISPR-Cas – von synthetischen Genen ganz zu schweigen. Gibt man die gewünschte Sequenz heute in Auftrag, kann man bereits am übernächsten Tag mit ihr hantieren. Dauert es doch länger, liegt es eher am Paketdienst, denn die DNA-Syntheseapparate arbeiten rund um die Uhr.

So gut wie alle Hersteller synthetisieren die DNA mit dem Phosphoramidit-Synthese-Verfahren, bei dem der Strang in 3‘-5‘-Richtung wächst, also in umgekehrter Richtung wie bei der DNA-Replikation durch die DNA-Polymerase. An einer Matrix mit großer Oberfläche ist ein Nukleotid gebunden, das sukzessive mit der gewünschten Buchstabenfolge verlängert wird. Seine 5´-Hydroxygruppe reagiert mit der als Phosphoramidit aktivierten 3´- Phosphatgruppe eines zugegebenen Mononukleotids.

Kurze Blockade

Damit die Mononukleotid-Moleküle an die gewünschte Position gelangen und nicht bereits vorher verlängert werden, muss ihre Hydroxy-Gruppe vorübergehend blockiert werden. Nach dem Einbau wird die Blockade gelöst und überschüssige Substanz weggespült, bevor der nächste Zyklus beginnt. Als Schutzgruppe wird Dimethoxytrityl (DMT) verwendet, das sich mit Trichloressigsäure (TCA) nach jeder Runde einfach entfernen lässt. Freie Nebengruppen blockiert man ebenfalls, um etwaige Reaktionen zu verhindern, löst diese jedoch erst nach fertiggestellter Synthese in einem Aufwasch ab. Nach einem ganz ähnlichen Prinzip erfolgt auch die RNA-Synthese.

Die synthetisierte DNA ist in der Regel nur ein paar hundert Nukleotide lang, da einerseits nicht jeder Schritt zu hundert Prozent effizient verläuft, und andererseits lange Sequenzen Sekundärstrukturen bilden, die beim Weiterbau stören.

Um auch langkettige Sequenzen zu erhalten, werden kürzere Fragmente mit teilweise überlappenden Enden mittels Polymerase Chain Assembly (PCA) verknüpft. Das geht aber nicht immer akkurat vonstatten, da die zu verknüpfenden Glieder im Falle AT- oder GC-reicher Sequenzen verrutschen können.

Alles in allem ist die chemische DNA-Synthese recht rabiat und führt hie und da zu Depurinierungen. Sie ist zudem eine ziemlich giftige und schmutzige Angelegenheit mit einem hohen Verbrauch an Chemikalien sowie organischen Lösungsmitteln. Lässt sich DNA nicht auch auf natürlichere Weise in wässriger Umgebung synthetisieren, etwa mit Enzymen? Prinzipiell ja, zum Beispiel mit der Terminalen Deoxynukleotidyl-Transferase (TdT). Das Enzym arbeitet Template-unabhängig und ist im Körper für die Adaptationsfähigkeit des Immunsystems zuständig, bei der mithilfe der TdT durch genetische Rekombination neue Antikörper entstehen.

Spiel mit Metall-Ionen

TdT bindet in Abhängigkeit divalenter Kationen wie Co2+, Mn2+, Mg2+ oder Zn2+ Mononukleotide und koppelt sie an eine wachsende Nukleinsäurekette. Die Einbaugeschwindigkeit hängt sehr stark von der Art des Metall-Ions ab. So werden zum Beispiel die Pyrimidinnukleotide dCTP und dTT in Gegenwart von Magnesium-Ionen zehnmal langsamer eingebaut als Purinnukleotide. Mit Kobalt-Ionen als Cofaktor beschleunigt sich der Einbau hingegen um das Hundertfache (Dissertation Sebastian Palluk, http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/8981). Dank des energiereichen Triphosphats kommt die enzymatische DNA-Synthese, anders als die chemische, ohne eine zusätzliche Aktivierung aus.

Einer der Protagonisten der enzymatischen DNA-Synthese ist der Tausendsassa der Molekularbiologie George Church vom Wyss Institut in Harvard. Seine Gruppe stellt derzeit eine sehr interessante enzymatische DNA-Synthesestrategie in bioRxiv zur Diskussion, mit der man sogar Daten speichern kann (www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.02.19.956888v1; siehe auch www.laborjournal.de/editorials/1949.php).

