Editorial

Mutieren, bis der Thermocycler glüht

Zielgerichtete Mutagenese (Teil 3)

Gabriele Grabowski


Im zweiten Teil der "Zielgerichteten Mutagenesen" erklärte Gabriele Grabowski, wie man DNA mit thermolabilen Polymerasen mutiert. Im dritten und letzten Teil sind die thermostabilen DNA-Polymerasen an der Reihe.

Mit thermostabilen DNA-Polymerasen können Sie zwar auch Primer in klassischen Mutageneseansätzen verlängern. Ihre wahre Stärke spielen Taq und Co. jedoch bei PCR-basierten Mutagenesen aus. Sie verlängern nicht nur die Primer, sondern vervielfältigen auch gleichzeitig die mutierte DNA. Für PCR-Mutagenesen brauchen Sie mindestens zwei Oligos, bei einigen Varianten auch mehr, um Mutationen in beiden DNA-Strängen eines Fragments einzuführen. Bevor Sie mit der PCR-Mutagenese loslegen, sollten Sie sich aber überlegen, was Sie mit der mutierten DNA anstellen wollen und welche Polymerase dafür am Besten geeignet ist.

Häufig kloniert man das mutierte DNA-Fragment in einen Vektor und transformiert damit Zellen. Das ist eigentlich Routine, kann aber schon mal Probleme bereiten. Dies meist dann, wenn der Klonierer vergisst, dass Polymerasen unterschiedliche Enden erzeugen und er diese entsprechend weiter behandeln muss. (Klonierungskits die Ihnen dabei helfen, finden Sie in der Produktübersicht von Laborjournal 9/2006). Polymerasen gibt es mittlerweile in vielen Varianten, grundsätzlich lassen sich diese in zwei Gruppen einteilen: In Polymerasen ohne Proofreading-Aktivität (3'-5'-Exonuklease), dazu gehören zum Beispiel Taq-, Tth-, Tfl- oder Tfi-Polymerase, und in Polymerasen mit Proofreading-Aktivität, beispielsweise Pfu-, Pwo-, Tma-, Tli-, Pab- oder Tgo-Polymerase. Letztere bieten sich für Mutagenesen an, da sie seltener unerwünschte Mutationen in die DNA einbauen. Favorisieren Sie dennoch eine Polymerase ohne Proofreading, sollten Sie zumindest die Zahl der PCR-Zyklen bei der Mutagenese auf maximal 25 beschränken.

Wenn Sie diese grundlegenden Dinge beachten, bieten PCR-Mutagenesen etliche Vorteile gegenüber klassischen Methoden:
  • Da der Template-Strang nur in geringer Konzentration in der Reaktion vorliegt, müssen Sie nicht gegen diesen selektionieren.
  • Mutationen lassen sich, ohne nach zusätzlichen Screening-Möglichkeiten suchen zu müssen, an beliebigen Position einführen.
  • Die Matrizen-DNA ist immer doppelsträngig, problematische Einzelstrangpräparationen sind nicht nötig.
  • Durch die hohen Temperaturen beeinflussen Sekundärstrukturen in Template und/oder Oligos die Reaktion kaum.
  • PCR-Mutagenesen lassen sich schnell und mit geringem Aufwand durchführen.
  • Und, last but not least, PCR-Mutagenesen sind automatisierbar.


Mit PCR geht alles (besser)

Klassische Mutagenese-Methoden, mit verschiedenen Oligos für Mutation(en) und Screening(s), sind nicht immer das Non-plus ultra. Stabile Sekundärstrukturen im Mutagenese-Oligo etwa können die Hybridisierung mit dem Matrizenstrang verhindern und den Spass an der Mutagenese gehörig verderben. Zwar findet man in diesen Fällen positive Klone, die gewünschte Mutation enthalten diese aber meist nicht.

