Editorial

Seuchen im Gepäck

Juliet Merz, Laborjournal 03/2021


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Foto: Adobe Stock/creativenature.nl

(08.03.2021) SARS, Ebola und Co. haben gezeigt: Wenn Erreger die Artgrenzen überwinden und vom Tier auf den Menschen springen, wird’s gefährlich. Die Zoonosenforschung gewinnt deshalb an Bedeutung und nimmt Fahrt auf.

Eingepfercht kauern sie auf den verdreckten Metallstreben der engen Käfige, die sich mannshoch stapeln. Daneben auf dem Boden lagern vergilbte Kisten, mit Netzen umspannt. Es kreucht und fleucht darin. Die Geräuschkulisse ist ohrenbetäubend, über die Behälter gebeugt drängen sich Menschentrauben, um die lebendige Ware zu beäugen. Hier vereint sich, was in der Natur eigentlich nie aufeinandertreffen würde. In den Transportkisten winden sich Frösche, Schlangen und Krokodile, Musangs, Pangoline und Larvenroller. Sie sind teilweise so exotisch, dass unsereiner bei den Namen kaum erahnen kann, welches Tier sich dahinter verbirgt.

Wildtiermärkte in Asien, Afrika und anderen Teilen der Erde stehen schon lange in der Kritik. Der SARS-CoV-2-Ausbruch – so zumindest die weitläufige Vermutung – hat gezeigt, warum. Ob die Pandemie ihren Ursprung wirklich auf einem Wildtiermarkt in der chinesischen Stadt Wuhan hat und dort vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist, klärt zum Erscheinungstermin dieser Ausgabe noch immer ein Team der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Nichtsdestotrotz sind Wildtiermärkte problematisch: Die Zustände für die (illegal) gehandelten Tiere sind teilweise qualvoll, und weil sie häufig im noch lebenden Zustand verkauft werden, entsteht eine ideale Brutstätte für Keime allerart, die sich mit dem Speichel, Kot und Urin der ohnehin gestressten Tiere verbreiten. Die Gefahr eines Spillovers (dem Sprung eines Erregers über die Artgrenze hinweg) ist an Orten wie diesen potenziell besonders hoch. China hat mittlerweile auf die kritischen Stimmen reagiert und den illegalen Handel sowie den Konsum von Wildtieren verboten. Ob die Maßnahme von Dauer ist, wird sich zeigen. Bereits 2003 hatte China während des ersten SARS-Ausbruchs den Wildtierhandel unter Strafe gestellt, das Verbot hielt nicht lange.

Den Mensch als Wirt erobern

In den vergangenen Jahren scheinen sich Erkrankungen zu häufen, die von Erregern ausgehen, die gleichzeitig Tiere und Menschen infizieren – sogenannte Zoonosen. Bereits 2008 zeigte ein US-amerikanisch-britisches Forscherteam um den Zoologen Peter Daszak in einer Nature-Studie, dass knapp zwei Drittel aller neu auftretenden Infektionskrankheiten Zoonosen sind, die meisten davon stammen aus Wildtieren (451: 990-3).

Die Liste von Zoonosen ist lang, unter den krankheitsauslösenden Erregern tummeln sich Viren, Bakterien, Pilze und Prionen, aber auch Parasiten, etwa Würmer. Aktuell halten besonders fünf Seuchen die Menschheit in Atem: COVID-19, humane Influenza, Geflügelpest, Afrikanische Schweinepest und West-Nil-Fieber – allesamt virale Erreger. Während SARS-CoV-2 und das West-Nil-Virus den Mensch als Wirt bereits erobert haben, bergen das aviäre Influenzavirus und das Afrikanische Schweinepest-Virus (ASF-Virus) besonders für die entsprechenden Tiergruppen ein Risiko. Besorgniserregend hingegen sind die humanen Influenza-Viren, die in europäischen Schweinebeständen nachgewiesen wurden und im Verdacht stehen, die nächste Pandemie auslösen zu können. Aber dazu später mehr.

