Editorial

Laborkuriositäten

Erlebnisse einer TA (45)

Annette Tietz


Die TA

Es ist schon schwierig genug, Laien zu erklären, was man den ganzen Tag im Labor macht. Aber unserer Raumpflegerin Gitta zu erklären, warum was wie aussieht und was das alles zu bedeuten hat, gestaltete sich in den letzten Jahren als echte Herausforderung, allerdings mit vielen netten Episoden.

Ich mag unsere Raumpflegerin, sie hat immer gute Laune und ist vor allem meist auf dem neuesten Stand der Dinge. Es hat also nur Vorteile, morgens früh im Labor anzufangen, denn nur dann trifft man sie auch. Ich saß also einmal frühmorgens im Labor und genoss die Ruhe, während ich über der Box mit den vielen bunten Antikörperröhrchen darüber sinnierte, warum mal wieder die Bestandsliste nichts mit dem Innenleben der Box zu tun hatte.

Farbe in den grauen Alltag

Die Tür ging auf und ein „Guten Morgen, Du bist ja schon wieder fleißig!“ schallte mir entgegen. Sehr schmeichelhaft, wenn schon der Anblick einer verwirrten TA über einer Box einen fleißigen Eindruck machte. „Das sind aber viele bunte Punkte, da wird es einem schon nicht langweilig, gell? Was ist das denn?“ Ja, und da stand ich vor dem zweiten Problem des Tages. Wie erkläre ich Gitta, dass die bunten Punkte die unterschiedlichen Fluoreszenzen der verschiedenen Antikörper gegen spezielle CD-Moleküle sind...? Ich entschied mich für den einfacheren Weg und beantwortete nur die erste Frage: „Nein, langweilig wird’s hier wirklich nicht“, und dachte dabei an die Arbeit, die Liste auf den neuesten Stand zu bringen.

„Die da in der anderen Abteilung machen das gleiche wie ihr!“ Ich war erstaunt und fragte neugierig nach: „Die arbeiten auch an Tumorsuppressorzellen?“ Ich war verwirrt. Aber nicht so sehr wie Raumpflegerin Gitta. „Äh, ja, die haben genauso viele von diesen bunten Punkten auf den Röhrchen.“ Um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften, verzichtete ich auf eine Antwort, nahm die Box aus Gittas Blickfeld und legte sie in den Kühlschrank zurück. Ich musste sowieso nach meinen Zellen sehen.

„Ich nehme heute mal wieder diese Müllsäcke mit dem stinkenden Zeugs mit, sollen die da auch weg?“ Sie kam mit dem vollen Bakterienmüll in die Zellkultur und „die da“ waren die frisch kultivierten Bakterienplatten von meiner Kollegin, die sie gerade für eine Kultur animpfen wollte. Mir schossen Satzfetzen wie „Oh nein, raus hier, nicht, Ohgottogott“ durch den Kopf, aber ich schaffte es, mich zu zügeln, denn fast hätte Gitta die Platten fallen lassen, die sie mir gerade nachgetragen hatte. Auch meine Erklärung, solche Platten bitte nicht mit in diesen Raum zu nehmen, stieß auf Unverständnis.

„Okay, dann lege ich sie wieder zurück.“ Gut. „Die da in der anderen Abteilung machen das auch so wie ihr!“ Dieses Mal fragte ich allerdings nicht, ob sie für ihre Klonierung auch Blue-White-Screening benutzten. Ich nickte freundlich und meinte, dass man in allen Laboren hier wahrscheinlich ähnliche Dinge finden wird. Gitta fing an, den Boden zu wischen und holte dabei einige gelbe und blaue Spitzen unter dem Schrank hervor. „Wie witzig, die anderen haben die auch in weiß.“ Wir haben die auch in weiß, aber ich war mir nicht sicher, wie wichtig diese Info für Gitta sein würde.

Kurze Zeit später hörte ich Gitta im Nebenraum: „Hach, wie nett, überall blinkt es und piepst es, da braucht man gar kein Radio.“ Ob das Blinken und Piepen vielleicht auf ein ernstes Problem hinwies? Ich beschloss, nachher unauffällig nachzusehen, wo das Radio überflüssig war.

Ein paar Minuten später kam Gitta und fragte, ob das Spülwasser heute extra kochen sollte. Das sei sonst nicht so. Kochen sollte hier eigentlich gar nix, also folgte ich ihr ins Labor. Sie stand da und zeigte ganz stolz auf unser 37 °C-Wasserbad, welches tatsächlich vor sich hin brodelte und meinte: „Guck, das ist neu!“ In der Tat, auch für mich. Jemand musste an den Temperaturregler gekommen sein. Ich drehte ihn zurück auf 37 °C und bedankte mich bei Gitta, dass sie es bemerkt hatte. „Die da in der anderen Abteilung haben das noch nie gemacht.“ Interessant!



Letzte Änderungen: 01.08.2018