Editorial

Special Einzelzell-Genomik und -Proteomik

Präzisionsmedizin der Zukunft
von Miriam Colindres, Laborjournal 09/2018



Illustr.: iStock / DrAfter123

An der Universität Zürich liest Bernd Bodenmiller Tumorökosysteme „Pixel für Pixel“ aus.

„Bodenmiller-Lab“ steht für eine heterogene Mischung aus Biologen unterschiedlicher Fachrichtungen, Pathologen und Bioinformatikern, die mit Einzelzell-Proteomik sowie bioinformatischen und systembiologischen Methoden die translationale Biomedizin weiterbringen wollen. Kopf der Gruppe ist der Quantitative Biologe Bernd Bodenmiller. Das Arbeitspferd der Gruppe ist die recht junge Technologie der Massenzytometrie, welche Durchflusszytometrie und Massenspektrometrie vereint. Diese Methode wurde von der Bodenmiller-Gruppe für die Anwendung in der bildgebenden Einzelzell-Systembiologie weiterentwickelt und etabliert.

Bildgebung mit Metallen

Die Grundlagen für seine heutige Forschungsarbeit schuf Bodenmiller bereits während seiner Promotionszeit. Damals arbeitete er mit Proteinmassenspektrometrie und untersuchte die Signalverarbeitung in Zellpopulationen. Gegen Ende seiner Promotion dachte er sich: „Es wäre doch fantastisch, könnten wir Protein- und Signalnetzwerke in einzelnen Zellen messen.” Genau zu dieser Zeit hörte Bodenmiller auf einer Konferenz von einem neuen Einzelzell-Massen­spektrometer (CyTOF von Cytometry by Time of Flight). „Das wollte ich unbedingt machen”, erinnert sich Bodenmiller. Während seiner Postdoc-Zeit untersuchte er dann mit der Massenzytometrie, wie einzelne Zellen Informationen verarbeiten.

Wie in der Immunofluoreszenz kommen in der bildgebenden Massenzytometrie Antikörper zum Einsatz, die spezifisch Proteine und Phosphorylierungsstellen in einem Gewebeschnitt markieren können. Ein an den Antikörper gebundenes reines Metallisotop bildet den Reporter, der dabei hilft, Ort und Menge des Antikörpers zu bestimmen. „Einfach ausgedrückt: Im Vergleich zur Mikroskopie ersetzen wir Fluoreszenz mit Metallen”, veranschaulicht Bodenmiller. Jeder Antikörper ist spezifisch gegen ein Epitop gerichtet und trägt ein reines Metallisotop mit einer definierten Masse. Nach der Färbung des Gewebes mit den Antikörpern werden mit einem Laser-Ablationsgerät systematisch winzige Gewebestückchen mit ungefähr einem Mikrometer Durchmesser entfernt. Die dabei entstehenden Gewebepartikel werden anschließend in dem CyTOF-ICP (Inductively Coupled Plasma)-Massenspektrometer analysiert. Die Bestimmung der Metallisotopenmassen zeigt, welche Isotope in welcher Menge in dem Gewebestück vorkommen. Da die Isotope spezifisch an Antikörper gebunden waren, gelangt man auf diesem Weg an Informationen über die Verteilung und Menge von Proteinen und Phosphorylierungsstellen im Gewebe. „Mit einem Laserschuss generieren wir sozusagen einen Pixel des Gesamtbildes”, umschreibt Bodenmiller.

