Editorial

Ex-und-hopp-Plastik
Produktübersicht: Verbrauchsmaterial für die PCR

Verbrauchsmaterial für die PCR im Überblickpdficon

(10.05.2021) Bei den unzähligen PCRs, die täglich durchgeführt werden, fallen große Mengen Plastikmüll an. Ein Teil davon ließe sich recht einfach einsparen.

Seit Beginn des Plastikzeitalters in den Fünfzigerjahren hat die Menschheit etwa acht Milliarden Tonnen Plastik produziert – gut die Hälfte davon allein seit Beginn des neuen Jahrtausends. Die Jahresproduktion ist inzwischen von zwei (1950) auf 350 Millionen Tonnen (2015) gestiegen. Hält dieser Trend ungebrochen an, landen bis 2050 etwa zwölf Milliarden Tonnen Plastikmüll auf Deponien – oder noch schlimmer – direkt in der Umwelt (Sci. Adv. 3: e1700782).

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Am Lab Waste Day (siehe auch www.laborjournal.de/editorials/1889.php) sammelten viele Biowissenschaftler den Plastikmüll eines Labortags und rechneten ihn auf das ganze Jahr hoch. Bei einigen kam ordentlich was zusammen. Foto: Pawel Grzechnik

Eine nicht unerhebliche Menge dieses riesigen Plastikmüllbergs fällt in den circa 20.500 biowissenschaftlichen Laboren an. Genaue Datenerhebungen gibt es hierzu zwar nicht. Der Meeresbiologe Mauricio Urbina versuchte jedoch, den weltweiten Verbrauch anhand des Plastikmülls einzuschätzen, den seine 280 Kollegen an der Universität Exeter in einem Jahr (2014) hinterließen. Das Abfallmanagement der Universität musste in diesem Zeitraum etwa 267 Tonnen Plastikmüll aus den biowissenschaftlichen Laboren entsorgen – das entspricht fast sechs Millionen leerer Zwei-Liter-Plastikflaschen. Hochgerechnet auf 20.500 Labore wären dies über den Daumen gepeilt 5,5 Millionen Tonnen Plastikmüll, die jährlich in der biowissenschaftlichen Forschung anfallen (Nature 528, 479). Das ist eine ganze Menge.

Ein großer Batzen des Plastikmülls aus Laboren macht Verbrauchsmaterial für die PCR, aus – dazu gehören insbesondere Pipettenspitzen, PCR-Tubes und Tube-Streifen, PCR-Platten sowie Versiegelungsfolien.

Eine kleine Vorstellung davon, wie viel PCR-Plastikmaterial in Laboren verbraucht wird, vermittelt eine Studie der Biologin Paulina Bahamonde, die an der Universidad de Playa Ancha in Valparaíso, Chile, die Auswirkung von Umweltgiften auf marine Ökosysteme untersucht. Ihr Team versuchte die Plastikmenge abzuschätzen, die allein für RT-PCR-Tests auf SARS-CoV-2 in Diagnostik-Laboren von März bis August 2020 anfiel (Sci. Total Environ. 760: 144167).

Dazu wogen die Chilenen sämtliche Plastikgefäße, die für die Extraktion der RNA und die anschließende RT-PCR benötigt werden, und berechneten daraus das Gewicht des pro Einzel-Test verwendeten Plastikmaterials. Heraus kamen 37,27 Gramm Kunststoff, der größte Teil (33,54 Gramm) davon Polypropylen, gefolgt von etwas Polyester (3,06 Gramm) und geringen Mengen Polyethylen (0,66 Gramm). Bei den Abermillionen Corona-Tests, die weltweit durchgeführt werden, summierten sich die wenigen Gramm Plastik pro Test bis August 2020 auf mehr als 15.000 Tonnen. Den Löwenanteil von fast 10.000 Tonnen verbrauchte Asien, jeweils deutlich mehr als 2.000 Tonnen ging auf das Konto von Europa und den USA.

Rechnet man hierzu noch die unzähligen PCRs in Forschungslaboren hinzu, kann man sich leicht vorstellen, was für ein riesiger Müllberg Tag für Tag allein durch PCR-Verbrauchsmaterialien entsteht.

Aber wie lässt sich der viele Plastikmüll bei der PCR vermeiden? Da sich mit der PCR auch winzigste DNA-Spuren amplifizieren lassen, müssen die verwendeten Spitzen und Reaktionsgefäße absolut frei von Nukleinsäuren sein. Hinzu kommt, dass viele Polymerasen ausgesprochene Mimosen sind, die sehr empfindlich auf Verunreinigungen reagieren, insbesondere Metallionen. Spitzen und Tubes für die PCR werden deshalb aus besonders reinem Polypropylen gefertigt, das zudem sehr inert ist und auch nicht dazu neigt, einzelne Komponenten des PCR-Ansatzes auf der Oberfläche zu adsorbieren.

Nur kosmetische Maßnahmen

Bisher hat es kein Hersteller geschafft, diese für die PCR unverzichtbaren Eigenschaften mit recyceltem Polypropylen oder einem biologisch abbaubaren Polymer hinzubekommen. So beschränken sie sich im Wesentlichen auf kosmetische Maßnahmen zur Reduktion des Plastikabfalls – etwa mit der Produktion besonders dünnwandiger Spitzen und PCR-Tubes, Spitzenboxen aus Karton statt Kunststoff sowie recycelbarem Verpackungsmaterial.

