Editorial

Falsch temperiert

Erlebnisse einer TA (94)

Annette Tietz


Die TA

Da soll sich mal jemand über den deutschen Sommer beschweren... Endlich Sonnenschein, wolkenloser Himmel und anhaltende Urlaubstemperaturen. Und das wochenlang. Ein Traum... Nein? Dann arbeiten Sie wohl auch in einer klimaanlagenfreien Zone?

In meinem Labor jedenfalls muss man den Heizblock gerade gar nicht erst auf 37 °C hochheizen. Und als ich mal fragte, warum eigentlich nicht jedes Labor klimatisiert sei, hieß es: Nur für Räume, in denen teure, sensible Geräte stehen, wird eine Klimaanlage bewilligt.

Liebe Herrscher über die Bewilligung von Klimaanlagen – ich werde Ihnen jetzt mal einen Einblick in die Gefühlswelt einer (Temperatur)-sensiblen, teuren TA geben, die versucht ihre eigene Körpertemperatur nicht unter die Raumtemperatur fallen zu lassen.

Immer mittig vor dem Kühlschrank

Als ich neulich morgens unser Labor betrat, spielte ich kurz mit dem Gedanken, eines der tollen teuren und sensiblen Geräte aus dem Nachbarlabor hier rüberzuschieben. Dann würde ich die Damen und Herren der Verwaltung anrufen, um ihnen das mitleiderregende Pfeifen der Maschine vorzuführen – und ihnen postwendend den ausgefüllten Antrag auf Temperatursenkung mittels Hilfsgerät unter die Nase halten. Natürlich würde ich völlig entspannt, frisch, nicht schwitzend und lächelnd daneben stehen. Schließlich bin ich weder teuer noch sensibel und verfüge über eine nicht enden wollende Temperaturselbstregulierung.

Stattdessen bereitete ich zunächst mal ein Eisbad vor, um die Zellen vor Hyperventilation zu bewahren. Danach öffnete ich den Kühlschrank und suchte gaaaanz in Ruhe, seeeehr entspannt und blooooß nicht hektisch meine Reagenzien für den heutigen Versuch heraus. Nur keine schnellen Bewegungen dabei und immer mittig vor dem Kühlschrank bleiben...

Den Vormittag verbrachte ich also damit, wahlweise mich oder andere Dinge zu kühlen, und ging sehr oft zu Kühl- oder gar Gefrierschrank, um mir einen kurzen Kühlschock zu verpassen. Die Zeit, die ich durch das sehr gemächliche Arbeiten verlor, sparte ich beim Vorheizen von Wasserbad und Heizblock wieder ein.

Auch meine Kollegin schien mit der tropischen Temperatur nicht ganz klar zu kommen, teilte aber offenbar meine aktuelle Vorliebe für den Kühlschrank. Sie öffnete sämtliche Schachteln und stellte sie kopfschüttelnd wieder zurück. „Hast Du heute schon den CD19-PE-Anti­körper benutzt?“ Ich schaute auf mein Eisbad, welches längst den Aggregatzustand gewechselt hatte und stellte fest: Ich hatte. Das stand zumindest auf meinem Tube. „Wer hat den denn in das Wasserbad bei 37 °C gestellt?“– entsetzte Frage von links. Ja also, wer kommt denn auf so ‘ne Idee? Und dann auch noch in mein Wasserbad! Ähemm...

Rot werden konnte ich nicht mehr, mir war ja schon heiß – und „rot“ war gar kein Ausdruck! Wie konnte ich mir einen Kühlschrankgang entgehen lassen? Und was hatte ich mir überhaupt dabei gedacht? Diese Frage stellte ich mir an diesem Tag noch öfter in anderem Zusammenhang. Warum heizte ich meine PCR-Maschine nur auf 37 °C anstatt 95 °C vor? Wieso legte ich meine Pipette in den Kühlschrank? Warum unterschrieb ich nicht auf der Bestellung, sondern in meinem Laborbuch?...

Und ganz nebenbei: Warum piepste unser 37 °C-Brutschrank? Der war wohl mit ein paar tausend Euro nicht teuer genug für den Klimaraum.

Liebe TAs, wenn wir schon nicht teuer genug sind, dann müssen wir vielleicht sensibler werden.



Letzte Änderungen: 01.08.2018