Editorial

Immer rin in die gute Stube

Transfektion

Kay Terpe


Transfektion ist das Einbringen genetischen Materials in eukaryotische Zellen. Sie wird eingesetzt, um Plasmide, Antisense-Oligos oder siRNA einzuschleusen. Wie man‘s macht? Unser Autor Kay Terpe weiß es!

Transfektion ist keine neue Methode. Sie wurde Anfang der 70er Jahre erfunden und seitdem weiter entwickelt. Drei Forderungen werden an sie gestellt:
  1. Sie soll möglichst viel genetisches Material in die Zelle bringen.
  2. Davon muß möglichst viel in den Zellkern wandern.
  3. Es müssen möglichst viele Zellen die Transfektion überleben.
Da es zahllose Zelltypen gibt und jeder Typ auf eine bestimmte Transfektionsmethode anders reagiert, existieren zahllose Transfektionsmethoden und -Reagenzien. Dass gleiche Reagenzien unter unterschiedlichem Namen angeboten werden, macht die Sache nicht übersichtlicher.


Der Klassiker: Calcium-Phosphat

Bei dieser chemischen Methode präzipitiert man einen DNA-Phosphat-Komplex auf die Zellmembran. Vermutlich wird die DNA dann mittels Endocytose aufgenommen. Die Prozedur, 1973 von Graham und von der Ebb beschrieben, läuft ab wie folgt: Sie mischen 10 bis 100 µg DNA mit CaCl2 und geben dann tropfenweise Phosphatpuffer dazu, bis sich ein feines Präzipitat bildet. Achten Sie darauf, dass der Puffer einen pH von 7,05 hat und arbeiten Sie mit einer 60 mM CaCl2 Lösung. Die Konfluenz der Zellen (in 60 oder 100 mm Petrischalen) sollte unter 50 % liegen. Eine anschließende Glycerol- oder DMSO-Behandlung der Zellen erhöht die Transfektionseffizienz.

Doch Vorsicht: Die Substanzen sind toxisch. Damit sind wir bei einem Dauerproblem: Transfizieren ist ungesund! Einige Standardzelllinien, z.B. EBNA 293, vertragen das Präzipitat, aber viele sterben ab. Auch müssen Sie die Zellen in Serum- oder antibiotikafreiem Medium halten. Doch ist die Ca-Phosphat-Präzipitation wenigstens billig.

Ein weiterer Klassiker: Die Transfektion mit Diethylaminoethyldextran (DEAE-Dextran). Sie wurde 1968 von McCutchan publiziert, also in einer Zeit, wo es für Transfektionsmethoden kaum Verwendung gab. Aber damals waren die Studenten eben schlauer als ihre Professoren oder bildeten es sich ein. McCutchan inkubiert die Zellen in einem serumfreien Medium mit ca. 250 µg/ml DEAE Dextran für 2 bis 20 Stunden, wäscht, und inkubiert anschließend mehrere Tage in Vollmedium. Sie können bis zu 500 µg/ml DEAE-Dextran einsetzen. Mehr wäre weniger, denn mehr präzipitiert DNA. Wie bei Ca-Phosphat soll ein DMSO-Schock die Transfektionsrate erhöhen. Aber auch das Gegenteil wurde publiziert: Die Transfektionseffizienz hängt wohl von der Zelllinie ab.


Transfektionstechniken

Calcium-Phosphat
DEAE-Dextran
Elektroporation
Immunoporation
Kationische Dendrimere
Kationische Lipide
Kationische Polymere
Laser Beam
Mikroinjektion
Nucleofection
Paramagnetische Nanopartikel
Particle Gun
(Retro)-Viral

Probleme mit Serum?

