Editorial

Plattenprobleme

Erlebnisse einer TA (105)

Annette Tietz


Die TA

Neulich bat mich meine Kollegin, eine Transfektion für sie anzusetzen: „Im Brutschrank stehen drei Platten mit Zellen. Nimm einfach die, in der die Zellen am besten aussehen! Das sollte bitte gleich angesetzt werden, ich muss jetzt zum Seminar!“ Klare Ansage.

Die Platten waren sogar mit „Annette Transfektion Dienstag“ beschriftet. Ich nahm sie aus dem Brutschrank und machte es mir am Mikroskop gemütlich. Die Zellen in Platte 1 sahen zwar gut aus, aber irgendwie inhomogen: Einige kleine, ein paar größere, und am Rand waren sie in Trauben zusammengewachsen. Nicht überzeugend, sie sollten einzeln wachsen und gleich aussehen.

Ich nahm die zweite Platte vom Stapel. Schöne runde, gleichmäßig große, strahlende Zellen schauten mir entgegen. Na also, geht doch! Aber waren das nicht zu wenige? Ich brauchte mindestens eine Million Zellen. Das sah mir nicht danach aus; die hatten noch ordentlich Platz da drin.

Beherzt griff ich zur letzten Platte und funkelte die Zellen von der anderen Seite des Mikroskops böse an. Doch es half nix. Die Zellen sahen zwar ganz okay aus, und genug waren es wohl auch. Aber was waren diese fluffigen Fäden da drin? Die schwammen überall, und am Rand setzten sie sich ab.

Wer soll dein Herzblatt sein?

Na super! Sowas hatte ich noch nie. Eine Kontamination? Das Medium sah gut aus, und trüb war es auch nicht. Ich schaute nochmal auf die Beschriftung. Hatte ich doch den falschen Stapel Platten genommen? „Annette Transfektion Dienstag :-)“ – sogar ein Smiley war mit drauf. Leider zeichnete sich ein solcher nicht in meinem Gesicht ab. Was nun?

Irgendwie erinnerte mich diese Konstellation an Rudi Carrells Sendung „Herzblatt“ aus den 90er Jahren. Darin mussten sich immer völlig überforderte Damen für einen Mann entscheiden, ohne ihn zuvor sehen zu können. Jedes Mal fasste kurz vor Schluss die Stimme einer gewissen Susi aus dem Off etwa folgendermaßen zusammen:

„Also Annette, wer soll nun dein Herzblatt sein? Die Zellen aus Platte eins, die Individualismus groß schreiben und unterschiedliches Aussehen an den Tag legen, sich traubenmäßig zur Demonstration zusammentun und um die Wette leuchten?...

Oder die Strahlemänner aus Platte zwei, die zwar wie einem Ei dem anderen gleichen, sich aber so dufte finden, dass sie nicht gleich in Massen auftreten. Vielleicht können sie dich dennoch durch ihr perfektes Aussehen bestechen?...

Oder die Kandidaten aus Platte drei, die smarten Jungs, die sich fluffige Unterstützung geholt haben, um ihr langweiliges Wohnambiente aufzubessern? Kein Wunder, dass sie jetzt so knackig und leuchtend rüberkommen und auch ausreichend zur Stelle sind...

So, liebe Annette, jetzt musst Du Dich entscheiden!

Damals war ich mir sicher, dass im „Herzblatt“-Publikum jemand der Kandidatin durch irgendwelche Zeichen den entscheidenden Hinweis gab, welcher der drei Typen am tollsten war. Verstohlen schaute ich mich im Labor um. Mein Kollege pipettierte eifrig vor sich hin… Kein Hinweis.

Mir kamen wieder die Worte meiner Kollegin ins Gedächtnis: „Das sollte bitte gleich angesetzt werden, ich muss jetzt zum Seminar!“ Ich musste mich tatsächlich langsam entscheiden. Ich hörte schon, wie Susi sich räusperte...

Ich schloss die Augen und griff beherzt zu. Schließlich hatten von den 926 Herzblatt-Paaren zwei geheiratet, obwohl sie sich „blind“ kennengelernt hatten. Vielleicht hatte ich jetzt bei „Herz-Platte“ ähnliches Glück...



Letzte Änderungen: 01.08.2018