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Produktübersicht: Mini- und Mikrozentrifugen

Mini- und Mikrozentrifugen im Überblickpdficon

(13.09.2021) Minizentrifugen sind in molekularbiologischen Laboren unentbehrlich. Mit etwas Geschick kann man labortaugliche Modelle auch selbst zusammenbasteln – und im Extremfall ersetzt ein rotierender Tropfen die Zentrifuge.

Mini- beziehungsweise Mikrozentrifugen sind zwar die kleinsten und leichtesten Zentrifugen – gemessen an ihrer Zahl und Beliebtheit sind sie aber die eindeutigen Stars unter den Laborzentrifugen. Während so manche wuchtige Standzentrifuge im dunklen Zentrifugenkeller Patina ansetzt und sehnsüchtig auf Forscher wartet, die sich hin und wieder zu ihr verirren, herrscht an Mini- oder Mikrozentrifugen meist Hochbetrieb.

Unzählige Assays und Routineprotokolle, die mit 1,5- oder 2-Milliliter-Reaktionsgefäßen durchgeführt werden, erfordern zumeist kurze Zentrifugationsschritte mit nicht allzu hohen relativen Zentrifugalbeschleunigungen (RCF). Dafür reichen die Zwerge unter den Tischzentrifugen völlig aus. Schon die absoluten Winzlinge erreichen etwa 6.000 Umdrehungen pro Minute (RPM) oder 2.000 x g, die breite Mittelklasse liegt meist bei 15.000 RPM oder 16.000 x g. Etwas größere Topmodelle, die beinahe schon eine Gewichtsklasse höher bei den Allzweck-Tischzentrifugen mitspielen könnten, schaffen auch schon mal 18.000 RPM beziehungsweise etwas mehr als 30.000 x g.

Die Rotoren der größeren Modelle enthalten 12, 24, 48 oder in Einzelfällen auch 60 Steckplätze für übliche Eppendorf-Tubes und sind meist aus Aluminium gefertigt. Angetrieben werden sie in der Regel von modernen bürstenlosen Motoren. Bei den kleinsten Minizentrifugen muss man dagegen teilweise mit Plastikrotoren vorliebnehmen in denen oft nicht mehr als sechs Reaktionsgefäße Platz finden. Dafür sind sie so kompakt und federleicht, dass man sie in die Hosentasche stecken kann, um sie zum Beispiel für einen Feldversuch außerhalb des Labors einzusetzen. Exakt ausgewuchtete und rund laufende Antriebseinheiten sorgen beim Gros der Minizentrifugen für einen erfreulich niedrigen Geräuschpegel von knapp unter bis etwas über fünfzig Dezibel. Das ist nicht viel lauter als ein normales Gespräch und geht im Hintergrund-Gebrabbel des Labors praktisch unter.

Einfach gestrickte Westentaschen-Zentrifugen gibt es bereits ab hundert Euro, für größere Minizentrifugen mit etwas mehr Schmackes und zusätzlichen Rotor-Optionen muss man aber schon ein paar Scheine mehr hinblättern.

Nur wenige Euro kostet hingegen meist das benötigte Material für einfache aber zweckmäßige Do-it-yourself-Zentrifugen. Es gibt wohl kaum ein anderes Laborgerät, für das mehr Bastelanleitungen existieren als für die Zentrifuge. Viele davon dürften sich inzwischen herumgesprochen haben, es tauchen aber immer wieder auch interessante neue Konstruktionen auf.

Zentrifuge aus DVD-Laufwerk

Ein schönes Beispiel hierfür ist die sogenannte SeparateDuino-Zentrifuge, die der Iraner Mohammad Sadegh-cheri von der Graduate University of Advanced Technology in Kerman, zusammenschraubte (J. Chem. Educ. 97: 2338-41).

Als Antrieb für die SeparateDuino nutzte Sadegh-cheri ein Bauteil, das in der Rumpelkammer vieler Labore noch in rauen Mengen zu finden sein dürfte – das DVD-Laufwerk eines alten ausgeschlachteten PCs.

Für die Steuerung des Laufwerkmotors benötigte er nur wenige zusätzliche Teile, die er sich in einem einschlägigen Online-Shop oder bei eBay besorgte – etwa einen Arduino Microcontroller für die Steuerung sowie einen Hall-Sensor und einen Magneten für die Drehzahlregelung. Zusammen mit ein paar weiteren Kleinteilen zum Beispiel einem 12-Volt-Netzteil, Kabeln, einem Display und einer Platine kostete ihn das Ganze kaum mehr als zwanzig Euro.

