Editorial

Erst fällt RNA, dann DNA
Produktübersicht: Plasmid-Präparations-Kits

Plasmid-Präparations-Kits im Überblickpdficon

(12.10.2021) Miniprep-Kits für die Reinigung von Plasmid-DNA sind sehr praktisch. Die klassische alkalische Plasmid-Extraktion ist aber um Welten billiger - und liefert mit einem kleinen Trick sogar wesentlich sauberere DNA.

Ob Stanley Cohen und seiner Technischen Assistentin Annie Chang klar war, was für eine Lawine sie losgetreten hatten, als sie Anfang der Siebzigerjahre in Cohens Labor an der Stanford School of Medicine den ersten Plasmid-basierten Klonierungs-Vektor (pSC101) konstruiert hatten? Das nach Cohens Initialen benannte Plasmid enthielt eine Schnittstelle für die Restriktionsendonuklease EcoRI, die Herbert Boyer von der University of California, San Francisco, kurz zuvor entdeckt hatte, sowie ein Tetracyclin-Resistenzgen. Cohen und Chang linearisierten pSC101 mit EcoRI und mischten es mit einem ebenfalls mit EcoRI geschnittenen Plasmid aus Staphylococcus aureus, das einen Penicillin-Marker beherbergte. Transformierten sie E.-coli-Zellen mit dem „hybriden“ Plasmid, zeigten sich diese resistent gegenüber Penicillin. Damit hatten sie bewiesen, dass sich rekombinante DNA mithilfe von Plasmiden von einer Spezies auf eine andere übertragen lässt.

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Kommerzielle Miniprep-Kits nutzen fast immer kleine Spin-Säulen mit Silika-Membranen für die Reinigung von Plasmid-DNA. Die traditionelle Alkoholfällung der Plasmid-DNA hat aber längst noch nicht ausgedient. Foto: IBG 102

Cohen und Chang taten sich schließlich mit Boyers Gruppe zusammen und klonierten kurz darauf DNA des Krallenfrosches Xenopus laevis in pSC101, die für ribosomale RNA codierte. Auch dieses rekombinante Plasmid, das eukaryotische und prokaryotische DNA enthielt, replizierte sich in E.-coli-Zellen und exprimierte darüber hinaus rRNA von Xenopus laevis. Blieb nur noch die Frage offen, ob man mithilfe von Plasmiden auch tatsächlich funktionale eukaryotische Proteine in E.-coli-Zellen herstellen konnte. Sie erledigte sich 1977, als Boyers Gruppe das Säugerprotein Somatostatin in E. coli exprimierte. Drei Jahre später erhielten Cohen und Boyer für pSC101 schließlich das erste Patent für einen Klonierungs-Vektor.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann nicht nur das Zeitalter der modernen Molekularbiologie, sondern auch der Siegeszug von Plasmiden als einfach zu handhabende Vektoren für die Klonierung und Expression rekombinanter Proteine.

Beschleunigt wurde dieser Durchmarsch nicht zuletzt auch mithilfe eines genauso simplen wie effektiven Protokolls zur Isolierung von Plasmiden aus Bakterien, das der kanadische Molekularbiologe Hyman Chaim Birnboim 1979 während eines Sabbaticals an der Universität Paris mit seiner damaligen Kollegin Janine Doly entwickelte. Birnboims und Dolys alkalische Plasmid-Extraktion beziehungsweise alkalische Lyse wurde über all die Jahre nur minimal modifiziert und viele Forscher setzen sie noch immer für die Isolierung von Plasmid-DNA ein – trotz der zahllosen kommerziellen Plasmid-Präparations-Kits, die seit Ende der Achtzigerjahre auf dem Markt sind.

Idiotensicherer Ablauf

Zum großen Erfolg der Methode hat sicher auch das narrensichere Protokoll von Birnboim und Doly beigetragen, die so clever waren, die benötigten Reagenzien-Lösungen für die drei Extraktionsschritte einfach Lösung I (2 mg/ml Lysozym, 50 mM Glukose, 10 mM CDTA, 25 mM Tris-HCl, pH 8.0),II (0.2 N NaOH, 1% Natriumdodecylsulfat) und III (3 M Natriumacetat, pH 4,8) zu nennen.

Lösung I überführt die Bakterienzellen in Sphäroplasten ohne Zellwand. Lösung II löst die Sphäroplasten auf und erhöht den pH-Wert auf 12, bei dem Proteine sowie chromosomale und lineare DNA denaturieren – nicht aber ringförmige, superspiralisierte (ccc) Plasmid-DNA. Lösung III neutralisiert den Extrakt schließlich blitzartig und verhindert die Renaturierung von Proteinen und chromosomaler DNA, während die Plasmid-DNA gelöst bleibt und sich durch Zentrifugation von den restlichen Zellbestandteilen trennen lässt.