In diesem Fall kommt es nicht auf die Anzahl der eingebauten Nukleotide an, etwa AA oder AAAAA, weil nicht die einzelnen Basen Informationsträger sind, sondern deren Übergänge beziehungsweise Wechsel. So enthält zum Beispiel die synthetisierte Sequenz AAGGCCC die gleiche Information wie AGCC oder AGC.

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George Church, Pionier der Genom-Sequenzierung und Gen-Ingenieur, sieht das größte Potenzial der enzymatischen DNA-Synthese in der Herstellung langer Sequenzen. Ob sie es jemals ausschöpfen kann, ist seiner Meinung nach aber alles andere als garantiert. Foto: MIT

Die TdT-Aktivität steuert Churchs Team elegant über den Cofaktor Co2+. Der photolabile Chelator DMNP-EDTA sperrt das Kation ein und entlässt es erst nach der Bestrahlung mit UV-Licht, wodurch die TdT aktiviert wird. Die Lichtstrahlen steuern punktgenau einzelne Positionen auf einem Chip an, auf denen die enzymatische DNA-Synthese durch Anknüpfen an einen kurzen Oligo-Anker ablaufen soll. Selbst wenn der ganze Chip zum Beispiel mit dATP geflutet wird, können nur die TdT-Enzyme an den gerade beleuchteten Punkten etwas mit dem Nukleotid anfangen. Anschließend wird das überschüssige dATP weggespült, und die TdT baut das nächste dNTP an den beleuchteten Positionen des Chips ein.

Auf die Frage, ob die enzymatische DNA-Synthese die etablierte chemische Synthese ablösen könnte, antwortet Church: „Ja, zumindest bei bestimmten Anwendungen, wie der Datenspeicherung“. Churchs Vision – die er jedoch mit einem klaren „it would be nice, but is far from guaranteed“ relativiert – ist, mit der enzymatischen DNA-Synthese lange, fehlerfreie DNA zu synthetisieren. Und zwar, so Church, richtig lange mit mehr als zehn Kilobasen und vorzugsweise weniger als einem Fehler pro Million Basen. Damit ließe sich das Genom menschlicher Zelllinien oder anderer Wunsch-Spezies „from scratch“ rekonstruieren und in Zellen oder Organoiden untersuchen. Er verweist hier auch auf das Genome Project-Write (GPW), an dem Forscher verschiedener Disziplinen arbeiten. Sie sind davon überzeugt, dass zum vollen Verständnis von Genomen nicht das Ablesen allein genügt, sondern erst Experimente mit nachgebauten Exemplaren endgültige Erkenntnisse bringen (https://engineeringbiologycenter.org/).

Zu ungenau

Für DNA-Produkte, bei denen jede einzelne Nukleotid-Position exakt passen muss – und das sind nun mal die meisten –, ist Churchs Co2+-Verfahren aber nicht genau genug. Es existieren aber noch andere Techniken, mit denen man sicherstellen kann, dass die TdT die korrekte Sequenz synthetisiert und nicht einfach etwas zusammenschustert. Eine Möglichkeit besteht darin, dem Enzym immer nur das gewünschte Nukleotid, zum Beispiel dATP, anzubieten. Nach der Verknüpfungsreaktion spült man nicht eingebautes dATP in einem Waschschritt wieder weg. Um zu verhindern, dass die TdT Nukleotide mehrfach einbaut, etwa AAA statt A, muss jede einzelne Basenverlängerung separat erfolgen.

Fast alle akademischen Gruppen oder Firmen, die sich an der enzymatischen DNA-Synthese versuchen, verwenden hierzu sogenannte Reverse-Terminations-dNTPS (RTdNTPs), an deren 3´-Hydroxygruppe vorübergehend eine Schutzgruppe sitzt. Der Klassiker hierfür ist ein 3´-O-acetylrest – die Nitrobenzylgruppe als Alternative hat es bisher nur in ein Proof-of-Concept-Paper geschafft. Analog zum Sequencing-by-Synthesis-Verfahren wird jeweils ein RTdNTP an die wachsende Oligonukleotidkette gekoppelt, das heißt die 5´-Phosphatgruppe des dNTPs wird mit der 3´-OH-Gruppe des letzten Kettengliedes verknüpft.

