Editorial

Vorsicht bei Haufenbildungen

Was können Zitationsvergleiche ... nicht unbedingt?



Forschung wird immer globaler, und die Autorenlisten immer länger. Zunehmend führen internationale Forschernetzwerke - meist Konsortien genannt - große, Daten-intensive Projekte durch. Womit die Zitatezähler des Institute for Scientific Information (ISI), des Zentralorgans der Zitations-basierenden Scientrometrie, offenbar so ihre Schwierigkeiten haben.

Ein wenig Schuld haben aber auch die vielen Forscher Hinz oder Kunz, die einfach nicht von ihrer Gewohnheit ab können, dass Zitierungen immer mit Kollegennamen loszugehen haben.

Kommt dann ein Paper daher, wie das inzwischen berühmte 2001er Nature-Paper des internationalen Humangenomprojekts (HGP) mit dem Titel "Initial sequencing and analysis of the human genome", macht sich unweigerlich Verwirrung breit. Denn: Das Paper führt in der offiziellen Autorenliste schlichtweg den Namen des Konsortiums, erst auf der gegenüberliegenden Seite erscheint eine "partial list of authors" mit Eric Lander als "Erstautor".



Klar, was passieren musste: Die "Traditionalisten" unter den Zitierern nahmen das Paper mit "ES Lander et al." in ihre Referenzlisten, genauso viele aber zitierten es mit "International Human Genome Sequencing Consortium" - so wie es gemeint, und abgesehen davon auch fair war.

All dies wäre jedoch kein Drama, wenn das ISI es gemerkt hätte. Hatte es aber nicht! Stattdessen behandelte es beide Zitierformen fälschlicherweise als zwei unterschiedliche Veröffentlichungen - mit Konsequenzen. Denn als jüngst ausgerechnet das ISI selbst in seiner Zeitschrift Science Watch die zehn meistzitierten biologischen Paper des laufenden Jahres auflistete, fehlte das Humangenom-Paper.

Pikant am Rande: Das zeitgleich veröffentlichte Science-Paper "The Sequence of the Human Genome" der mit dem internationalen Konsortium wetteifernden Sequenzierfirma Celera Genomics erreichte in dieser "Hot Paper"-Liste unter der Zitierung "JC Venter et al. " Platz 2.

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Nature kam das komisch vor und fragte nach. Und tatsächlich: Das ISI musste sich entschuldigen - und nach Addition der Zitierungen für die beiden Artikel, die in Wahrheit einer waren, das Konsortium-Paper auf Platz eins nachtragen.

Dumm gelaufener Einzelfall? Mitnichten. Auch The Lancet prüfte nach - und fand zum Beispiel auffällig wenige Zitierungen für ein 1997er Hirnschlag-Paper mit der Autorenzeile "International Stroke Trial Collaboration Group". Genauer betrachtet ist dieser Fall sogar noch krasser: Erst in den "Acknowledgements" am Schluss des Papers ist aufgelistet, wer sich hinter der Collaboration Group verbirgt - knapp drei Seiten klein gedruckte Namen stehen da, geordnet nach Funktionen. Auf diese Weise geht das Ganze mit "IST study organization - writing committee" los, und das wiederum führt ein gewisser Peter Sandercock aus Edinburgh an.

Sie ahnen, was passiert ist: Weit über die Hälfte zitierten das Paper mit "P Sandercock et al.", statt unter dem Konsortium-Namen - und das ISI bekam wieder nicht mit, dass in beiden Fällen ein und dasselbe Paper gemeint war.

Die Software von ISI und deren Erbsenzähler machten hier ganz offensichtlich über längere Zeit systematische Fehler. Weshalb es sicher es noch weitere Geschichten mit ähnlichem Muster gibt. Die Moral für die Ermittlung der Zitierzahlen von Konsortiums-Papern dürfte daher klar sein: Vorsicht bei Haufenbildungen!




Letzte Änderungen: 08.09.2004