Special Live Cell Imaging

Ins Leben geschaut
von Karin Hollricher, Laborjournal 09/2019



Zwei-Photonen-Mikroskopiebilder aus dem Gehirn einer „Alzheimer-Maus“. Nervenzellen grün, Blutgefäße rot, Amyloid-Ablagerungen blau. Foto: Elizabeth Hillman, CC-BY-2.0

Editorial

Mit der Zwei-Photonen-Mikroskopie kann man das zelluläre Geschehen im lebenden Organismus beobachten. Was gibt es Neues dazu?

Zwei-Photonen-(2P)-Mikroskopie ist eine echte Live-Cell-Imaging-Technik. Beispielsweise kann man damit die Wanderung von Zellen im lebenden Organismus beobachten (LJ 11/2015: 48-51).

Altbekannt, aber selten

Für dieses aktuelle Special recherchierten wir, was es Neues aus der Welt der 2P-Mikroskopie zu berichten gibt – und fanden eine Pressemitteilung der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen-Nürnberg, in der es heißt: „Den FAU-Forschern ist es gelungen, die gesamte Mikroskop-Technologie einschließlich Femtosekundenlaser in einem kompakten, transportablen Gerät unterzubringen.“ Besagtes Gerät ist ein Endoskop, mit dem die Forscher zelluläre Veränderungen im Darm einer Maus darstellen konnten, ohne dass sie dafür Farbstoffe einsetzen mussten (Adv. Sci. 6: 1801735).


Zwei-Photonen-Mikroskopiebilder aus dem Gehirn einer „Alzheimer-Maus“. Nervenzellen grün, Blutgefäße rot, Amyloid-Ablagerungen blau. Foto: Elizabeth Hillman, CC-BY-2.0

Editorial

Doch zunächst: Was ist 2P-Mikroskopie eigentlich? Schon 1931 erklärte die US-amerikanische Physikerin und spätere Nobelpreisträgerin Maria Göppert-Mayer in ihrer Doktorarbeit, dass ein Molekül in einen energetisch angeregten Zustand geht, wenn es gleichzeitig zwei Photonen absorbiert – auch wenn die Energie jedes einzelnen Photons dafür nicht ausreicht. Die Anregungsenergie wird danach als Fluoreszenz wieder abgegeben. Der Physikerin zu Ehren wird die – sehr geringe – Wahrscheinlichkeit einer 2P-Absorption in der Einheit Göppert-Mayer (GM) angegeben.

Problem der Auflösung

Mit der Entwicklung gepulster Laser als Anregungsquellen fand diese Theorie schließlich ihre Anwendung in der Mikroskopie – 1990 von Winfried Denk, heute Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Neurobiologie, und seinen damaligen US-Kollegen vorgestellt (Science 248: 73-6). Nur dort, wo die Energiedichte des Laserlichts am höchsten ist, treten 2P-Effekte auf und regen die getroffenen Moleküle zur Fluoreszenz an. Wenn dies genau in der Fokusebene eines Mikroskops passiert, hat man quasi ein konfokales Mikroskop, ohne dass man ein Pinhole benötigt, welches das Signal stark abschwächt.

Mit Streulicht sowie außerhalb der Fokusebene erzeugtem Photobleaching muss man sich bei der 2P-Mikroskopie folglich nicht herumschlagen. Daher lassen sich auch mit den seltenen 2P-Effekten kontrastreiche Bilder erzeugen. Man verwendet Infrarotlicht und erreicht damit eine hohe Eindringtiefe von bis zu einem Millimeter. Das ist super für die dreidimensionale Mikroskopie, aber schlecht für die Auflösung. Denn entsprechend der physikalischen Gesetze kann die Auflösung maximal die halbe Wellenlänge des eingestrahlten Lichts, also bestenfalls 400 Nanometer, betragen.