Mosaik des Tumors

Bodenmiller und seine Gruppe untersuchen mit Datenanalysemethoden und der Massenzytometrie Tumorökosysteme. Besonders interessant ist die Heterogenität der Tumor- und Immunzellen und wie sich die Zustände dieser Zellen gegenseitig bedingen. Die Massenzytometrie liefert quasi ein Mosaik­bild des Tumors, in welchem die verschiedenen Tumorzellen und die Immunzelltypen sowie deren Interaktionen abgebildet sind. Dank Computeralgorithmen und Modellierung kann man unterschiedlichste Zusammenhänge im Tumorökosystem konstruieren. „Wir möchten unter anderem verstehen, welche Zellen und Zell-Interaktionen mit klinischen Daten korrelieren”, sagt Bodenmiller. Klinisch relevante Fragestellungen sind zum Beispiel, welche Zustände oder Interaktionen der Tumor- und Immunzellen im Zusammenhang mit einem schweren Krankheitsverlauf stehen. Die Hoffnung ist, durch die Analyse der Tumor- und Immunzellnetzwerke eines Patienten vorhersagen zu können, ob eine Immuntherapie erfolgreich sein könnte oder nicht. „Wir sprechen hier von Präzisionsmedizin”, so Bodenmiller. „Zukünftig wird es hoffentlich möglich sein, das Gewebe so umfassend zu vermessen, dass man im Idealfall die molekularen Ursachen der Erkrankung erkennt und aufgrund dieses Wissens dem Patienten die passende Therapie gibt.“

Mit den von Bodenmiller und seinem Team entwickelten Methoden ist es nun gelungen, in Patientinnen mit Brustkrebs (auch für den aggressivsten Subtyp) Zellen und Zell-Interaktionen zu identifizieren, die mit einem kurzen oder längeren Überleben der Patientinnen assoziiert sind (Cell Systems 6(1): 25-36). Eine Gesamtbetrachtung der Brustkrebs-Ökosysteme identifizierte zudem Patientinnen, deren Tumore pathologisch als niedriggradig bösartig eingestuft waren, deren Ökosystem jedoch einem hochgradig bösartigen Tumor ähnelten, was auf einen aggressiven Verlauf hindeutete. Ob sich das tatsächlich im Verlauf der Krankheit widerspiegelt, wird jetzt in großen Kohorten validiert. „Wir sehen viele überraschende Resultate in Bezug auf die Stratifikation der Patienten, die bisher nicht ermittelt werden konnten“, meint Bodenmiller.

Nur die Spitze des Eisbergs

Für seine zukünftige Forschung fokussiert sich Bodenmiller auf drei Aspekte. Zum einen müsse noch viel Arbeit in die Weiterentwicklung der bildgebenden Verfahren und der darauffolgenden Datenanalyse für die Untersuchung von Geweben investiert werden. Denn man sei noch weit davon entfernt, alle wichtigen Aspekte des Gewebeökosystems zu kennen und messen zu können.

Zukünftig möchten die Biologen zeigen, dass Methoden wie die bildgebende Massenzytometrie für Patienten einen Vorteil bringen. Aktuell lassen die Arbeiten des Bodenmiller-Labs immerhin Bezüge zu klinischem Verhalten erkennen. Doch in klinischen Studien muss erst noch gezeigt werden, dass die generierten Daten für den Patienten direkt relevant sind.

Außerdem sei es wichtig zu erfahren, wie Zellen innerhalb des Gewebeökosystems zusammenarbeiten, um die Entwicklung eines Tumors voranzutreiben. In einer weiteren, noch nicht publizierten Kohortenstudie mit Nierenkrebspatienten haben Bodenmiller und sein Team einen neuen Makrophagen-Typ beschrieben, der in den Computermodellen eine statistische Beziehung zu sogenannten „verausgabten“ Immunzellen zeigt. Dabei handelt es sich um T-Zellen, deren Immunantwort abgeschaltet ist. Bodenmiller will herausfinden, ob und wie die Makrophagen mechanistisch dafür sorgen, dass die T-Zellen sich verausgaben. Interessanterweise konnte Bodenmiller in einer vergleichbaren, ebenfalls noch nicht publizierten Analyse in einer Brustkrebskohorte die gleichen Makrophagen wie bei Nierenkrebs finden. Das Computermodell zeigte auch hier eine starke Beziehung zu verausgabten T-Zellen.

So spannend diese Ergebnisse auch sein mögen, klinisch relevant sind sie erst, wenn der Patient davon profitieren kann. Dazu möchten Bodenmiller und sein Forscherteam auch in Zukunft ihren Teil beitragen.

Last Changed: 09.09.2018