Der Anschluss und die Verkabelung der Teile an den Laufwerkmotor sollte für Elektronikbastler kein Problem sein, zumal dies in den Supporting Informations des Papers sehr anschaulich dargestellt ist. Auch die Herstellung passender Rotoren mit zwei Steckplätzen für Eppendorf-Tubes ist kein Hexenwerk und wäre ein schöner Job für die Lehrlinge in der Institutswerkstatt. Sadegh-cheri schnitt die Rotoren (Festwinkel-, Horizontal- sowie Vertikalrotor) mit einem Laser-Cutter aus einer Plexiglasplatte heraus. Man könnte sie aber genauso gut mit einem 3D-Drucker fertigen oder aus einer Plastikplatte herausfräsen. Wie die mechanischen Teile des SeparateDuinos zusammengeschraubt werden und wie der Rotor auf der Welle des Laufwerkmotors fixiert wird, ist ebenfalls in den Supplements des Papers illustriert.

Mithilfe der Motorsteuerung lässt sich die Umdrehungszahl der hausgemachten iranischen Zentrifuge zwischen 1.000 und 10.000 RPM einstellen. Bei vollem Speed erreicht sie mit Festwinkel- und Horizontalrotor etwas mehr als 6.000 x g, mit dem Vertikalrotor knapp 4.500 x g.

Sehr einfallsreich ist die Schutz-Abdeckung des Rotors. Man stülpt dazu einfach die Plastikhülle einer DVD-Spindelbox über den Rotor und hakt sie in die Halterungen der ehemaligen Bodenplatte der Box ein, die mit zwei Schrauben am Blechgehäuse des DVD-Laufwerks befestigt ist. Damit sich die Antriebswelle im Zentrum der Bodenplatte ungestört drehen kann, muss man diese vor der Montage nur entsprechend weit aufbohren.

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Wer schafft mit der 3D-Fuge die höchste Drehzahl? Ihre Erfinder Gaurav Byagathvalli (l.) und M. Saad Bhamla bringen die von einem Kinderspielzeug abgeschaute Zentrifuge auf Touren. Foto: Rob Felt, Georgia Tech

Direkt aus dem 3D-Drucker kommt eine Minizentrifuge, die sich M. Saad Bhamlas Gruppe vom Georgia Institute of Technology, Atlanta, USA, ausdachte (PLoS Biol. 17(5): e3000251). Ihre 3D-Fuge ist im Grunde eine Plastikvariante der Paperfuge, die es vor vier Jahren bis in Nature Biomedial Engineering schaffte – und ebenfalls von Bhamla initiiert wurde, als er noch Postdoc in Manu Prakashs Team an der Stanford University war (Nat. Biomed. Eng. 1: 0009).

Das Antriebsprinzip von Paperfuge und 3D-Fuge hat sich Bhamla von der Sturmscheibe abgeschaut – einem Kinderspielzeug, bei dem eine dünne durchlöcherte Holzscheibe von zwei verdrillten Schnüren angetrieben wird. Die Schnüre werden durch zwei dünne Bohrungen im Zentrum der Scheibe geführt und sind an den Enden jeweils in der Mitte eines kurzen Holzstabs verknotet. Um die Sturmscheibe in Gang zu setzen, verdreht man die Scheibe zunächst, bis sich die beiden Schnüre komplett verdrillt haben und hierdurch etwas kürzer geworden sind. Anschließend zieht man die verdrillten Schnüre mithilfe der Holzstäbe möglichst schnell auseinander und versetzt die Scheibe damit in eine Drehbewegung. Wiederholt man das Verdrillen und anschließende Auseinanderziehen der Schnüre im passenden Rhythmus, wird die Scheibe immer weiter beschleunigt und dreht sich schließlich so schnell, dass sie ein heulendes Geräusch von sich gibt.

Die Rotor-Drehzahlen, die man mit diesem einfachen Prinzip erzielen kann, sind erstaunlich: Die aus dünnem Karton gefertigte Rotor-Scheibe der Paperfuge dreht sich mit bis zu 125.000 RPM und erreicht Zentrifugalbeschleunigungen von bis zu 30.000 x g.

