Editorial

Sammelsurium

Zitationsvergleich 2002 bis 2005: Anatomie
von Lara Winckler, Laborjournal 7/2008


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Anatomie

Die deutschsprachige Anatomie zerfasert in ein Ansammlung verschiedener Fachgebiete, in welchem kaum zwei Forscher das gleiche Thema bearbeiten. Lediglich die Neuroanatomen stellen mit gut der Hälfte der Top 50 eine größere Gruppe. Unter ihnen fällt vor allem die Frankfurter Klinische Neuroanatomie mit vielen Top-platzierten Anatomen ins Auge.

Die Anatomie befasst sich mit der strukturellen Organisation des menschlichen Körpers, der Funktion von Zellen, Geweben und Organen. So weit so gut. Was aber machen Anatomen? Reinhard V. Putz, seit 2003 Prorektor der LMU München, und gemeinsam mit Reinhard Pabst (26.) Herausgeber des Sobotta-Atlas der Anatomie des Menschen, fasst es in einem Interview mit DocCheck Köln so zusammen: "Wir möchten verstehen, welche Systematik in den einzelnen Strukturen steckt und wie ihre spezielle Form zustande kommt. Dabei fließen die Grenzen zwischen der Beschreibung der Struktur (Anatomie) und der Beschreibung der Funktion (Physiologie) und ihrer Entwicklung (Embryologie) in einander über."


Zerfaserte Forschung

Diese Erklärung deutet bereits an, dass die Anatomie kaum als eigenständige Disziplin betrachtet werden kann. Die reine Zergliederungskunde, als welche sie vor hunderten Jahren begann, ist inzwischen zu einem Sammelsurium zahlreicher Fachgebiete geworden.

Nicht nur Physiologen und Entwicklungsbiologen finden sich unter den 50 meistzitierten Anatomen der Jahre 2002 bis 2005, auch Herz-Kreislauf-Forscher wie der Kölner Wilhelm Bloch (18.) und Lungenforscher wie Michael Kasper (27.) von der Anatomie der TU Dresden sind mit dabei. Ebenso Verhaltens- und Gedächtnisforscher; zu ihnen gehören die Zürcher Hans-Peter Lipp (11.) und dessen Kollege David Wolfer (13.). Felix Eckstein (8.) von der Paracelsus Privatuniversität Salzburg, einer von zwei österreichischen Forschern im Vergleich, hat sich der Osteoarthritis verschrieben. Die Nierenanatomen Sebastian Bachmann (9.), Charité Berlin, und Johannes Loffing (19.), Uni Fribourg, forschen an renaler Blutdruckregulation.

Neben dieser zerfaserten Liste von nominellen Anatomen und einigen Morphologen, von denen jedoch kaum zwei Forscher ähnliche Themen bearbeiten, stehen die Neuro-anatomen, die den weitaus größten Anteil unter den deutschsprachigen Anatomen ausmachen. Gut die Hälfte, 26 der Top 50, sind Neurowissenschaftler, acht von ihnen belegen Top 10-Plätze.

Auch hier differieren die Forschungsschwerpunkte stark. Der Erstplatzierte Karl Zilles erforscht die Organisation der Hirnrinde von Mensch und anderen Primaten, genauso wie Joachim Lübke (39.) von der Zellulären Neurobiologie am Forschungszentrum Jülich, der bis 2002 an der Anatomie Freiburg arbeitete.

Das Team um die Frankfurter Thomas Deller (6.), Direktor der Neuroanatomie, und den Emeritus Heiko Braak (2.) - unter ihnen sind mit Udo Rüb (4.) und Kelly Del Tredici (7.) zwei weitere Top 10-Anatomen - hat den Fokus auf neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer. Von dieser Arbeitsgruppe stammen auch die beiden meistzitierten Artikel; insgesamt fünf der Top 10-Artikel behandeln neuroanatomische Fragestellungen.

Ebenfalls aus Frankfurt stammen zwei Neuroanatomen, deren Forschung an den äußeren Rändern des Gehirns ansetzt: Silke Haverkamp (33.) und Heinz Wässle (32.) vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung ergründen die synaptische Architektur der Zapfen-Endfüßchen in der Retina.

Der Marburger Eberhard Weihe (12.) hat die molekulare Schmerzforschung und Neuroendokrinologie im Blick. Rolf Mentlein (14.) von der Kieler Anatomie dagegen beschäftigt sich mit Proteasen und Peptiden, wie Wachstumsfaktoren und Zytokine, die von Glioblastomen produziert werden.

Langer Rede kurzer Sinn: Obwohl die Anatomie als Lehrfach weiterhin eine zentrale Rolle im Medizinstudium spielt, ist sie als Forschungsdisziplin für einen Zitationsvergleich nicht viel mehr als eine Auflistung an Anatomischen Instituten tätiger Wissenschaftler.


Starke Frankfurter Neuroanatomie

Zwei Anatomische Institute ragen besonders heraus: Die Klinische Neuronatomie an der Dr. Senckenbergschen Anatomie der Universität Frankfurt - Frankfurt entsendet zwei weitere Top 50-Forscher aus dem MPI für Hirnforschung und Horst-Werner Korf (30.), Direktor der Senckenbergschen Anatomie - und das Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Freiburg.

Im Gegensatz zu den Frankfurtern jedoch, die nur zwei Arbeitsgruppen angehören und größtenteils die gleichen Forschungsthemen haben, interessieren sich die Freiburger für unterschiedliche Fragen. Michael Frotscher (3.), Leiter der Freiburger Neuroanatomie, untersucht die neurale Migration und synaptische Plastizität in Hippocampus, Eckart Förster (25.) erforscht das Gedächtnis. Bodo Christ (36.) dagegen arbeitet an der embryonalen Muskelentwicklung.


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Letzte Änderungen: 23.07.2008