„Zoonosen hat es wahrscheinlich schon immer gegeben“, vermutet der Virologe Stephan Ludwig von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er weiß, warum sich in den vergangenen Jahrzehnten so viele neue Zoonoseerreger ausbreiten konnten: „Durch den stetigen Anstieg der Weltbevölkerung kommen Menschen sehr viel häufiger mit Wildtieren in Kontakt und können sich infizieren. Das sind zum einen Lebendtiermärkte in Asien, wo auf engstem Raum Mensch und Tier zusammenkommen. Zudem ist die Bevölkerungsdichte dort generell sehr hoch – ein Spillover kann sich also schneller zu einer Pandemie entwickeln, so wie wir es bei SARS-CoV-2 miterlebt haben.“ Der Mensch dringe aber auch vermehrt in den Lebensraum von Tieren ein, so der Virologe und nennt ein Beispiel: „In den vergangenen Jahren sind Menschen in Afrika immer wieder am Ebolavirus erkrankt. Der Grund: Die Jäger wagen sich immer tiefer in den Dschungel hinein, infizieren sich und tragen den Erreger dann in ihre Dörfer.“

Geschwächtes Immunsystem

Einen weiteren Faktor untersuchte eine Gruppe von Virologen und Ökologen um Simone Sommer von der Universität Ulm. Sie zeigte, dass anthropogene Umweltveränderungen wie Waldrodung, Straßen- und Siedlungsbau die heimischen Tierarten stark unter Druck setzen und sie sich deshalb weniger gut fortpflanzen können (Oecologia 188(1): 289-302; Heredity 125: 184-99). Daraus resultierend verschlechtert sich das Immunsystem, sie sind anfälliger für Krankheitserreger. Auch Stress, wie ihn Tiere auf Märkten sowie Farmen, bei Jagden oder Fängen erleben, schwächt ihre Immunabwehr weiter.

Wer Pandemien verhindern will, müsse ursprüngliche Ökosysteme wie den Regenwald erhalten, plädiert deshalb die Virologin ­Sandra Junglen von der Berliner Charité in einem Interview mit der Zeit (8.2.2021). „In intakten Regenwäldern gibt es zwar mehr verschiedene Viren als in den angrenzenden, geschädigten Ökosystemen, aber die einzelnen Arten kommen deutlich weniger vor.“ Junglen und ihre Kollegen hatten in Westafrika die Virenprofile von tausenden Mückenweibchen ermittelt (bioRxiv, doi: 10.1101/2021.02.04.429754). Das Fazit der Autoren: Ein Verlust der Artenvielfalt begünstigt neuartige Infektionserkrankungen.

Für bakterielle Zoonosen spielt außerdem der breitgefächerte Einsatz von Antibiotika eine entscheidende Rolle, denn er fördert die Entwicklung von Resistenzen. Glücklicherweise sinkt die Abgabe antibakterieller Medikamente in der Tiermedizin seit 2011 stetig, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtet.

Ludwig ergänzt: „Es gibt noch weitere Faktoren, welche die Entstehung beziehungsweise Etablierung von Zoonosen beeinflussen – etwa der Klimawandel oder die globale Mobilität. Wäre der SARS-CoV-2-Ausbruch in Wuhan vor zweihundert Jahren passiert, wäre es vielleicht gar nicht zu einer Pandemie gekommen, sondern das Virus hätte sich eher lokal begrenzt ausgebreitet.“

Die Zoonosenforschung gewinnt nicht erst seit der SARS-CoV-2-Pandemie an Bedeutung. Bereits 2009 bewilligte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einen Förderantrag zum Aufbau einer Plattform für Zoonosenforschung, der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen, die Ludwig als Standortleiter in Münster gemeinsam mit Martin Groschup vom Friedrich-Löffler-Institut (FLI) Greifswald/Insel Riems sowie Christian Drosten von der Berliner Charité koordiniert. „Die Idee für die Zoonosenplattform ist im Lichte der Vogelgrippe-Ausbrüche Anfang der 2000er-Jahre entstanden“, erinnert sich Ludwig. „Es ist damals aufgefallen, dass es Lücken zwischen den Fachdisziplinen gibt und diese nicht gut miteinander verknüpft waren. In Asien war der Erreger bereits auf den Menschen gesprungen, was die Angelegenheit in die Hände der Humanmediziner legte. Hier in Deutschland zirkulierte das Virus bislang nur in Tieren und fiel somit in die Verantwortung der Veterinäre. Hier wurden Abstimmungsprobleme evident, und man kam zu der Einsicht, dass es eigentlich keine Grenze zwischen Human- und Tiermedizin geben darf, ganz im Sinne des One-Health-Gedankens.“