Um die relativ langsam ablaufende Reaktion etwas zu beschleunigen, werden die ­RTdNTPs im Überschuss zugegeben, damit das Enzym sie schneller findet. Die TdT kann aber dennoch nicht einfach fröhlich vor sich hin synthetisieren, weil sie immer warten muss, bis die Schutzgruppe ihres zuletzt verwendeten Bausteins entfernt und das nun frische 3´-Ende für den nächsten Kopplungsschritt verfügbar ist.

Damit die Synthese schnell und präzise abläuft, muss das Enzym die dNTP-Analoga akzeptieren. Strukturbedingt ist die Auswahl möglicher Schutzgruppen jedoch beschränkt.

Einen sehr kleinen reversiblen Terminator, nämlich Hydroxylamin (H3NO), nutzt das Pariser Startup DNA Script für seine enzymatische DNA-Synthese-Technik (Chembiochem 20: 860-71). Das scheint ganz gut zu funktionieren. DNA Script hat letzten Oktober verlautbart, mit dem Verfahren einen 150 Basenpaare langen DNA-Strang synthetisiert zu haben. Die Informationen auf der Webseite der Firma sind zwar etwas dürftig, zu sehen ist dort aber bereits der erste enzymatische DNA-Synthesizer, der angeblich im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll.

Einen anderen Weg der enzymatischen DNA-Synthese verfolgte Sebastian Palluk in seiner Doktorarbeit, die er bei Beatrix Süß an der TU Darmstadt sowie in Jay D. Kieslings Labor an der UC Berkeley in Kalifornien anfertigte (https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/8981/1/SPalluk_June_2019.pdf, siehe auch den Laborjournal-Artikel www.laborjournal.de/rubric/methoden/methoden/v201.php).

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Sebastian Palluk (l.) dachte sich in seiner Doktorarbeit eine neues Konzept der enzymatischen DNA-Synthese aus. Um dieses weiterzuentwickeln, gründete er zusammen mit seinem ehemaligen Laborkollegen Dan Arlow in Kalifornien das Startup Ansa Biotechnologies. Foto: Berkeley Lab

TdT mit Doppelfunktion
Palluk verzichtet ganz auf RTdNTPs, stattdessen erfüllt die TdT eine Doppelfunktion – zunächst als Polymerase und anschließend als Schutzgruppe. Das Enzym ist über einen Linker mit einem dNTP-Molekül verknüpft. Diese Enzymkonjugate mit dATP, dTTP, dCTP sowie dGTP werden vorab in separaten Reaktionen hergestellt.

TdT ist hierbei als Fusion mit dem Maltose-Bindeprotein immobilisiert, sodass überschüssige freie dNTPs sauber und vollständig entfernt werden können.

Angenommen, ein Oligonukleotid soll um ein A sowie ein C verlängert werden. Dann ist der Ausgangspunkt ein Oligo, mit dessen 3‘-Ende TdT kovalent als Schutzgruppe verbunden ist. Diese Blockade muss zunächst aufgehoben werden, indem TdT abgespalten wird. Danach erfolgt die Inkubation mit dATP-TdT-Konjugaten, bei der dATP mit seiner freien Phosphatgruppe auf die freigelegte 3´-OH-Gruppe des Oligos trifft. Die im Schlepptau mitgenommene TdT verknüpft die beiden Gruppen und verwehrt gleichzeitig weiteren Substratkonjugaten den Zutritt. Überschüssige dATP-TdT-Konjugate werden in einem Waschschritt beseitigt, und das frische Ende wiederum freigelegt. Anschließend geht es mit dem dCTP-TdT-Konjugat weiter.

Theoretisch kann man dNTPs und TdT auf viele verschiedene Arten verknüpfen, bei der enzymatischen DNA-Synthese gelten hierfür allerdings spezielle Spielregeln. So muss die kovalente Bindung stabil sein, sonst würden freie dNTPs zur unkontrollierten Kettenverlängerung führen. Dennoch muss sich das Enzym nach dem Einbau des Nukleotids schnell vollständig abspalten lassen, um akzeptable Synthesezeiten zu erzielen. Ebenso wichtig ist, möglichst keine Spuren im Endprodukt zu hinterlassen. Der ursprünglich eingesetzte multifunktionale Amin-Thiol-Crosslinker PEG4-SPDP (PEGylated long-chain succinimidyl 3-(2-pyridyldithio)propionate), der 5-Aminoallyl-dNTP-Analoga mit der Cysteingruppe des Enzyms verbindet und von letzterer mit DTT wieder abspaltbar ist, hinterlässt jedoch eine unschöne Narbe auf der DNA.