Sowohl die Ca-Phosphat- als auch die DEAE-Dextran-Transfektion vertragen kein Serum. Auch Antibiotika sollten Sie vermeiden. Ersteres hängt wohl damit zusammen, dass durch die entstehenden Löcher nicht nur DNA, sondern auch Serumproteine ins Zytoplasma strömen. Der Zelle wird dann schlecht. Glücklicherweise gibt es Methoden, bei denen weder Serum noch Antibiotika stören. Sie basieren auf kationischen Lipiden, Dentrimeren und Polymeren. Die Handhabung dieser Reagenzien ähnelt sich. Man mischt 1 µg Plasmid-DNA mit dem Reagenz, inkubiert gemäß Hersteller und gibt den Ansatz zu 1-4 x 106 Zellen in einem Well einer 6er oder 12er Platte. Wollen Sie die Transfektion miniaturisieren, greifen Sie zum 384er Format.

Bei der Transfektion mit kationischen Lipiden, der Lipofektion, bilden die Lipide im wässrigen Milieu Mizellen oder Liposomen. Die Mizellen bestehen aus einem Lipidmonolayer und haben einen Durchmesser von 1-10 nm. Die Liposomen bilden Bilayer und sind mit 30 µm deutlich größer. Die DNA komplexiert damit zu Lipoplexen. Bei dieser Komplexbildung darf allerdings kein Serum anwesend sein. Die Lipoplexe werden endocytotisch aufgenommen. Beim Zerfall des Endosoms penetriert die DNA ins Zytoplasma. Sie sollten mit gut proliferierenden Zellen arbeiten, die eine Konfluenz zwischen 30 und 80 % besitzen. Die Bedingungen hängen von Zelltyp und Transfektionsreagenz ab.

Im Gegensatz zu Lipiden besitzen kationische Polymere keine hydrophoben Reste, sind also wasserlöslich. Sie unterscheiden sich in Länge, Geometrie und funktionellen Gruppen. Kationische Polymere kondensieren auf der DNA und bilden Polyplexe. Populär wurden sie Anfang der 90er Jahre nach der Entwicklung des hochmolekularen Polyethylimins (PEI). Heute wird Polyethylen-PEI eingesetzt. Das ist weniger toxisch.

Die Dendrimere aus der Klasse der Polyamin-Polymere besitzen einen Kern aus tertiären Aminen, von denen netzartig primäre Aminverbindungen verzweigen. Es entsteht eine sphärische Kugel, an deren Hülle positive Aminogruppen sitzen. Diese interagieren mit der DNA, und zwar bevorzugt mit der B-Konformation. Den DNA-Dendrimer-Komplex nehmen die Zellen endocytotisch auf.

Alle synthetischen Karriersysteme setzen die DNA im Zytoplasma frei. Ist sie größer als 1000 bp, wird sie, wegen der "Nuclear Barrier", nicht in den Kern transportiert. Aber auch kleine DNA gelangt nur während der Mitose in den Kern. Daher lassen sich gut teilende Zellen mit synthetischen Transfektionsreagenz transfizieren, schwach proliferierende Zellen hingegen nicht. Es soll jedoch DNA-Träger geben, die DNA unabhängig von der Mitose in den Kern transportieren.

Leider wirken die synthetischen Karrier oft toxisch auf Zellen. Die Toxizität ist von Zelltyp und Reagenz abhängig und schwer vorherzusagen. Ca-Phosphat und DEAE-Dextran sind jedoch toxischer als Polymere, Lipide oder Dendrimere.


Mit Viren inserieren

Wer sicher gehen will, dass sein Gen in den Zellkern gelangt, bedient sich viraler Transfektionssysteme. Geläufige Genfähren sind Adeno- und Retrovirus-Vektoren sowie Adeno-assoziierte Viren. Mit Adenoviren erreicht man hohe Transfektionseffizienzen. Ihr Nachteil ist die zeitlich begrenzte Expression. Klingt die Expression ab, muß die Transfektion wiederholt werden. Soll die Transfektion auf proliferierende Zellen begrenzt werden, wie bei Tumorerkrankungen, verwendet man die selektiven Retroviren und Adeno-assoziierte Viren. Sie führen zudem zu einer stabilen Expression des gewünschten Gens. Um die Effizienz zu steigern, nützt man den Tropismus verschiedener Viren, z.B. die Vorliebe der Herpesviren für Zellen des ZNS oder der Adenoviren für Lungenzellen. Die Transfektionseffizienz viraler Vektoren kann zudem mit chemischen und mechanischen Techniken wie Liposomen oder Beschuss mit beschichteten Partikeln verbessert werden.