Seitdem hat sich die deutsche Zoonosenforschungsgemeinschaft besser vernetzt. Die Mitgliederzahl der Zoonosenplattform hat mittlerweile die Tausender-Marke geknackt – und das ist auch gut so: „Um Zoonosen erfolgreich erforschen zu können, müssen die verschiedensten Disziplinen zusammenarbeiten und mit einbezogen werden – etwa die Klimaforschung oder Ökologie, die Epidemiologie oder die Grundlagenbiologie. Gerade damals die Vogelgrippe oder auch 2009 die sogenannte Schweinegrippe haben gezeigt, wie wichtig Interdisziplinarität ist.“

Lästige Eindringlinge

Auch heute noch sind Influenzaviren Gegenstand vieler Zoonosenforschungsprojekte. So auch am Universitätsklinikum Freiburg in der Arbeitsgruppe von Martin Schwemmle. Für ihn steht dabei eine Frage besonders im Fokus: Wie schaffen es Erreger, die menschliche Speziesbarriere zu überwinden. „Was passiert darüber hinaus, wenn ein einst zoonotischer Erreger gar keiner mehr ist, sondern ein etablierter humaner Erreger, wie bei der jährlichen Influenza-Grippewelle?“, fragt sich Schwemmle. Als Folge eines Spillovers entwickelt die Wirtspopulation im besten Fall irgendwann Abwehrstrategien, um den lästigen Eindringlingen wieder Herr zu werden – auch dafür interessiert sich der Freiburger Virologe. „Wenn sich neue Krankheitserreger ausbreiten, ist die betroffene Population immunologisch gesehen naiv. Das Immunsystem hat noch keine Abwehrmechanismen entwickelt und muss sich erstmal anpassen“, so Schwemmle. „Gelingt das, ist es wiederum spannend, wie der Zoonoseerreger darauf reagiert.“

Ein Beispiel ist der Erreger der Schweinegrippe. Ursprünglich entstand in Schweinen durch den Austausch viraler Erbinformation von Schweine-, Vogel- und humanen Influenzaviren ein neues Grippevirus, das pandemische H1N1-Virus, welches hinter dem Schweinegrippe-Ausbruch von 2009 steckte. Schwemmle blickt besorgt auf die aktuellen Entwicklungen: „Die mittlerweile humanen H1N1-Influenzaviren haben es jetzt erneut geschafft, die Artgrenze zu überwinden und auf das Schwein zurückzuspringen. Jetzt haben wir eine brisante Situation, weil im Schwein bereits vollständig human-adaptierte Influenzaviren zirkulieren, welche sich erneut mit allen möglichen anderen Influenzaviren vermischen können.“ Diese reverse Zoonose führe dazu, dass sich im Schwein neue Varianten bilden können, die unter Umständen nicht mehr so lange brauchen, um die humane Artgrenze zu überwinden, so Schwemmle. „Dieses Ping-Pong-Spiel der Evolution ist sehr gefährlich.“

Problematische Virostatika

Den genauen Zeitpunkt eines Spillovers vorherzusehen, ist für Zoonosenforscher sowie Virologen aber bislang noch Zukunftsmusik, wie Schwemmle verrät: „Bisher konnte kein einziger Wissenschaftler den Zeitpunkt bestimmen, an dem es zu einer erfolgreichen Übertragung in die humane Population gekommen ist. Beim Influenzavirus können wir noch nicht mal genau vorhersagen, welcher Subtyp es letztlich in die humane Population schaffen wird. Die Zoonosenforschung hat zwar schon einiges geleistet, aber hier stößt sie bislang noch an ihre Grenzen.“

Im Kampf gegen virale Zoonosen setzen Ärzte und Wissenschaftler auf zwei Standbeine: die Impfung als Prophylaxe sowie antivirale Medikamente. „Allerdings ist es relativ schwierig, zielgerichtete antivirale Substanzen zu entwickeln“, gibt Ludwig zu und erklärt, wo die Probleme liegen: „Gerade virale Erreger vermehren sich recht schnell, das sehen wir etwa bei SARS-CoV-2 oder Grippeviren. Die Vermehrung geht dann so fix, dass das Virus den Körper förmlich überrennt. Mit antiviralen Medikamenten kommen wir in dem Fall gar nicht mehr hinterher.“ Besonders ungünstig ist das, wenn die antiviralen Medikamente nur auf die Replikationsprozesse der Viren abzielen. Neue Strategien nehmen deshalb nicht bloß den Erreger in den Blick, sondern vor allem die zellulären Faktoren und die Immunreaktion auf die Infektion. Ziel ist es, den Erregern die Vermehrungsgrundlage in den Zellen zu entziehen und eine übersteigerte Reaktion des Immunsystems zu unterbinden, sodass sich diese nicht gegen den eigenen Körper richtet.