Die ursprüngliche Zusammensetzung der drei Lösungen war schon nahezu perfekt und es gab wenig Grund sie entscheidend zu ändern. In den modernen Varianten enthält Lösung I jedoch kein CDTA, sondern EDTA und auf Lysozyme verzichtet man. Stattdessen wird sie in der Regel mit einer Ribonuklease (RNase) ergänzt, die unerwünschte RNA zerstückelt. Zudem wurde Natriumacetat in Lösung III durch Kaliumacetat ersetzt – Kaliumionen bilden mit SDS ein sehr schlecht lösliches Salz, das auch Proteine und chromosomale DNA mit sich reißt und zum Ausfallen bringt.

Auch die meisten kommerziellen Plasmid-Präparations-Kits folgen in den ersten Schritten mehr oder weniger dem Protokoll der alkalischen Lyse – erst nach der Neutralisierung durch Lösung III unterscheiden sie sich grundlegend vom traditionellen Verfahren: Die Plasmid-DNA in Lösung III wird nicht wie bei Birnboim und Doly mit Alkohol gefällt, sondern in kleinen Spin-Säulen an Silika- oder Glasfasermatrizen gebunden und nach einigen Waschschritten mit einem entsprechenden Puffer wieder von diesen eluiert.

Die Zugabe von RNase in Lösung I ist zwar sehr bequem, das extrem robuste Enzym kann aber auch zu einem Bumerang werden, den man im weiteren Verlauf der Plasmid-Aufreinigung nicht mehr los wird. RNase übersteht nicht umsonst die ziemlich heftigen Bedingungen während der alkalischen Lyse ohne Blessuren. Probleme durch RNase lassen sich am einfachsten vermeiden, wenn man sie bei der alkalischen Lyse von vorneherein weglässt. Aber wie verhindert man dann in der isolierten Plasmid-DNA Verunreinigungen durch RNA?

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Chaim Birnboims Protokoll der alkalischen Extraktion von Plasmid-DNA trug zum raschen Erfolg der rekombinanten DNA-Technologie bei. Foto: La Cité

Einen simplen Trick, mit dem man RNA auch ohne RNase während der Plasmid-Präparation eliminiert, haben sich Viiu Paalme und Mart Speek von der Tallinn University of Technology in Estland ausgedacht (Biotechniques, doi: 10.2144/btn-2021-0018). Dazu modifizierten die Esten zunächst die Lösungen I bis III der alkalischen Lyse: Ihre Lösung I enthält keine Glukose, in Lösung II ist die NaOH-Konzentration auf 0,1 N reduziert und der pH-Wert von Lösung III ist etwas erhöht (pH 5,5 statt pH 4,8).

Haarscharfe Volumen-Grenze

Der eigentliche Kniff der beiden ist jedoch die fraktionierte Isopropanol-Fällung (FPI) der nach der Zentrifugation in Lösung III im Überstand enthaltenen Plasmid-DNA. Paalme und Speek ermittelten in Vorversuchen zunächst den exakten Volumenanteil Isopropanol, bei dem nur RNA in der Lösung ausfällt. Das war bei etwa 0,33 Volumina Isopropanol der Fall. Erhöhten die Esten das Isopropanol-Volumen nur einen kleinen Tick auf circa 0,36 Anteile, präzipitierte auch die Plasmid-DNA.

Diese Erkenntnisse setzten sie schließlich in ein simples FPI-Protokoll zur Isolierung von Plasmid-DNA um. Für dieses gibt man 875 Mikroliter des Überstandes in ein 1,5-Milliliter-Tube, das 290 Mikroliter Isopropanol enthält, mischt die Lösung sofort auf dem Vortexer und zentrifugiert sie. Anschließend hebt man vorsichtig 1.150 Mikroliter des Überstandes von dem Pellet mit der präzipitierten RNA ab und pipettiert sie in ein frisches Tube, in das dreißig Mikroliter Isopropanol vorgelegt sind. Die Mischung inkubiert man zwei, drei Minuten bei Raumtemperatur und pelletiert die ausgefallene Plasmid-DNA schließlich mit einigen kurzen Runden in der Zentrifuge. Das weitere Vorgehen entspricht der üblichen Plasmid-Prep-Routine: Das Pellet wird mit 70-prozentigem Ethanol gewaschen, kurz an der Luft getrocknet und für die weitere Verwendung in sterilem Wasser gelöst.