Alternative dNTP-Analoga

Palluk und Co. versuchten es daher mit einem alternativen Duo aus kommerziellem dNTP-Analogon und Linker: Propargylamino-dNTPs sowie photoreaktivem Linker P-23354. Nach UV-Bestrahlung verbleibt an jeder Nukleobase nur eine Propargylaminogruppe – ein für die PCR-Amplifikation kaum relevanter Schönheitsfehler, dessen Lage für die Basenpaarung unerheblich ist. Für eine maximale Kontrolle der Verknüpfung von Enzym und Linker mutierten die Forscher sämtliche Cysteinreste, was sich jedoch nicht negativ auf die TdT-Aktivität auswirkte. An die aussichtsreichste, von Strukturmodellen vorausgesagte Position setzten sie das einzige Cystein im gesamten Protein.

Dass mit Palluks Ansatz pro Molekül dNTP ein Molekül Enzym nötig ist, mag aufwändig oder kostspielig erscheinen. Das Ganze relativiert sich jedoch durch den wesentlich geringeren Substratbedarf (20 µM). Schließlich bringt jedes einzubauende Mononukleotid seine Polymerase gleich mit. Dagegen müssen die frei schwimmenden dNTPs im konventionellen RTdNTP-Verfahren relativ konzen­triert (0,1 M) eingesetzt werden, um Aussicht auf einen Zusammenstoß mit einem Enzymmolekül zu haben.

Immer genauer

Als Proof-of-Concept synthetisierte Palluk ein 10-mer und erhöhte die Genauigkeit durch diverse Optimierungen pro Schritt auf 97,7 Prozent. Das reicht fast schon an das chemische Phosphoramidit-Verfahren heran, dessen Genauigkeit bei 99,5 Prozent liegt. Würde man mit dem Enzymverfahren ein 50-mer generieren, wären dennoch nur 31 Prozent (0,97750) des Endprodukts korrekt. Auch die Einbauzeiten von anderthalb (C, G, T) bis drei Minuten (A) pro Nukleotid sind noch recht lang.

Es ist also noch Luft nach oben, und Palluk hat auch schon Ideen, wie man die Methode verbessern kann. Bei der gemessenen katalytischen Konstante des Enzyms sollte es zum Beispiel theoretisch möglich sein, die Kopplungszeiten auf zehn Sekunden zu verkürzen. Zudem bleibt beim derzeitigen Prozedere an jeder Base eine Propargylamino-Gruppe zurück. Diese kleine Narbe könnte man auf einen klitzekleinen Kratzer reduzieren, würde man Hydroxymethyl-dNTP-Analoga einsetzen. Hier würde nicht UV-Licht, sondern eine Esterase die Entkoppelung von der TdT bewerkstelligen. Das käme der Natur noch näher, denn sie kennt Pyrimidin-Derivate mit Hydroxymethylrest, zum Beispiel als bakterielles Stoffwechselprodukt. Purine könnte man entsprechend in Form von 7-Deaza-Purinen mit einem C7-Hydroxymethylrest ausstatten.

Eine ebenfalls noch zu knackende Nuss sind übereifrige TdTs. Gelegentlich belädt sich ein Enzymmolekül mit mehr als einem dNTP-Molekül und nutzt diese zusätzliche Fracht für mehrere Syntheseschritte. Statt A kommt dann AA oder AAA heraus. Unerwünschte Sekundärstrukturen, die den TdT-Zutritt zur Baustelle verwehren, ließen sich mit entsprechenden Modifikationen der dNTP-Seitengruppen, aber auch durch Einzelstrang-bindende Proteine verhindern.

Viele Vorteile

Richie Kohman, Gruppenleiter in Churchs Abteilung und Mitautor des bioRxiv-Papers, ist vom großen Potenzial der enzymatischen DNA-Synthese überzeugt und liefert dafür zahlreiche Argumente – etwa milde und ungiftige Reaktionsbedingungen, recycelbare Reagenzien, höhere Ausbeute und längere Sequenzen. Zudem seien die Zyklen kürzer, weil Oxidations- und Deprotektions-Schritt entfallen.