Doch die Entwicklung solcher Wirkstoffe ist äußerst zeitaufwendig, denn Forscher müssen den Infektionsprozess und die damit einhergehenden Reaktionen des Körpers erstmal genauestens verstehen. „Das Perfide an vielen Erregern ist, dass sie schnell Varianten entwickeln, die dann gegen die einst wirksamen Medikamente resistent sind“, kommentiert Ludwig.

Wie man dieses Problem in den Griff bekommen kann, zeigen die aktuellen Therapien bei einer HIV-Infektion. „Ob HIV wirklich eine Zoonose ist beziehungsweise war, weiß man nicht genau, dennoch zeigt der Therapieansatz, wie es funktionieren kann“, so Ludwig und führt fort: „Auch HIV hat in den frühen Behandlungsansätzen schnell Resistenzen gebildet. Der Ausweg war schließlich eine Kombination aus vier unterschiedlichen Wirkstoffen, die auch noch heute im Einsatz sind. Sie greifen in unterschiedliche Prozesse im Infektionsgeschehen beziehungsweise der Erkrankung ein. Und bei so vielen Angriffspunkten ist es für den Erreger fast unmöglich, gegen jeden Resistenzen zu entwickeln.“

Impfung als Hoffnungsträger

Andere Ansätze verfolgen die Strategie der Prophylaxe. „Bei Influenzaviren oder aktuell auch bei SARS-CoV-2 ist eine Impfung das bislang beste Mittel zur frühzeitigen Abwehr“, meint Schwemmle und geht exemplarisch auf die Influenza-Impfstoffentwicklung weiter ein: „Hier isoliert man kritische Virusvarianten und stellt einen experimentellen Impfstoff her – gegen die Vogelgrippe-Viren H5N1 und H7N9 gibt es das beispielsweise schon. So ist man vorbereitet, falls es doch einmal zu einer Übertragung kommt. Für mögliche andere Varianten, die den bekannten Influenzaviren sehr ähnlich sind, einen Spillover auf den Menschen aber hoffentlich nie schaffen werden, hat man im besten Fall aber dennoch schon einen Impfstoffkandidaten im Kühlschrank. Sollte es dann doch zu einem Ausbruch kommen, kann man schnell reagieren. Dasselbe gilt für Coronaviren.“

In den vergangenen Jahren haben sich zusätzlich Projekte formiert, welche auf die Suche nach bislang unbekannten Krankheitserregern gehen. Ein Beispiel ist das vom BMBF geförderte und bereits abgeschlossene Projekt „DetektiVir“. Ein Team um Anne Pohlmann vom FLI hat hier einen Diagnostik-Workflow erarbeitet, um neuartige virale Erreger mittels Next-Generation-Sequenzierung de novo zu identifizieren. Die erhobenen Daten fließen in eine Datenbank. Das Ziel: Tauchen neue Viren auf, können diese mit Altbekannten verglichen, Gemeinsamkeiten gefunden und/oder Unterschiede erkannt werden. „All das hilft bei der schnellen Diagnose – und somit auch dabei, eine weitere Ausbreitung zu verhindern“, so Pohlmann in der BMBF-Pressemitteilung.

Auch andere Forscher machen sich in den unterschiedlichsten Tierklassen auf die Suche nach neuen Pathogenen. So etwa die Charité-Virologen Junglen und Drosten sowie der Zoologe Bernhard Misof von der Universität Bonn. Sie haben Anfang 2020 mit ihrem Team in Insekten hunderte neue Viren aus über zwanzig Virusgattungen entdeckt (PLoS Pathog. 15: e1008224 und auf LJ Online: laborjournal.de/editorials/1946.php).

Immer wieder neue Erreger

Derweil drängen sich stetig neue Erreger in die laufende Forschungsarbeit der Zoonosenforscher – zuletzt SARS-CoV-2. „Natürlich sind in der Vergangenheit immer mal wieder einzelne Vertreter in den Fokus gerückt, viele Erregergruppen kennen und beforschen wir aber schon lange, etwa Corona- oder Influenzaviren“, meint Ludwig. Die Grundfrage, wie Erreger Artgrenzen übertreten, beschäftigt die Zoonosenforschung aber nach wie vor. „Bislang können wir das noch nicht beantworten. Dabei ist das Verständnis des Spillovers der entscheidende Schritt, auch zukünftig auf Zoonosenausbrüche schnell reagieren zu können.“ Ludwig bezeichnet die Zoonosenforschung deshalb auch gerne als eine Art Feuerwehr. „Da ist es geschickt, schon frühzeitig – quasi in Friedenszeiten – Geld und Manpower zu investieren und nicht erst, wenn der Ausbruch schon stattgefunden hat.“

