DARPins

von Wiebke Walleck (Laborjournal-Ausgabe 03, 2013)


Editorial
Echo vom Anfang
Bild: M. Stumpp et al.,
Drug Discov Today 2008, 13:695

Es ist noch gar nicht lange her, da waren gezielt eingesetzte, körpereigene oder künstliche Antikörper der letzte Schrei in Sachen Krebsdiagnostik und -therapie. Doch die nächste Generation – günstiger, effizienter, stabiler – steht schon in den Startlöchern.

Antikörper binden mehr oder weniger spezifisch, und da sie hochvariabel sind, gibt es eine Vielzahl von Bindungspartnern. Doch Antikörper sind nicht besonders stabil und neigen dazu zu aggregieren – insbesondere, wenn sie mit anderen Proteinen fusioniert werden sollen.

Editorial
Helikales Stapelwerk

Die Alternative sind künstlich hergestellte Proteine, DARPins (Designed Ankyrin Repeat Proteins). Das klingt nicht besonders eindrucksvoll, vielleicht sogar fast niedlich. Doch wer genauer hinsieht, der erkennt ihr Potential: durch die einfache Struktur sind sie stabil, je nach Aufbau halten sie bis 66 °C, teilweise 85 °C aus; sie sind klein und können so vielfältig verändert werden, dass sie quasi jedes beliebige Ziel – Proteine, organische Farbstoffe, Quadruplex-DNA, strukturierte Peptide – hochaffin und spezifisch binden können.

In ihrer Struktur beruhen die DARPins auf Ankyrinen. Das sind intrazelluläre Adapterproteine des Zytoskeletts, die in fast allen Zellen zu finden sind und dort Proteine transportieren. Das Besondere an Ankyrinen ist ihre starre Struktur, die aus beliebig vielen antiparallel aufeinander gestapelten αα-Helices besteht.

In ihrer natürlichen Funktion binden solche Repeat-Proteine, die sich alle durch eine rigide Struktur und eine große Oberfläche auszeichnen, verschiedenste Ziele, etwa um Proteine zu verketten. Davon inspiriert haben Forscher um Andreas Plückthun vom Biochemischen Institut der Uni Zürich die DARPins entworfen, die mit 14-21 kDa, abhängig von der Zahl der Wiederholungen, gerade ein Zehntel der Größe eines normalen Antikörpers ausmachen (J Mol Biol 2003, 332:489-503). Eingefasst von zwei konservierten Ankyrin Repeat (AR) Strukturen, dem N-Cap und dem C-Cap, sind sie mit bis zu 29, normalerweise aber 4 bis 6 weiteren AR-Modulen ausgestattet. Diese bestehen wie bei Ankyrinen aus zwei α-Helices und einem β-Turn und stapeln sich, durch hydrophobe Wechselwirkungen zusammengehalten, übereinander.

Für die designten Module in der Mitte des Stapels können von 33 Aminosäuren, aus denen ein Repeat besteht, sieben an definierten Positionen gewählt werden. Diese variablen Aminosäuren stehen nach der Faltung an der äußeren Seitenkante des Stapels und schaffen so eine individuelle Oberfläche, die für die Bindungsspezifität der DARPins sorgt. Gleichzeitig führt der Austausch zu einer Vielzahl an möglichen Designs: 3,8 x 1023 DARPins gibt es allein für die Annahme, dass nur drei Repeats eingebaut werden.

Um hier den Überblick zu behalten, sind die DARPins in eigenen Bibliotheken organisiert. Sie wurden mit der Methode „Consensus Design“ entworfen. Dabei bleiben aus einem zufällig erzeugten Pool solche Sequenzen erhalten, die von gegebenen Mustersequenzen nur in bestimmtem Maße abweichen. In diesem Fall waren verschiedene Ankyrinrepeats das Muster, eine Abweichung durfte nur bei den erwähnten sieben Aminosäuren vorhanden sein. Mit Phagen- und Ribosomdisplay werden die Bibliotheken gescreent, um schließlich DARPins mit den gewünschten Eigenschaften auszuspucken. Hergestellt werden die DARPins übrigens von E. colis, die Reinigung erfolgt über IMAC (Immobilized Metal Ion Affinity Chromatography).

Keine Bindungsängste

In der Anwendung sind DARPins, da sie quasi jedes Ziel binden und agonistisch, antagonistisch und inhibitorisch auftreten können, so vielfältig wie Antikörper. Sie können in der Diagnostik genutzt werden, um ähnlich wie bei Antikörperfärbungen Proteine und Tumoren im Gewebe zu markieren – etwa durch Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, bei der der Nachweis durch farbgebende Enzyme erfolgt. Beispiele dafür sind die DARPins Ec1 und Ac2, die spezifisch an das Adhäsionsmolekül EpCAM binden, das hochkonzentriert auf epithelialen Tumoren zu finden ist.

DARPins können aber auch als Transportproteine eingesetzt werden, beispielsweise für siRNAs. siRNAs (small-interfering RNA) kontrollieren Tumorwachstum, indem sie die Onkogenexpression inhibieren. Der Transport der RNA ist gerade Gegenstand vieler Forschungsarbeiten.

Die DARPin-Erfinder sind auf den fahrenden Zug gesprungen und haben eine siRNA, die den Anti-Apoptose-Faktor Bcl-2 (B-cell lymphoma 2) inhibiert, an Protamin gebunden, ein Nukleinsäure-bindendes Protein. Den entstandenen Komplex mit vier bis fünf Nukleinsäuren pro Protaminmolekül haben sie mit einem EpCAM-bindenden DARPin fusioniert. Das Ergebnis: die siRNA inhibierte die Bcl-2 Expression in EpCAM-positiven, nicht aber in EpCAM-negativen Zellen. Das DARPin hat sie also erfolgreich zum Einsatzort transportiert.

Eine weitere Möglichkeit der DARPins liegt in der Gentherapie mit lentiviralen Vektoren, die auch nicht-teilungsaktive Zellen „infizieren“ und DNA in die Zellen einbringen können. Wissenschaftler um Christian Buchholz vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen brachten zusammen mit den Zürchern die DNA eines HER-2-bindenden DARPins in einen lentiviralen Vektor ein. HER-2 (human epidermal growth factor receptor 2) wird insbesondere von Tumorzellen stark exprimiert, es markiert Brust-, Eierstock-, Dickdarm- und Pankreaskrebs. Das DARPin band an die Rezeptoren und beförderte so den viralen Vektor wesentlich schneller zu den kranken Zellen, als es der Antikörper scFv kann (Mol Ther 2011, 19:686-93).

Was die DARPins angeht, hat seine Arbeitsgruppe noch mehr in petto, verspricht Andreas Plückthun. Wir dürfen gespannt sein.


Letzte Änderungen: 12.03.2013

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