„Wenn tief ins Gewebe gehende Mikroskopie mit reduziertem Photobleaching das Ziel ist, dann ist TPEM [Two-Photon-Excitation-Microscopy] ganz klar der beste Weg. Will man indes Zellen an der Oberfläche oder in Kultur abbilden, ist konventionelle konfokale Mikroskopie besser geeignet“, resümierte kürzlich folgerichtig eine Gruppe von Zellbiologen im Journal of Cell Science (doi: 10.1242/jcs.209270).

Gut bei Autofluoreszenz

Meistens verwenden Forscher für 2P-Bilder Fluoreszenzfarbstoffe, obwohl das gar nicht nötig ist. Denn manche endogenen Moleküle, etwa NAD(P)H oder Flavoproteine, lassen sich durch zwei Photonen zur Autofluoreszenz anregen. Auch extrem gleichförmig strukturierte Moleküle wie Kollagenfasern oder Mikrotubuli zeigen 2P-Autofluoreszenz.

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Das Zwei-Photonen-Prinzip hält Einzug in die Endoskopie: Zwei-Photonen-Endoskop von Sebastian Schürmann et al.

Das machten sich beispielsweise Forscher um Peter König vom Institut für Anatomie der Universität Lübeck zu Nutze, um das Treiben von Immunzellen während einer allergischen Reaktion in den Atemwegen lebender Tiere zu beobachten (Lab. Invest. 96: 918-31). Am Autofluoreszenzmuster konnten sie gesundes von entzündetem Gewebe unterscheiden, und mithilfe von zellspezifischen Fluoreszenzmarkierungen die Wanderung von eosinophilen und neutrophilen Granulozyten verfolgen.

Von der Mikro- zur Endoskopie

Ebenso analysierten Forscher der TU Dresden um Gerald Steiner und Matthias Kirsch auf diese Weise, ob sich die Entzündungsprozesse und Vernarbungen von verletzten Nerven im Rückenmark von Ratten durch Calcium-haltige Alginathydrogel-Implantate positiv beeinflussen lassen (Sci. Rep. 8: 10841).

Inzwischen bieten auch viele Firmen 2P-Mikroskope an. Der Physiker Sebastian Schürmann und seine Kollegen an der FAU waren allerdings an keinem dieser Geräte interessiert, denn sie wollten eine in ein Endo­skop eingebettete Miniversion konstruieren, um damit 2P-Mikroskopie direkt im Enddarm von Menschen zu ermöglichen. „Eine solche Technik könnte einmal die klassische Darmspiegelung ersetzen oder zumindest unterstützen“, so Schürmann.

Das entwickelte 2P-Endoskop funktioniert, ist aber noch ein Forschungsmodell (Adv. Sci. 6: 1801735): Im Gegensatz zu den herkömmlichen, beweglichen Endoskopen ist es nämlich starr. Für die Untersuchung der sehr geraden Enddärme von Mäusen ist das kein Problem – für die Anwendung bei Menschen mit ihren verwickelten Gedärmen ist es aber nicht geeignet. Darum arbeiten die Erlanger jetzt an einem flexiblen Gerät.

Wie gemacht für die Diagnostik

Schürmann hält die 2P-Mikroskopie also nicht nur im Rahmen reiner Forschung für eine tolle Technologie, sondern kann sie sich auch gut in der diagnostischen Praxis vorstellen – beispielsweise bei histologischen Untersuchungen. „Pathologen brauchen für die heute praktizierten Färbetechniken an Geweben mehrere Stunden, ein Patient muss also nach einer Biopsie noch einmal einbestellt werden. Mit Zwei-Photonen-Mikroskopie hätte man ein Bild innerhalb von Minuten“, beschreibt der Physiker seine Vision.

Da man aber nur ungern gut funktionierende Systeme aufgibt, müssen die Fans der 2P-Mikroskopie hier wohl noch viel Überzeugungsarbeit leisten.



Last Changed: 10.09.2019