Editorial

Naht- und reibungslos

Erlebnisse einer TA (110)

Annette Tietz


Die TA

Im Labor wird ja allerhand angekündigt: Seminare, Vorträge, Verteidigungen, Begutachtungen, Sicherheitsbelehrungen... Aber es gibt auch Ankündigungen der anderen Art: Kuchenessen anlässlich eines Geburtstags, Promotionsfeiern, Weihnachtsfeiern,...

Neulich hing eine Ankündigung der ganz anderen Art aus: „Am Montag kommen die Fensterputzer ins Labor. Stellen Sie bitte sicher, dass die Fensterbänke frei zugänglich sind, damit die Arbeit zügig und ohne Verzögerung durchgeführt und ein reibungsloser Übergang von Labor zu Labor gewährleistet werden kann.“

Das nenn‘ ich mal ‘ne Ankündigung! Sofort formulierte ich im Geiste selber eine: „Liebe Kollegen, am kommenden Dienstag steht ein großer Versuch mit aufwändiger Analyse an. Bitte sorgt an dem Tag für einen flotten Ablauf ohne Unterbrechung und Verzögerung, damit ein reibungsloser Übergang von der Vorbereitung zur Analyse gewährleistet werden kann.“ Genial!

Schließlich verwarf ich die Idee jedoch. Zu geringe Erfolgschancen! Durch das ganze Nachdenken hatte ich jedoch vergessen, mir den Termin für die anstehende reibungsfreie und nahtlose Putzaktion einzuprägen...

Verzögerungs- und streifenfrei

An besagtem Montag stand dann plötzlich ein Mann in unserem Labor und meinte: „Ich bin dann bald bei euch!“ Ich blickte kurz von meinem Enzymverdau-Wirrwarr hoch, schaute ihn an und dachte: „Hey, das nenn ich mal ‘ne couragierte Vorstellung des neuen Mitarbeiters!“ Kurz und knackig: „Hey Leute, ich komm dann bald zu euch ins Labor, wollte nur mal kurz Hallo sagen – und ab Montag geht‘s los.“

Nachdem die von ihm erhoffte Aktion, nämlich, dass ich sofort aufspringe und die Wege zu unseren Fenstern frei räumen würde, ausblieb, wedelte er mit einem Wischer durch die Luft, um seine Absichten zu verdeutlichen.

Jetzt klingelte es auch endlich bei mir. Ich sprang auf und wollte gerade meine auffällig ruhigen Mitarbeiter motivieren, dass wir schnellstmöglich den Weg zu den Fenstern frei machen sollten, als mir auffiel, dass ich tatsächlich alleine im Labor saß. Dann behielt ich wohl die Gewalt über verzögerungsfreie Nahtlosigkeit. Ich gab mir beste Mühe, was auch wichtig war, denn keine fünf Minuten später stand mein neuer Beinahe-Mitarbeiter wieder vor mir. Dieses Mal bewaffnet mit Wischer und Eimer. „Darf ich?“, und stürzte sich auf unsere Fenster. Fasziniert schaute ich zu, wie er es hinbekam, in Sekundenschnelle unsere Fenster nicht nur zu putzen, sondern sie auch streifenfrei zu hinterlassen. Nahtlos und reibungsfrei, ohne Verzögerung versteht sich!

Ich schmiedete schon einen Plan, wie ich ihm meine Privatadresse auf seiner Liste unterjubeln könnte, damit ich zu Hause auch mal in den Genuss von zügig reibungslos geputzten Fenstern käme. Das Problem war nur: Er hatte gar keine Liste dabei!

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, für ein verzögerungsfreies Weiterarbeiten im Labor zu sorgen, indem ich reibungslos alles wieder an seinen Platz zurückstellte. Während ich gerade die Daten des letzten Versuchs ausdruckte, bewunderte ich noch einmal die streifenlosen Fenster.

Plötzlich stand mein Chef neben mir: „Sieht gut aus!“ Ich holte gerade tief Luft, um ihm begeistert die ganze Geschichte über die streifen- und reibungsfreie Putzaktion zu erzählen, als ich gerade noch merkte, dass sich seine Begeisterung auf den Ausdruck der Daten bezog. Aber auch die waren schließlich reibungsfrei, nahtlos und ohne Verzögerung erstellt worden!



Letzte Änderungen: 01.08.2018