Aber auch die Biowissenschaftler selbst können einen Beitrag zur Vermeidung von Plastikmaterial bei der PCR leisten. Dazu müssten sie die PCR jedoch etwas entspannter angehen und die ständige Angst vor Kontaminationen ablegen. Dass diese zumindest teilweise übertrieben ist, zeigt eine Studie des iranischen Mikrobiologen Pourya Gholizadeh von der Tabriz University of Medical Sciences (J. Res. Med. Dent. Sci. 7 (2): 210-13). Nicht nur im Iran, sondern auch in vielen anderen Ländern, in denen das Geld für die Forschung knapp ist, sind Pipettenspitzen und PCR-Tubes viel zu kostbar, um sie ständig nach nur einmaligem Gebrauch wegzuwerfen.

Gholizadeh fragte sich deshalb, ob man sie nicht einfach waschen und mehrfach für die PCR verwenden kann. Dazu machte das Team zwei simple Versuche. Zunächst amplifizierten die iranischen Forscher drei Gene von Klebsiella pneumoniae mit der PCR. Anschließend verdünnten sie die drei PCR-Produkte jeweils einfach, zweifach und zehnfach mit destilliertem Wasser. Danach trugen sie die Proben auf Agarose-Gele auf, die entweder einen sogenannten Safe-Stain enthielten oder Ethidiumbromid. Für jedes verdünnte PCR-Produkt sah die Gruppe zwei Probentaschen vor: In die erste pipettierte sie das jeweilige PCR-Produkt. Die benutzte Pipettenspitze wuschen die Forscher, indem sie dreimal fünf Mikroliter Wasser aufzogen. Das Waschwasser pipettierten sie schließlich in die zweite Probentasche.

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Pipettenspitzen landen meist nach einmaligem Gebrauch im Plastikmüll. Dabei kann man sie nach einer gründlichen Reinigung selbst für die PCR wiederverwenden. Foto: Embrapa

Ausreichend sauber

Den Angaben der Iraner zufolge waren in dem Safe-Stain-Gel nur bei den unverdünnten Proben Banden zu sehen. In der zweiten Tasche, die jeweils mit dem Waschwasser der benutzten Spitze befüllt wurde, war weder eine Bande noch ein Schmier zu erkennen. Die Ethidiumbromid Färbung war etwas sensitiver. Hier traten auch bei den zweifach verdünnten Proben Banden auf. In den Probentaschen mit dem Waschwasser der benutzten Spitzen war aber auch hier nichts zu sehen.

In ihrem zweiten Experiment untersuchte die Gruppe, wie sauber benutzte PCR-Tubes sind, wenn sie mit Wasser oder Natriumhypochlorit gereinigt werden. Dazu wuschen sie Tubes, die PCR-Ansätze aus der ersten Versuchsreihe enthalten hatten, mit 300 Mikrolitern Wasser oder einer sechsprozentigen Natriumhypochlorit-Lösung. Anschließend füllten sie den gleichen PCR-Ansatz wie beim ersten Versuch in die Gefäße, der jedoch kein DNA-Template enthielt, und führten eine PCR durch. In den mit Wasser gereinigten PCR-Tubes traten noch immer PCR-Produkte auf, in den mit Natriumhypochlorit gewaschenen jedoch nicht.

Die Studie aus dem Iran ist zwar mit einiger Vorsicht zu genießen – die Gruppe zeigt zum Beispiel keine Bilder der Gel-Banden. Bei einfachen Routine-PCRs könnte das Waschen von Spitzen aber durchaus einen Versuch wert sein, um den Plastikmüll im Labor zu verringern.

Zumal es inzwischen auch professionelle Waschgeräte für Pipettenspitzen gibt. Bei dem derzeitigen durch die Corona-Pandemie ausgelösten Lieferengpass bei Pipettenspitzen müssten die Dinger eigentlich der absolute Renner sein. Mit Spitzenwaschern kann man sowohl Spitzen für manuelle Pipetten als auch für Automaten reinigen und sterilisieren, um sie erneut einzusetzen. Hochdurchsatz-Varianten schaffen bis zu 24 Spitzen-Racks in der Stunde, kleine Tischgeräte bis zu acht. Der Hersteller verrät zwar keine genauen Details zum Innenleben der Spitzenspülmaschinen und der exakten Waschprozedur. Die Spitzen werden aber offensichtlich während des achtminütigen Waschzyklus in eine spezielle Waschlösung getaucht, mit Hochdruck durchgespült und zusätzlich mit Ultraschall behandelt. Um den Reinigungseffekt zu steigern, bewegen sie sich dabei rasch auf und ab. Die Sterilisation der Spitzen übernehmen UV-Lampen, die sowohl die Innenwand der Spitzen bestrahlen als auch die äußere Oberfläche. Anschließend werden die Spitzen getrocknet. Hierzu werden sie zunächst auf und ab bewegt, um größere Tropfen zu entfernen, und dann mit einem Warmluftgebläse trockengeföhnt. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann sie danach nochmals mit einer UV-Lampe sterilisieren.

Gleiche Ergebnisse

Mit verschiedenen Validierungs-Studien – etwa zur Anwendung gewaschener Spitzen für Corona-Tests, ELISAs, bei der Massenspektrometrie, zur Herstellung von siRNA-Bibliotheken oder für die PCR – versucht der Hersteller der Spitzenwascher mögliche Bedenken auszuräumen. Zumindest auf dem Papier sieht die Sache ganz gut aus. Die Ergebnisse, die in den Experimenten mit gewaschenen oder neuen Spitzen erzielt wurden, unterscheiden sich praktisch nicht. Einziger Wermutstropfen: Die Spitzenreiniger eignen sich nicht für die besonders raren Filterspitzen. Wer diese aber nicht unbedingt benötigt, kann mit den Spitzenspülmaschinen nicht nur den Plastikmüll reduzieren, sondern auch die Lieferschwierigkeiten bei Pipettenspitzen umschiffen.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 5/2021, Stand: April 2021, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 10.05.2021