Editorial

Labordialekte

Erlebnisse einer TA (12)

Annette Tietz


Die TA

Irgendwie haben wir ja alle mal angefangen und irgendwie lernt man auch nie aus. Und ich spreche hier nicht von neuen Methoden oder neue Themen, die einen in die Untiefen der wissenschaftlichen Forschung entführen. Das trifft vor allem dann zu, wenn man einmal seinen Job wechselt und in einem anderen Labor arbeitet... Westernblot, Typisierungs-PCR oder Klonierungen, kein Problem, schon tausendmal gemacht – sollte man meinen.

Wird also alles nicht so schlimm wie damals beim ersten Job, als man sowohl der englischen als auch der Laborsprache noch nicht so mächtig war und nicht wusste, was ein Eppi ist. Dass aber gerade die Laborsprache des Öfteren zu Missverständnissen führt, hätte ich nicht gedacht. Das war wohl auch der neuen Kollegin nicht bewusst, als sie bei uns im Labor anfing.

Blau zum Mond

„Haste mal ein Blue-Cap?“ war die erste Frage, mit der sie mich konfrontierte. Blue-Cap? Ich wollte ihr schon erklären, dass wir hier wenn dann Laborkittel tragen, die sind dann aber eher weiß und nicht blau. Ich dachte mir allerdings schon, dass sie wohl etwas anderes meinen würde. Aber weder meine Gehirnzellen noch ich reagierte in irgendeiner Weise auf diese Frage.

„Ne Rakete wäre auch ok!“. Aha. Eine Rakete. Na klar! War sie sicher, dass sie hier in der Abteilung überhaupt richtig war? Ein blauer Helm, um auf den Mond zu fliegen? Ich versuchte das entstehende Fragezeichen in meinem Gesicht so groß wie möglich erscheinen zu lassen. Es war nun wirklich nicht zu übersehen! Oder doch? Meiner Kollegin schien das nicht aufzufallen. Etwas verwundert von meiner scheinbaren Unwissenheit über Laborgegenstände fragte sie: “Oder in was setzt Du den Lysispuffer an?“ Ohne weiter über Himmelsgeschosse und blaue Kopfbedeckungen nachdenken zu müssen antwortete ich: „Na in einem Falcon!“

Das Fragezeichen wechselte spontan die Seite und machte sich mitten in ihrem Gesicht breit. „Und wo finde ich so ein F-o-l-c-o-n?“ Ich verkniff mir eine Antwort, zog stattdessen die Schublade mit meinem Falcon-Röhrchen auf und deutet darauf. Dieses Mal waren sogar noch welche da und meine Hand griff nicht ins Leere, sonst hätte sie mich wahrscheinlich für verrückt erklärt... „Ah, also doch ‚ne Rakete!“ Ich schaute misstrauisch in die Schublade, doch niemand hatte einen Raketenbausatz in meine Schublade gelegt.

Meine neue Kollegin war allerdings sichtlich zufrieden und nahm sich eine blue-gecapte Falcon-Rakete. Und ich dachte, man hätte eher mit nicht deutsch sprechenden Kollegen Verständigungsprobleme. So kann man sich täuschen. Kurz darauf kam sie wieder zu mir und fragte nach einem „Greiner“. Meines Wissens nach gab es aber verschiedene Greiner-Röhrchen und nicht DAS EINE Greiner…Welches Schweinderl hätten‘s denn gern? Das 1,5ml-Greiner, praktisch für kleinere Volumina mit Klickverschluss, das 15ml-Greiner, schlanke Linie, mit einem Fassungsvermögen von sage und schreibe 15ml, oder etwas die Maxi-Ausführung von 50ml? Scheinbar existieren wirklich in jedem Labor unterschiedliche Definitionen der einzelnen Laborutensilien und in ihrem Fall gab es anscheinend nur DAS Greiner.

Karussell für die ganz Kleinen

So langsam hätten wir wirklich in eine Quiz-Show gehen können. Man lernt wie gesagt nie aus. Wenig später überraschte sie mich mit: “Und in welches Karussell kann ich die Bakkis stellen?“ Da war es wieder: mein Fragezeichen. Wen will sie wohin stellen? Ins Karussell? Ich war völlig überfragt. Ich versuchte mir mit einer Gegenfrage etwas Zeit zu verschaffen: “Was machst Du denn gerade und wozu brauchst Du denn ein Karussell?“ Die Antwort: „Ich bin grad mitten im Bakki-Prep“ brachte mich aber nicht entschieden weiter.

Hat sich schon mal jemand Gedanken über ein Wörterbuch „Laborsprache-Deutsch: damit Sie endlich mitreden können“ gemacht? Nein? Ich hätte da ein paar Beispiele! Ich überlegte kurz und fragte vorsichtig: „Ist Bakki =Bakterien und Karussell=Zentrifuge?“ Ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit und ich freute mich mit ihr, die Antwort auf ihre Frage gewusst zu haben. Und das ohne Publikumsjoker!



Letzte Änderungen: 01.08.2018