An den Papier-Rotor kann man aber nur sehr kleine Gefäße anbringen, die nur wenige Mikroliter Flüssigkeit fassen. Bhamlas Mannschaft ersetzte die Papier-Scheibe deshalb durch einen mit dem 3D-Drucker hergestellten Rotor, dessen Design an eine Auto-Felge mit vier Speichen erinnert. Die Antriebsschnur wird durch zwei kleine Bohrungen in der Nabe der Felge eingefädelt, in den Speichen sind je nach Rotorausführung horizontale Steckplätze für kleine PCR-Tubes oder 2-Milliliter-Reaktionsgefäße untergebracht. Da die Plastik-Rotoren der 3D-Fuge nicht ganz so windschnittig und leicht sind wie der Papier-Rotor der Paperfuge, ist auch ihre maximale Drehzahl deutlich niedriger. Aber auch mit den Plastik-Rotoren sind 6.000 RPM möglich, die für Beschleunigungen von 1.370 x g mit PCR-Tubes und 2.070 x g mit 2-Milliliter-Gefäßen sorgen. Das reichte zum Beispiel für die Zentrifugationsschritte von DNA-Extraktions-Kits, mit denen die Gruppe in Feldstudien DNA für die Nanoporen-Sequenzierung gewann.

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Gegen die winzige, von akustischen Wellen angetriebene Tropfenzentrifuge sind selbst die kleinsten Minizentrifugen Riesen. Mit einer Kapillare werden Zellen abgesaugt, die im Zentrum des Tropfens rotieren. Illustration: Labor James Friend

Tropfenzentrifuge

Ein sehr ausgefallenes Konzept für eine winzige, mit akustischen Wellen angetriebene Nanozentrifuge, mit der man in kleinsten Tropfen Zellen trennen kann, stellte Anfang des Jahres das Team des Medizingeräte-Ingenieurs James Friend von der University of California in San Diego vor (Lab Chip 21: 904). Die Kalifornier platzierten den Flüssigkeitstropfen hierzu auf einer hauchdünnen piezoelektrischen Scheibe aus Lithiumniobat. Auf der Scheibe sind kleine, spiralförmig angeordnete Elektroden (Interdigitaltransducer) aufgebracht, die einen Ring um den Tropfen bilden. Über zwei Leitungsbahnen sind die Elektroden an eine Stromquelle angeschlossen.

Fließt ein Strom über die Elektroden des Interdigitaltransducers entsteht eine spiralförmige, stehende akustische Welle, die den Tropfen in eine rasend schnelle Rotation versetzt. Durch die Drehbewegung sammeln sich größere Partikel im Zentrum des Tropfens, während kleinere an dessen Peripherie unterwegs sind.

So weit waren bisher auch schon andere Gruppen gekommen, es gelang ihnen aber nicht, die separierten Partikel aus dem Tropfen zu isolieren, weil sich diese sofort wieder mischten, sobald die Forscher die akustische Welle abschalteten.

Friends Mannschaft löste dieses Problem mit einem simplen Trick. Mit einem Laserstrahl bohrten seine Mitarbeiter ein winziges Loch in die Lithiumniobat-Scheibe, um die größeren Partikel im Zentrum des Tropfens von unten mit einer feinen, an eine Spritze angeschlossenen Kapillare absaugen zu können. Die kleineren Objekte an der Peripherie des Tropfens griffen sie hingegen von oben ebenfalls mit einer Kapillare ab.

Obwohl Friends Nanozentrifuge noch im Konzeptstadium steckt, ist sie weit mehr als nur eine akademische Übung. Bei Experimenten mit Mausblut gelang es seiner Gruppe, schwerere rote Blutkörperchen aus dem Zentrum eines Blutstropfens und leichtere Thrombozyten aus dessen Peripherie zu isolieren –mit einer Reinheit von knapp 93 beziehungsweise 84 Prozent.

Dem Team schwebt vor, die Nanozentrifuge in Point-of-Care-Geräte zu integrieren, mit denen sich die Analyse von Blut erheblich vereinfachen ließe. Statt der aufwendigen und belastenden Entnahme von mehreren Millilitern Blut für übliche Blutuntersuchungen, würde mithilfe der Nanozentrifuge ein kleiner Piks und ein winziger Tropfen Blut für die Analyse genügen.

Mini- und Mikrozentrifugen im Überblick pdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 9/2021, Stand: August 2021, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 13.09.2021