Den Tempovorsprung der enzymatischen DNA-Synthese belegt sein Chef Church mit Zahlen: Während sich seit den Achtzigerjahren bei der chemischen DNA-Synthese an der Dauer von drei Minuten pro Nukleotid nichts geändert hätte, seien im enzymatischen Ansatz bis zu Tausend Zyklen pro Sekunde möglich. Dies sei aber, so Church, nur mit Terminations-freien Methoden und einer gewissen Fehlertoleranz zu erreichen.

Nach und nach tauchen auch immer mehr Startups oder DNA-Synthese-Firmen auf, wie zum Beispiel DNA Script, Twist Biosciences (USA), Molecular Assemblies (USA), Nuclera (UK) oder Evonetix (UK), die daran arbeiten, DNA enzymatisch herzustellen. Kohman vermutet, dass sich die großen Biotech-Firmen das eine Weile anschauen und sich dann die vielversprechendsten Newcomer einverleiben werden. In ein bis zwei Jahren könnten dann enzymatische DNA-Syntheseinstrumente und -Dienstleistungen angeboten werden. Träfe dies ein, würde man in etwa fünf Jahren den Umbau der DNA-Synthese von chemisch auf enzymatisch sehen.

Bis es so weit ist, muss es mit der enzymatischen DNA-Synthese aber erst einmal möglich sein, wesentlich längere, fehlerfreie DNA-Sequenzen zu erzeugen – und zwar zu ähnlichen Kosten wie mit der konventionellen chemischen Methode.

Inzwischen hat auch Sebastian Palluk zusammen mit seinem ehemaligen Kollegen aus Keaslings Labor, Daniel Arlow, ein Startup gegründet. Ihre in Berkeley ansässige Firma Ansa Biotechnologies arbeitet vor allem daran, die Effizienz je Zyklus zu optimieren und möglichst lange Sequenzen herzustellen. Offensichtlich sind die beiden der Pariser Firma DNA Script eng auf den Fersen, die nach eigenen Angaben bereits ein 150-mer mit einer Effizienz von 99,5 Prozent pro Zyklus synthetisierte. „Wir kommen diesen Zahlen inzwischen in einigen Versuchen ebenfalls nahe, die Herausforderung ist nun, das Ganze extrem zuverlässig und für alle Sequenzen zu erreichen“, erklärt Palluk.

Ehrgeiz und Motivation des Jungunternehmers springen förmlich auf einen über –trotz Fundraising-Stress, SARS-CoV-2-bedingter Börsenturbulenzen und anfänglicher Bedenken aus der Wissenschaftsgemeinde gegenüber seiner Methode. „Die Skepsis vor allem zu Beginn meiner Arbeit in Deutschland war sehr hoch. Wir mussten uns oft anhören, dass keine neue Technologie für DNA-Synthese mehr benötigt wird, weil das momentane Verfahren doch gut genug ist. Aber im Endeffekt haben die positiven Rückmeldungen immer überwogen, und Wissenschaftler, die ihre Experimente nicht durchführen konnten, weil die Herstellung der nötigen DNA-Sequenzen momentan nicht möglich war, haben uns viel Erfolg für unser Projekt gewünscht. Langsam ändert sich die Stimmung, was unter anderem auch an Äußerungen zu erkennen ist, wie der von Emily Leproust, CEO des etablierten DNA-Herstellers Twist Bioscience, die kürzlich erklärte: Someone will crack it, and it’s going to be great for the field (Nature 566: 565).“

David gegen Goliath

Aber Palluk ist auch Realist genug und weiß, was noch alles auf sein Startup zukommt: „Die größte Hürde für uns ist wohl, dass die chemische Synthese so gut etabliert ist und es kaum lukrative Nischenprodukte gibt, die man mit enzymatischer Synthese entwickeln könnte. Das heißt, wir müssen als kleines Team von momentan fünf Leuten den Kampf mit der Phosphoramidit-Synthese aufnehmen, die über die letzten dreißig Jahre von hunderten Forschern optimiert und mit höchster Präzision automatisiert wurde. Unsere Aufgabe wird aber sowohl durch viele bereits existierende Tools vereinfacht, auf die wir zurückgreifen können, als auch durch Enzyme, die ihren Job bereits sehr gut machen – zumindest in unserem Fall ohne Schutzgruppe. Aber es ist nichtsdestotrotz eine sehr große Herausforderung.“



Letzte Änderungen: 06.04.2020