Editorial

Der Kalle und ich

Erlebnisse einer TA (113)

Annette Tietz


Die TA

Ich bin mir nicht immer sicher, was ich von Hotlines halten soll. So habe ich auch neulich wieder lange überlegt, ob ich anrufen soll – oder lieber nicht. Aber nachdem sich die Glasplatte in meinem Gefriermikrotom standhaft geweigert hatte, meinen Anweisungen zu folgen, und ich auch aus dem Anleitungsheft nicht schlau wurde, wählte ich schließlich doch eine der Hotline-Nummern. Der freundliche Herr konnte mir zwar spontan auch nicht weiterhelfen, versprach aber, mich postwendend zurückzurufen, nachdem er sich mit der Abteilung für Konstruktion und Technik beraten habe.

Das war jetzt eine Woche her. Inzwischen kannte ich zwar den Abschnitt „Troubleshooting“ auswendig, aber immer noch konnte nichts die Glasplatte zur Teamarbeit bewegen. Also rief ich erneut bei der Hotline an, dieses Mal die direkte Durchwahl des Vertreters meines Vertauens.

Der Kalle ist auf Malle

„Wohlmüller, was kann ich für Sie tun?“ Wohlmüller? So hieß er aber letzte Woche noch nicht. Ich schilderte kurz mein Anliegen. „Wissen Sie, der Karlheinz Herrmann ist diese Woche im Urlaub auf Mallorca, ich bin nur die Vertretung.“ Dachte ich mir‘s doch: Der Karlheinz Herrmann war das. Ich hatte damals nämlich noch überlegt, was davon wohl der Vorname sei. Schön, dass der Vertreter meines Vertrauens gerade Malle unsicher macht, wo wir doch erstmal ein Problem zu lösen hatten...

„Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Einen Versuch war‘s wert. Ich schilderte also mein Problem, woraufhin Herr Wohlmüller in der Kundendatei nachschaute. „Da steht: ‚Nach nettem Gespräch mit der Kundin Abteilung für Technik kontaktiert‘.“ Fast wurde ich rot. Andererseits hatte er mir in unserem „netten Gespräch“ verheimlicht, dass er bald in Urlaub fährt. So dicke waren wir also doch nicht – der Kalle und ich.

„Jetzt schau‘ ich mal, ob da noch was zur Lösung ihres Problems steht.“ Herr Wohlmüller zeigte vollen Einsatz, konnte mir aber letztlich auch nicht weiterhelfen. Es war ihm spürbar unangenehm – und ich glaube, insgeheim wäre er wohl auch lieber mit Kalle auf Malle. Ich im Übrigen auch. Also nicht mit Kalle. Aber die Tatsache, dass Kalle gerade relaxt am Strand lag, während ich noch immer auf meine wackelige Glasplatte schaute und Herrn Wohlmüller am Ohr hatte, war nicht gerade aufmunternd.

„Wie dringend muss denn das Problem mit der Glasplatte behoben werden?“ Herr Wohlmüller fühlte sich gar nicht mehr so wohl. In den Aufzeichnungen von Kalle stand zwar mein Problem beschrieben, aber von einer Lösung war weit und breit keine Spur. Ich wusste nicht recht, was ich antworten sollte – aber grundsätzlich wär‘s schon super, wenn das Mikrotom noch während meines laufenden Vertrages wieder in Gang käme.

„Ich könnte Karlheinz, also Herrn Herrmann auch kurz kontaktieren...“ Das ging mir dann aber doch zu weit. Ich wäre auch nicht gerade überglücklich, wenn ich mitten im Urlaub eine Nachricht von Kalle bekommen hätte – etwa mit folgendem Wortlaut: „Wir haben die Lösung für Ihr Anliegen gefunden: Fixieren Sie die Feststellschrauben neu und justieren Sie die seitliche Halterung mit den Schienen rechts und links im 90-Grad-Winkel, so dass die Glasplatte seitlichen Abschluss findet und auf Deckung kommt.“

Ich glaube, so eine Nachricht hätte ich sofort gelöscht. Oder ich hätte spontan mit Kalle Bruderschaft getrunken.



Letzte Änderungen: 01.08.2018