Editorial

Wer wird Millionär?

Erlebnisse einer TA (28)

Annette Tietz


Die TA

Neulich musste ich feststellen, dass das Fernsehen scheinbar doch einen recht großen Einfluss auf unser Leben hat. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum sich manche Eigenarten verschiedener Sendungen im Laboralltag widerspiegeln. Nein, ich rede nicht von der Sendung aus dem Container, obwohl ich mir sicher bin, der Fernsehzuschauer hätte beim Anblick einer Zusammenfassung unseres Labortages mehr zu lachen.

Gut, dass bei uns noch keiner auf die Idee kam, jeden Winkel der Abteilung mit Webcams auszustatten. Hoffe ich zumindest. Ich rede eigentlich eher von „Wer wird Millionär?“. An manchen Tagen kommt es mir so vor, als säße ich auf dem Kandidatenstuhl und sämtliche Kollegen, Bauarbeiter, Vertreter oder Mitarbeiter der Nachbarabteilung teilen sich Günther Jauchs Gehalt und wechseln sich in regelmäßigen Abständen auf dem Moderatorenstuhl auf der anderen Seite ab.

Früher lief das so: „Worin verdünnt man denn das IL6?“. Klare Frage, einfache Antwort. Neulich jedoch kam eine Kollegin mit folgender Frage zu mir: „Wenn ich die Zellen nicht gleich weiterverarbeite, soll ich sie dann auf Eis stehen lassen oder lieber wieder mit Medium in den Brutschrank stellen, oder besser gleich zählen und ausplattieren oder doch nur resuspendieren und in Suspension stehen lassen?“. Jauch hätte die vier Möglichkeiten wenigstens durch A, B, C und D übersichtlich von einander abgegrenzt. Außerdem musste es sich gleich zu Beginn um die 125.000 Euro-Frage handeln, da der Fragestellung eine entscheidende Information fehlte: Um welchen Versuch handelt es sich eigentlich?

Da ich mich ja nur für eine der gegebenen Antworten entscheiden konnte, fiel meine Wahl auf C, „gleich zählen und ausplattieren“. Die Antwort stieß allerdings nicht auf Zustimmung. „Günther“ legte die Stirn in Falten als wollte sie fragen: „Sind Sie sicher, soll ich einloggen?“. Ich unterstrich meine Antwort mit heftigem Nicken, aber auch das konnte mein Gegenüber nicht wirklich umstimmen. „Geht das nicht, dass ich die noch für ne Stunde auf Eis stehen lasse?“ In dem Moment ging die Labortür auf und der Telefonjoker kam hereinspaziert. Ich gab die Frage gleich mal weiter, nur gut, dass da keine 20 Sekunden runter gezählt wurden, denn mein überrumpelter Telefonjoker schien etwas überfordert. Letztendlich entschied er sich für die Variante „Wäre schon am Besten gleich weiter zu machen, aber wenn es jetzt nicht geht, dann kannst du sie auch noch mal in Medium in den Brutschrank stellen.“

Publikumsjoker und Konfetti

Da standen wir jetzt, zwei Aussagen und keinen Schritt weiter. Entgegen des gewohnt coolen Verhaltens von Herrn Jauch schien mein „Günther“ nervös zu werden. Ich weniger. Abgezockt betrachtete ich die Decke, die ja mittlerweile netterweise von den Bauarbeitern wieder verschlossen worden war, so würde also auch kein Konfettiregen auf uns niedergehen, wenn wir die Millionenfrage richtig lösen. Der nächste Schritt im TV wäre ja, das Publikum zu befragen, obwohl das zu diesem Zeitpunkt eigentlich taktisch unklug ist. In unserem Fall eine eher komische Vorstellung, die ganze Abteilung zusammen zu trommeln, jedem eine Karte mit A, B, C oder D in die Hand zu drücken und eine Abstimmung zu machen. Obwohl...

In diesem Moment meldete sich mein Telefon mit dem Chef-Klingelton: „Hättest du kurz Zeit?“ Hatten wir die Sendezeit überzogen und der Programmdirektor Bedenken angemeldet? „Günther“ winkte mir kurz zum Dank (oder in eine der Webcams?) und verließ das Labor mit den Worten „Ich mach dann mal weiter!“ Scheinbar hatte sie sich für eine der favorisierten Antworten entschieden, uns aber ohne Auflösung in die Werbepause geschickt. Nun war mein Chef dran: „Du hast mir doch neulich die Berechnung der FACS-Daten hingelegt. Sind die Zellzahlen jetzt auf die Gesamtzellzahl bezogen oder hast du die prozentual von den Markernegativen angegeben, oder waren das die, die du eh‘ schon vorsortiert hattest?“ Da ich keine Antwort von mir gab, fragte mein Chef, ob ich wüsste, wovon er redet. „Ja, schon, ich warte nur auf Antwort D.“



Letzte Änderungen: 01.08.2018