Editorial

Übersetzung Chef – TA / TA – Chef

Erlebnisse einer TA (49)

Annette Tietz


Die TA

Neulich stand ich in einer Buchhandlung und schmökerte in allen möglichen Wörterbüchern. Nicht Sprachenwörterbücher, nein, ich meine die ganz besonderen wie „Deutsch-Frau/Frau-Deutsch“. Auch wir Frauen sollen natürlich nicht im Dunkeln tappen und dürfen uns auch über die männlichen Eigenarten in „Deutsch-Mann/Mann-Deutsch“ schlau machen. Sogar für politisch Interessierte gibt es wieder Hoffnung mit „Politiker-Deutsch/Deutsch-Politiker“. Nach der Lektüre von "Arzt-Deutsch/Deutsch-Arzt“ versteht auch der Nichtmediziner unter uns, was ihm fehlt.

Meine Neugierde wurde jedoch erst bei dem Titel: „Chef-Deutsch/Deutsch-Chef“ so richtig entfacht. Da kamen wir der Sache doch schon näher. Analog wäre ein Wörterbuch „Chef-TA/TA-Chef“ sehr hilfreich. Man könnte ja dann im Labor eine Sammelbestellung aufgeben...

Unausgesprochene Dinge

Denn wenn der Chef zum Beispiel sagt: „Legst Du mir bitte die Ausdrucke der heutigen Analysen auf meinen Schreibtisch, wenn Du fertig bist?“ Würde übersetzt in etwa so klingen: „Kann es sein, dass das wirklich so lange dauert?“ (Gut, dass manche Dinge nicht ausgesprochen werden.)

Im Gegenzug würde die scheinbar freundliche Frage der TA: „Sag mal, könnten wir nicht eigentlich die neue Kaffeemaschine für den Pausenraum auf Abteilungskosten bestellen?“ in etwas so übersetzt lauten: „Also Chef, wenn Du nicht bald mit so ner coolen Kaffeemaschine anrückst wie die Nachbarabteilung, sind wir geschiedene Leute.“

Die Frage ihres Chefs bezüglich des von ihr eingereichten Antrags auf dreiwöchigen Urlaub: „Oh, na Du hast ja noch ne Menge Urlaub dieses Jahr!“ könnte übersetzt so klingen: „War sie dieses Jahr nicht schon für drei Wochen weg? Wer hat eigentlich die Regelung für 30 Tage Urlaubsanspruch erfunden? Wollen die denn gar nicht mehr arbeiten?

Die Frage der TAs, ob sie heute ausnahmsweise mal etwas früher gehen könnten und den Versuch dann morgen früh gleich nachholen, würde flink übersetzt so in Chefs Ohr ankommen: „Also der Versuch ist ja nun nicht so wichtig und ich muss weg, weil ich mit einer Freundin zum Shoppen verabredet bin.“

Kommt Ihr Chef in den nächsten Wochen zu Ihnen und fragt ganz beiläufig, wer sich eigentlich dieses Jahr um die Weihnachtsfeier kümmert, dann wissen Sie diese nett gemeinte Frage folgendermaßen zu verstehen: „Ich mag es eigentlich gar nicht laut aussprechen, aber ich bräuchte irgendjemanden, der sich bereit erklärt, die Weihnachtsfeier zu organisieren und bitte bitte haltet mich da raus, ich habe genug zu tun und keine Lust auf solche Banalitäten.“

Wenn Sie Ihren Chef möglicherweise fragen wollten (Achtung: Konjunktiv!), ob die Daten wirklich noch diese Woche für das Paper fertig werden müssen, dann kann ich Ihnen nur raten: Fragen Sie nicht! Diese Frage kann man nicht blumig formulieren. Machen Sie die Daten einfach fertig! Denn egal, wie man das ins Chef-deutsch übersetzt, es hört sich nicht gut an!

Wenn Sie krank geschrieben waren und nach ein paar Tagen wieder zurück ins Labor kommen, dann sollten Sie sich über folgenden Satz auf jeden Fall freuen (auch wenn es erst mal schwer fällt): „Ah, da bist Du ja wieder, es gibt viel zu tun!“ Eigentlich möchte Ihnen Ihr Chef damit sagen, dass er sehr froh ist, Sie wieder zu sehen, weil ihm mal wieder bewusst wurde, wie viele Dinge liegen bleiben, wenn Sie nicht da sind! Ohne Sie geht gar nichts.

Chefs sind auch nur Menschen (sic!), sie können das nur nicht so rüberbringen!

Auch bei der non-verbalen Kommunikation kann es durchaus Übersetzungsbedarf geben: Wenn Sie um 17 Uhr das Labor im Laufschritt verlassen und sich die Stirn Ihres Chefs in Falten legt, könnte er damit meinen: „Ist es schon wieder so spät? Ich bin doch gerade erst aus der Mittagspause gekommen.“ Oder er fragt sich lediglich: „Warum rennt die denn plötzlich so?“

Wenn Ihnen noch mehr Übersetzungen einfallen, schreiben Sie sie auf und legen Sie sie zusammen mit diesem Artikel auf den Schreibtisch Ihres Chefs. Dann klappt es auch mit der Kaffeemaschine der Nachbarn!



Letzte Änderungen: 01.08.2018