Spätestens wenn Ihnen das passiert, sollten Sie auf die PCR-Mutagenese umsteigen. Im einfachsten Fall erzeugen Sie mit dieser aus Mutagenese- und Selektions-Oligo ein einziges Fragment, das Sie anschließend wie bei der klassichen Mutagenese für die Herstellung einer Heteroduplex einsetzen. Das PCR-Fragment dient als übergroßer Primer für die DNA-Polymerase und enthält gleichzeitig Mutations- und Selektionsabschnitte. So können Sie sich einen zusätzlichen Klonierungsschritt sparen.

Ohne Klonierung kommt auch Stratagenes ExSite-System aus. Dieses nutzt dam-methylierte Plasmid-DNA als Matrize sowie zwei Oligos, von denen nur eines die gewünschte Mutation trägt. Die Hybridisierungspositionen der Oligos wählt man so, dass die Polymerase beide Stränge der Matrizen-DNA in voller Länge amplifiziert. Um die Wildtyp-DNA im Anschluss an die PCR wieder los zu werden, verdaut man den Ansatz einfach mit dem Restriktionsenzym DpnI (siehe Laborjournal 7-8, zielgerichtete Mutagenese, Teil 2). Aus den mutierten, linearen Plasmid-Kopien, machen Sie dann mit einer Ligase via Blunt-end-Zirkularisierung wieder ein ringförmiges Plasmid.

Das Gen-Schneiderlein

Wenn die Matrizen-DNA nicht methyliert ist, können Sie die GeneTailor-Methode von Invitrogen anwenden. Bei dieser methylieren Sie die Matrizen-DNA in vitro und setzen diese mit zwei einander teilweise überlappenden Oligos, eines davon mutiert, in der PCR ein. Die resultierenden PCR-Produkte müssen Sie nur noch mit DpnI verdauen und können sie dann direkt für Transformationen einsetzen. Durch die komplementären Sequenzen an den Enden der linearen DNA-Stränge können diese zu einem stabilen Plasmid mit zwei versetzten Nicks hybridisieren. Nach der Transformation verknüpft eine zelleigene Ligase die linearen Stränge.

Natürlich kann man ein PCR-Fragment auch in einen Vektor klonieren, falls dieser geeignete Restriktionsschnittstellen enthält. Passende Schnittstellen lassen sich über die Oligos einfügen. In aller Regel befinden sich allerdings auf dem Vektor in der Nähe der Mutationsposition weit und breit keine Schnittstellen. Mit zwei Oligos und/oder einer einzigen PCR kommen Sie dann nicht mehr weiter.

Einen Ausweg bietet die Overlap-Extension-PCR (OE-PCR). Die ist zwar etwas aufwändiger, Sie brauchen zwei zusätzliche Oligos und müssen gleich drei PCRs laufen lassen. Dafür können Sie mit ihr aber auch zielgerichtet Basen austauschen. Mit den ersten beiden PCRs der OE-PCR amplifiziert man, jeweils mit einem mutagenen- und einem flankierenden Primer, zwei DNA-Fragmente, deren Sequenzen sich teilweise überlappen. Der Trick dabei ist, dass die beiden mutagenen Primer komplementär zueinander sind. Die eingesetzten flankierenden Primer markieren zusammen mit den mutagenen Primern die Enden der neusynthetisierten Fragmente. Diese hybridisieren im Bereich der mutagenen Primer miteinander so dass die DNA-Polymerase die noch bestehenden Lücken in einer dritten PCR auffüllen kann. Damit die Polymerase die entstandenen Stränge auch vervielfältigt, müssen Sie die beiden flankierenden Primer in den PCR-Ansatz pipettieren. Heraus kommt schließlich ein PCR-Produkt, das die gewünschte Mutation (hoffentlich) enthält. Kurz noch verdauen und dann ab damit in den Vektor.

Wer hinter maximalen Ausbeuten her ist, sollte die Produkte der beiden ersten OE-PCRs per Gelelektrophorese und -extraktion reinigen. OE-PCR-Routiniers schenken sich diese Extraarbeit und klonieren die Matrizen-DNA von vornerein in zwei Vektoren mit entgegengesetzter Orientierung (beispielsweise in pUC18 und pUV19). Dann können sie eine One-Step-Overlap-Extension-PCR durchführen, die mit einer einzigen PCR auskommt und nur einen universellen flankierenden Oligo und zwei Mutagenese-Oligos benötigt. Details dazu finden Sie bei Urban et al. (Nucleic Acids Research, 11, (1997), 2227-2228).