Das sieht der Veterinärmediziner und Virologe Albert Osterhaus vom Research Center for Emerging Infections and Zoonosis der Tierärztlichen Hochschule Hannover ähnlich. Im Zuge der Corona-Pandemie fordert er in einem Interview, die Zoonosenforschung müsse finanziell stärker unterstützt werden: „Wir müssen eine Versicherungsprämie gegen diese neuen Pandemien zahlen, […] ernsthaft investieren, um besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein“ (Vetline, „Eine Versicherung gegen Pandemien“). Ludwig gibt seinem Zoonosenforscherkollegen recht, muss aber auch ein bisschen schmunzeln: „Ich bin da natürlich etwas gebiased – wir können natürlich nie genug Geld für unsere Forschung bekommen. Allerdings denke ich, wir sind da schon auf einem guten Weg.“

Auch Schwemmle kann sich nicht beklagen: Er hat vom European Research Council für seine Influenza-Forschung einen Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro erhalten. Der Freiburger Virologe sieht aber nicht nur in der Zoonosenforschung die Verantwortung, sich auf neu auftretende Infektionskrankheiten vorzubereiten. Auch die Politik sei gefragt, Stichwort Klima- und Artenschutz. Schwemmle sieht insbesondere bei der Tierhaltung Handlungsbedarf: „Die Schweinezucht ist eine gigantische Industrie, da zirkulieren alle möglichen Influenzaviren – das ist ein Pulverfass.“ Eine Reduktion der Tierbestände oder geeignete Vorsorgemaßnahmen wie Impfstrategien für die Tiere könnten Abhilfe schaffen, meint Schwemmle – wobei Letzteres nicht so einfach umzusetzen sei. „Die SARS-CoV-2-Pandemie hat außerdem gezeigt, dass wir auch an anderen Stellen Nachholbedarf haben. Wenn Sie mich heute fragen, dann hätte man rückblickend viel mehr Geld in Gesundheitsämter beziehungsweise das ganze Gesundheitssystem stecken sollen.“

Im Hinblick auf die Förderung der Zoonosenforschung steht für Schwemmle eine Gruppe besonders im Vordergrund: die Nachwuchswissenschaftler. „Gerade die jungen Wissenschaftler müssen stärker gefördert werden und nicht nur die etablierten Gruppen. Denn Nachwuchsforscher können in meinen Augen die in der Zukunft auftretenden Probleme am effektivsten angehen.“ Um die Forscher von morgen wirklich zu unterstützen, wünscht sich Schwemmle bessere Arbeitsbedingungen in der universitären Forschung, etwa durch das Schaffen fester, langfristiger Stellen – gerade auch für naturwissenschaftliche Mitarbeiter.

Ludwig hingegen spricht noch einen weiteren wichtigen Aspekt der Zoonosenforschung an: die Internationalität. Denn obwohl ein Spillover theoretisch auch in Europa stattfinden kann, zeigen die Ereignisse aus der Vergangenheit (Influenza, SARS oder Ebola), dass Ausbrüche meist außerhalb von Industriestaaten stattfinden und dennoch die gesamte Weltbevölkerung treffen können.

Ludwig wünscht sich deshalb ein besseres weltweites Monitoring und eine bessere globale Surveillance. „Man müsste sich nur mal vorstellen, man hätte vor dem SARS-CoV-2-Ausbruch eine bessere Überwachung durch ein internationales Netzwerk gehabt und hätte schon frühzeitig erkannt, was da auf uns zurollt“, überlegt Ludwig. „Eine bereits etablierte Routinestruktur, die potenzielle Spillover-Orte eher ins Auge nimmt, hätte uns viel Ärger erspart. So etwas ließe sich aber vermutlich nur durch eine internationale Förderinitiative aufbauen. Auch eine bessere Förderung von Zoonoseprojekten außerhalb der EU wäre sicher sinnvoll. Internationalität ist für eine effektive Zoonosenforschung ungemein wichtig, denn wie man so schön sagt: Zoonoseerreger machen nicht vor Ländergrenzen Halt.“

Last Changed: 08.03.2021