Eine neue Generation retroviraler Vektoren, die Lentiviren, sind in der Lage, Gene in teilungsunfähige Zellen wie Neuronen einzuschleusen. Solche Vektoren leiten sich von HI-Viren ab, die nach Entfernung mehrerer Gene ihre Reproduktionsfähigkeit verloren haben. Leider ist die Anzucht der Viren zeitaufwendig und man benötigt häufig ein S2-Labor. Zudem sind virale Systeme hoch immunogen.


Magnet, Stromstoß, brutale Gewalt

Manche Transfektionssysteme bedienen sich der Magnetkraft. Die Magnet Assisted Transfection benützt superparamagnetische Nanopartikel (Durchmesser 100 bis 200 nm), deren Eisenoxidkern mit einem Polyelektolyt beschichtet wurde. Die Nanopartikel komplexieren zunächst über elektrostatische Wechselwirkungen mit der Nukleinsäure und werden dann auf die Zellkultur gegeben. Unter den Zellen wird ein Magnet platziert. Der Komplex wird so auf die Zellmembran gezogen und endozytotisch aufgenommen. Man kann die Partikel auch mit hydrophoben Substanzen beschichten und mit Lipo- oder Polyplexen interagieren lassen.

Nach der Transfektion tauchen die Nanopartikel sowohl im Zellkern als auch im Zytoplasma auf. Ihre Hülle wird in ein bis drei Tagen, der Eisenkern in zwei bis drei Wochen intrazellulär abgebaut.

Auch die Immunoporation bedient sich magnetischer Beads. Die werden mit Antikörpern gekoppelt, die auf der Oberfläche der Zellen spezifisch binden. Nach der Bindung werden die Beads durch Scherkräfte von den Zellen abgerissen. Dabei reißen Löcher in die Zellmembran und die DNA kann eindringen. Hinterher werden die Beads magnetisch entfernt. Serum erniedrigt die Transfektionseffizienz. Auch ist die Prozedur schwer zu reproduzieren und für jede Zelllinie müssen die Bedingungen optimiert werden.

Zu guter Letzt noch Elektroporation, Mikroinjektion und Beschuss mit Kleinstpartikeln. Dazu brauchen Sie teure Apparate und eine gewisse Einarbeitungszeit. Der Beschuß mit Kleinstpartikeln wird bei Pflanzen und lebenden Tieren verwendet. Man belädt Wolfram- oder Goldpartikel (0,4 bis 2 µm) mit Nukleinsäuren und schießt sie in den Zellkern. Bei der Mikroinjektion wird die DNA-Lösung mit einer Mikrokapillare in den Kern injiziert.

Die Elektroporation eignet sich für Suspensionszellen. Ein elektrischer Puls zerstört kurzfristig das Membranpotential der Zelle. Dabei entstehen Membranporen, durch die sich das genetische Material ins Zytoplasma schlängelt. Die Nukleofektion wiederum ist eine Elektroporation, bei der spezielle Lösungen dafür sorgen, dass die DNA vom Zytoplasma in den Zellkern gelangt.


Beam the Gene up!

Last but not least gibt es eine im 21. Jahrhundert entwickelte Methode, die mit Laserpuls arbeitet. Der beamt, wie Scotty von der Enterprise, einen Femtoliter DNA-Lösung durch eine Single Site-spezifische transiente Pore in die Zellen. Fast alle werden transfiziert und fast alle überleben. Schade, dass die Laser so teuer sind!

Aber das macht nichts: Getrieben durch den Traum von der Gentherapie werden die Methoden im 21. Jahrhundert besser und billiger werden.


Letzte Änderungen: 18.10.2005