Enttäuschende Kits

Ziemlich ernüchternd fällt der Vergleich der FPI-Plasmid-Präparation mit kommerziellen Miniprep-Kits aus – allerdings nicht für das FPI-Protokoll, sondern für die Kits. Paalme und Speek isolierten dazu zwei verschieden große Plasmide (3,5 kb und 5,8 kb) mit dem FPI-Protokoll sowie vier kommerziellen Miniprep-Kits führender Hersteller. Anschließend verglichen sie Ausbeute, Verhältnis der Absorption bei 260 und 280 Nanometern, den Anteil teilweise denaturierter Plasmid-DNA, RNAse-Kontaminationen sowie den Endotoxin-Gehalt. Zusätzlich schauten sie sich auch noch die Transfektions-Effizienz der Plasmid-Präparationen sowie die Zell-Viabilität der transfizierten Zellen an.

Bei Ausbeute sowie 260-zu-280-Ratio sahen die Kits noch ganz gut aus. Erstere war bei den meisten sogar etwas höher als mit dem FPI-Protokoll. Deutlich durchwachsener schnitten sie aber bei denaturierter Plasmid-DNA sowie RNAse-Rückständen ab. Die FPI-Präparation enthielt weder das eine noch das andere, in zwei Kits waren jedoch beide Verunreinigungen nachweisbar. Die estnischen Forscher vermuten, dass die abgebaute Plasmid-DNA von einer zu langen Inkubation in der alkalischen Lyse-Lösung bei Raumtemperatur herrühren könnte. Um dies beim FPI-Protokol zu vermeiden, reduzierten sie die NaOH-Konzentration in Lösung II auf 100 Millimolar. Die RNase-Rückstande dürften ihrer Meinung nach auf die recht hohen RNase-Konzentrationen zurückzuführen sein, die in einigen Miniprep-Kits eingesetzt werden.

Zu viel Endotoxin

Auch beim Endotoxin-Gehalt, der sich negativ auf die Transfektions-Effizienz sowie Lebensfähigkeit der transfizierten Zellen auswirken kann, enttäuschten die Kits: Mit dem FPI-Protokoll extrahierte Plasmid-DNA enthielt nur einige wenige Units pro Mikrogramm Endotoxin – nach der Isolierung mit kommerziellen Kits waren es hingegen bis zu 745. Entsprechend waren auch Transfektions-Effizienz und Zell-Viabilität beim FPI-Verfahren etwas besser. Besonders krass fiel der Unterschied erwartungsgemäß beim Preis pro Plasmid-DNA-Präparation aus. Mit dem FPI-Protokoll kostet eine Präparation läppische 0,17 Cent, mit dem teuersten Kit hingegen satte 2 Euro und 19 Cent.

Das FPI-Protokoll von Paalme und Speek wurde letzten August veröffentlicht. Nur wenige Tage später erschien ein sehr ähnliches Verfahren von Duarte Miguel F. Prazeres Gruppe an der Universität Lissabon (Methods Mol. Biol. 2197: 151-65).

Auch Prazeres Team verwendet das konventionelle alkalische Lyse-Protokoll bis zur Zugabe von Lösung III und der anschließenden Zentrifugation. Danach versetzen die Portugiesen den Überstand jedoch mit zwanzig Volumenprozenten Isopropanol, um die RNA zu fällen, kühlen die Mischung 15 Minuten bei vier Grad Celsius und zentrifugieren sie anschließend ab. Die im Überstand enthaltene Plasmid-DNA fällen sie mit siebzig Volumenprozenten Isopropanol, zentrifugieren wieder und arbeiten die präzipitierte Plasmid-DNA danach wie üblich auf.

Die differentielle Plasmid-DNA-Präzipitation aus dem äußersten Südwesten Europas scheint genauso gut zu funktionieren wie die analoge Methode aus dem weit entfernten Nordosten. Nach den Angaben der Lissaboner Gruppe ist die differentiell gefällte Plasmid-DNA dreimal reiner als Plasmid-DNA, die mit einer einmaligen Fällung gewonnen wird. Die Portugiesen haben ihre Plasmid-Präparations-Technik jedoch nicht mit kommerziellen Kits verglichen. Mit den zahllosen in der Tabelle auf den nächsten Seiten aufgelisteten Plasmid-Präparations-Kits lässt sich dies aber sehr einfach nachholen.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 10/2021, Stand: September 2021, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 12.10.2021