Editorial

Resistom

von Melanie Erzler (Laborjournal-Ausgabe 1-2, 2019)


Stichwort

Die Resistenz gegen Antibiotika ist laut WHO eine der größten Gefährdungen für die weltweite Gesundheit. Gut behandelbare Infektionen können etwa auf diese Weise wieder lebensbedrohlich werden. Klar, dass daher immer neue und teurere Medikamente gegen bakterielle Erreger entwickelt werden.

Natürlicherweise entstehen Antibiotika-Resistenzen durch Mutationen und verbreiten sich durch Gentransfer zwischen Organismen. Der übermäßige und teils unnötige Einsatz von Antibiotika in Gesundheitssystem und Landwirtschaft beschleunigt diesen Vorgang dramatisch, indem er einen Selektionsdruck für resistente Keime schafft. Auch das menschliche Mikrobiom – der neue Liebling der biomedizinischen Forschung – verfügt über zahlreiche solcher Resistenzgene gegen Antibiotika. Die Gesamtheit dieser Determinanten von Antibiotika-Resistenzen bezeichnet man als Resistom.

Krankheiten inklusive

Mittlerweile wird die bakterielle Besiedelung des menschlichen Darms in Zusammenhang mit so gut wie jeder Zivilisationskrankheit untersucht. Ob Allergien, Autoimmun­erkrankungen, Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Autismus – überall scheint das Mikrobiom demnach seine Finger im Spiel zu haben. Und sicher, die Darmbakterien nehmen auf unterschiedlichen Wegen Einfluss auf unseren Körper: Sie sind zum einen in die Nahrungsaufnahme im Darm involviert – beispielsweise bauen sie Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren ab –, und zum anderen stehen sie in einem ständigen Wechselspiel mit unserem Immunsystem. Darüber hinaus bieten sie Schutz vor Krankheitserregern im Darm.

Hundertfünfzigmal Humangenom

Die Zusammensetzung der Bakterienspezies innerhalb des Darm-Mikrobioms unterscheidet sich individuell, grob können aber drei Enterotypen eingeteilt werden: Während bei Enterotyp 1 Bacteroides vorherrschen, wird Enterotyp 2 dominiert von Prevotella. Enterotyp 3 weist hingegen eine gehäufte Besiedelung mit Ruminococcus auf. Das sogenannte Metagenom – die Gesamtheit aller Gene unseres Mikrobioms – umfasst das Hundertfünfzigfache des menschlichen Genoms.

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Mobil oder nicht?

Wenn Krankheiten mit dem Mikrobiom in Zusammenhang gebracht werden, liegt häufig eine Verschiebung der vorherrschenden Bakterienspezies vor. Auf einmal dominieren andere Spieler die Darmflora und bringen sie aus dem Gleichgewicht – was man dann Dysbiose nennt. Die Ursachen dafür sind vielfältig und werden beispielsweise in unserer westlichen Ernährungsweise, einer übermäßigen Hygiene, Kaiserschnittgeburten und ähnlichem gesehen.

Eine wichtige Rolle spielt aber auch der Einsatz von Antibiotika: Eine Antibiotikatherapie beeinflusst die Darmflora nachweislich und langfristig – die Dysbiose kann über Monate andauern, sogar nach Jahren können noch Veränderungen nachgewiesen werden. Resistenzgene können jedoch auch Darmbakterien vor den Folgen der Antibiotikatherapie schützen. Diese können sowohl direkt auf dem Genom des Bakteriums, als auch auf mobilen genetischen Elementen wie Plasmiden oder Transposons codiert sein. Wegen letzterer Möglichkeit sorgt man sich nun, dass das Resistom des Mikrobioms über Gen-Austausch auch auf pathogene Keime übertragen werden könnte.

6.000 Resistenz-Kandidaten

Die empirische Untersuchung des Resistoms hat sich allerdings bisher als schwierig erwiesen, da sich die größtenteils aus kultivierten Bakterien bekannten Antibiotika-Resistenzen stark von denjenigen der intestinalen Mikrobiota unterscheiden. Ein Kollektiv aus europäischen Wissenschaftlern hat deshalb mit einer speziell entwickelten Methode die 3D-Strukturen der Proteine des Mikrobioms mit den Strukturen bekannter Antibiotika-Resistenzproteine verglichen – unter der Annahme, dass ähnliche Strukturen ähnliche Funktionen erfüllen. Daraus leiteten sie über 6.000 mögliche Antibiotika-Resistenzen aus insgesamt 3,9 Millionen Proteinen in der Darmflora ab (Nature Microbiology 4: 112-23). Diese konnten sie in sechs verschiedene Resistotypen einteilen, die mit den jeweils vorliegenden Enterotypen zusammenhingen.

Nur wenige Resistenzgene waren mit mobilen Elementen assoziiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Antibiotika-Resistenzen auf andere Spezies übertragen lassen, erwies sich nach diesen Erkenntnissen folglich als relativ gering. Insgesamt korrelierte die Menge an Antibiotika-Resistenzproteine mit der Gendiversität im Mikrobiom – ein Zeichen für einen gesunden Organismus. Dies änderte sich jedoch unter Antibiotikatherapie.

Wer ist der Wirt?

Die Ergebnisse der Studie stellen die Hypothese, dass das menschliche Mikrobiom seine Resistenzen an pathogene Keime weitergibt, erstmal in Frage. Dennoch sind Fälle solcher Übertragungen bekannt – die Mechanismen, die solch einen Transfer begünstigen, müssen also untersucht werden.

Ein Problem dabei ist die Zuordnung Antibiotika-Resistenz-tragender Plasmide oder anderer mobiler Elemente zu ihrem Wirtsbakterium, da die DNA-Extraktion diese Verbindung zerstört. Wissenschaftler aus Idaho fanden eine Möglichkeit, mittels der In-vivo-HiC­Proximity-Ligation-Methode eine Verknüpfung des Wirtsgenoms mit mobilen Elementen herzustellen und auf diese Weise die jeweiligen Bakterienspezies zu bestimmen, aus denen sie stammen (bioRxiv; doi: 10.1101/484725). Diese Information kann helfen, natürliche Reservoirs von Antibiotika-Resistenzen besser zu verstehen – nicht zuletzt, um deren Austausch mit den „falschen“ Adressaten möglichst zu verhindern.



Letzte Änderungen: 06.02.2019