Editorial

Einstein, bitte notieren!

Erlebnisse einer TA (117)

Annette Tietz


Die TA

Im Zeitalter moderner Technik hat man ja das Gefühl, man ist schon „Old School“, wenn man noch im Besitz einer Kaffeemaschine mit Filtereinsatz ist, in die gemahlene Kaffeebohnen gefüllt werden. Es scheint, als müsse alles digitalisiert werden. „Handmade“ ist out.

Da schnürt sich das kleine TA-Herz schon manchmal etwas zusammen und schaut verängstigt unter der untersten Rippe durch, um nachzusehen, ob man nicht auch bald digitalisiert wird und überflüssig ist. Es gibt ja jetzt schon genügend blinkende Maschinchen, die uns die Arbeit „erleichtern“ sollen.

Aber nicht nur im Labor, auch privat wird man langsam von digitalen Freunden unterwandert, die – wenn man den Herstellern Glauben schenken darf – unser Leben vereinfachen. Die Rede ist von Internet-basierten und intelligenten persönlichen Assistenten, die mittels Sprachsteuerung die im Raum gesprochenen Worte digitalisieren und in die Tat umsetzen.

Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, inwieweit so ein kleiner Intelligenzbolzen mein Privatleben erleichtern soll, aber im Labor fallen mir da so einige Dinge ein...

Wir reisen ins Jahr 2028. Von dem seit nunmehr über 15 Jahren erfolgreich getesteten Assistenten gibt es nun endlich auch eine Laborvariante: Einstein.

Etwas zu genau protokolliert

Einstein stand mitten im Labor und war voller Tatendrang. Wir musterten ihn eingängig und beschlossen, ihm eine Chance zu geben. Schließlich fielen uns eine Menge Dinge ein, die er für uns übernehmen konnte. Auch wenn mir nicht so ganz wohl bei der Sache war. Nicht, dass er sich zu gut anstellte...

Ich wuselte durch das Labor wie immer. Ich pipettierte wild umher und gab Einstein immer wieder Befehle: „Bitte notiere folgende Zellzahlen ... Bitte vermerke die Kontrollen in folgender Reihenfolge ... Bitte erinnere mich in 25 Minuten daran, ein Foto vom Gel zu machen ... “

Einstein gehorchte brav, gab mir permanent Feedback und erinnerte mich punktgenau an alles, was ich ihm diktiert hatte. Ich brauchte nicht mal das Rezept für den Puffer mitzunehmen, Einstein wusste alles. Als ich den Puffer fertig angesetzt hatte und ihn bat, diesen Punkt von der Liste zu streichen, beschwerte er sich, dass ich ihm noch nicht den pH-Wert durchgegeben hätte. So langsam gefiel mir der neue Laborkollege...

Am Nachmittag kam der Chef ins Labor und erkundigte sich nach den PCR-Ergebnissen. Die Ergebnisse der verschiedenen PCRs lagen in Form von Gel-Fotos auf meinem Schreibplatz verteilt. Da Einstein ja alles wusste, waren die Fotos nur mit Nummer 1 bis 7 beschriftet.

Mein Chef nahm das erste Foto, schaute irritiert und fragte: Ist das die HPRT-PCR? Ich fragte bei Einstein nach – und er versicherte, dass Foto Nummer 4 die HPRT-PCR sei, und zählte auch gleich die Reihenfolge der Kontrollen auf. Ich war stolz auf unsere Teamarbeit.

„Und welche PCR ist das?“ Mein Chef reichte mir ein Foto rüber. Ich bat Einstein um die genauen Daten. Die kamen dann auch, allerdings für meinen Geschmack etwas zu genau: „Auf Gel Nummer 5 ist die CD19-PCR zu sehen. Im Anschluss an die acht Proben kommen die Positivkontrolle, dann die Negativkontrolle und zum Schluss die Wasserkontrolle. Hoffentlich hat die PCR funktioniert, die cDNA hat kaum ausgereicht ... Mist, der Puffer ist auch schon knapp ... Na ja, 18µl werden schon reichen. Der Chef wird schon nicht nachfragen ...“

Vielleicht doch zu viel künstliche Intelligenz im Labor?



Letzte Änderungen: 01.08.2018