Universelle, flankierende Oligos sind für Anhänger von Megaprimer-Mutagenesen nichts Neues. Bei diesen führt man die Mutation in zwei PCRs mit Hilfe eines einzigen Mutagenese-Oligos in den DNA-Strang ein.

In der ersten PCR ist zunächst die Synthese des Megaprimers an der Reihe. Der ist im Grunde nichts anderes als ein Primer in Stretchversion, mit einer Länge von 100 bis 200, höchstens 400 Basenpaaren. Damit der Megaprimer nicht länger als unbedingt nötig wird, sollten Sie das flankierende Oligo Nummer eins so wählen, dass es der Hybridisierungsposition des Mutagenese-Oligos näher ist als Oligo Nummer zwei. Vor der zweiten PCR reinigen Sie das Produkt der ersten PCR und pipettieren den Megaprimer gemeinsam mit dem zweiten flankierenden Oligo in den PCR-Ansatz. Danach sollten Sie ein kleines Stossgebet gen Himmel schicken und darum bitten, dass bei der PCR auch etwas vernünftiges entsteht. Denn der Megaprimer hybridisiert aufgrund von Sekundärstrukturen nicht besonders gerne mit der Matrize. Dabei gilt: je größer der Megaprimer, desto problematischer die PCR.

Da die Ausbeuten häufig grottenschlecht waren, erfanden Megaprimer-Mutagenese-Spezialisten im Laufe der Jahre diverse Varianten, die entweder darauf abzielen, die Ausbeute der zweiten PCR zu verbessern oder die Zwischenaufreinigungsschritte zu umgehen, um die gesamte Reaktion in einem Gefäß durchführen zu können. Diese so genannten Single-Tube-Methoden sind ganz neben bei ein gefundenes Fressen für alle Automatisierungsfreaks.





Es geht auch ohne Plasmid-Vektor

Die bisher vorgestellten Mutagenese-Methoden benötigen immer eine Plasmid-DNA als Matrize und sie schaffen nicht mehr als eine Mutation pro Mutageneserunde. Das war Lei Young und Qihan Dong von der University of Sydney in Australien zu wenig und so ersannen sie die Targeted Amplification of Mutant Strand-Mutagenese kurz TAMS (Nucleic Acids Res. 11, (2003)). Nach Young und Dong funktioniert TAMS sowohl mit Plasmid- als auch mit genomischer oder cDNA.

Bei der TAMS amplifiziert man zunächst mit einer linearen PCR (nur ein Oligo) eine einzelsträngige Kopie des zu mutierenden DNA-Abschnitts. Der Einzelstrang dient zwei Anker-Oligos und den Mutagenese-Oligos als Matrize bei der nachfolgenden Fill in-Reaktion. Bei dieser begrenzen Anker-Oligos, die eine nicht vollständig zum Wildtyp komplementäre Sequenz enthalten, den DNA-Abschnitt den man mutieren will. Mehrere Mismatches, die die Bildung einer Heteroduplex (bei 37 °C) gerade noch zulassen, verteilt man dabei etwa sechs Basen vom jeweiligen 3'-Ende entfernt. Anschließend muss man nur noch Oligos, die komplementär zu den Anker-Oligos sind, in das PCR-Gefäß pipettieren und schon kann man mit einer PCR den mutierten Strang selektiv amplifizieren, weil die Oligos nicht auf der Wildtyp-Sequenz hybridisieren.

Für die TAMS brauchen Sie zwar sehr viele Oligos (sechs für eine Mutation, zusätzliche Oligos für jede weitere), die Anker- und die dazugehörenden PCR-Oligos sowie das Oligo für die lineare PCR können Sie aber für verschiedene Mutagenesen auf derselben Ziel-DNA einsetzen. Sie müssen also nur die Mutagenese-Oligos jeweils neu bestellen.




Letzte Änderungen: 08.01.2007