Editorial

Telefondienst

Erlebnisse einer TA (33)

Annette Tietz


Die TA

Sie kennen jenes kleine Gerät im Labor: es dient nur einer Aufgabe, muss nicht gewartet werden, jeder kann es bedienen und es wird täglich benutzt. Na? Richtig: das Telefon.

So ein Telefon im Labor kann ja auch ganz schön nervig sein – es klingelt mit Sicherheit immer genau dann, wenn man gerade absolut keine Hand frei hat. Die Erfahrung lehrt leider, dass es nichts bringt, die Sache auszusitzen und zu warten, dass es irgendwann auch wieder aufhört. Im Gegenteil, mit jedem Klingeln kocht das Blut um ein Grad heißer. Also geht man dann doch immer ran und ist das ein oder andere Mal überrascht, mit wem man es plötzlich zu tun hat.

Neulich war es mal wieder soweit: das Gerät gab Laut. Und da ich ja immer die Hoffnung habe, dass es sich um ein kurzes, schnelles Gespräch handeln könnte, bin ich frohen Mutes ans Telefon gegangen. Am anderen Ende der Leitung fand sich ein netter Herr, der mir erst mal eine Reihe von Namen, Titeln und Beschreibungen seiner Person mitteilte, bevor er zur eigentlichen Frage kam. Aus seinem Eingangsplädoyer konnte ich entnehmen, dass es sich um einen Arzt handelte, der in einer Praxis in der Stadt arbeitet.

Die Ungläubigen und...

„Ich bräuchte ganz dringend die TSH-Werte von folgenden zwei Patientinnen…“. Ich wollte nicht so unhöflich sein ihn zu unterbrechen, also wartete ich, bis er eine Pause machte, um seine Lungenbläschen mit Luft zu versorgen, die scheinbar gerade eine Sauerstoff-Diät machten. Kurz darauf war es soweit: „Tut mir leid, aber da sind Sie falsch verbunden, wir sind hier kein Routinelabor und machen auch keine Bluttests, geschweige denn haben wir Patientenseren.“

Schweigen am anderen Ende der Leitung. Ich hatte schon befürchtet, dass die Lungenbläschen sich doch übernommen hatten, da setzte der nette Arzt noch mal von neuem an: „Sie haben keine Patientenseren bekommen? Ich sag Ihnen mal die Geburtsdaten der Patientinnen, dann finden Sie sie vielleicht leichter in Ihrer Datei.“

Nachdem ich mich trotz der Geburtstage, Namen, Geburtsorte und Diagnosen weigerte, ihm irgendwelche verlässlichen Daten mitzuteilen, holte er noch mal tief Luft und fragte: „Sie sind doch an der Uni?“ Aha, dachte ich, so läuft das jetzt: Ich kenne solche Fragen aus meinem Bekanntenkreis. Da heißt es immer: Du hast doch eine medizinische Ausbildung… wie viel Tabletten XY darf ich denn bei dieser Erkrankung nehmen...? Ganz so einfach ist es ja dann doch wieder nicht.

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...die Nicht-Alleswissenden

Ich stellte mich schon mal auf so eine Art Gesprächsverlauf ein und antwortete defensiv:„Ja, ich arbeite an der Uni, aber...“ „Also dann müssen Sie doch Zugriff auf Patientendaten haben, schließlich wurde mir versichert, diese bis heute Nachmittag zu bekommen.“ Ich versuchte wieder, ihm zu erklären, dass ich nicht imstande bin, eine solche Untersuchungsmethode durchzuführen, obwohl ich in einem Labor an der Uni arbeite, und ich leider auch nicht weiß, wo man da am besten anruft. Ich muss bei Gelegenheit mal das gesamte Telefonverzeichnis der Uni auswendig lernen, um auf solche Anrufe vorbereitet zu sein.

„Und Sie sind sich sicher, dass Sie mir da auch nicht helfen können?“ Leichte Panik schwappte durch die Alveolen und ich brachte es nicht übers Herz, ihn einfach ohne Aussicht auf Erfolg zu verabschieden. Ich fragte, ob ich ihm vielleicht die Telefonnummer der Auskunft der Uni geben solle, da kann man ihm vielleicht weiterhelfen. Ich hoffte das zumindest, denn mittlerweile machte ich mir wirklich Sorgen um die Gesundheit seiner Lungenbläschen, ich war mir auch nicht sicher, ob er in den letzten Minuten überhaupt Luft geholt hatte.

Ich gab ihm schließlich die Nummer der Uni-Auskunft, er bedankte sich und verabschiedete sich in der Hoffnung, dass ihm da geholfen werde. Und wenn ich mich nicht ganz täusche habe ich im Hintergrund ein leises Seufzen der Alveolen gehört...



Letzte Änderungen: 01.08.2018