Editorial

Lyrischer Weihnachtsputz

Erlebnisse einer TA (142)

Maike Ruprecht


Die TA

Beim weihnachtlichen Laborgroßputz findet man mitunter Sachen, von denen niemand mehr weiß, wozu sie ursprünglich mal gedacht waren. Kleine Plastikscheiben mit und ohne Loch in der Mitte oder wie unförmige Knöpfe aussehende weiße Kappen. Solche rätselhaften Sachen bringt man dann in den Keller. Auf dass der nächste Finder in ferner Zeit vielleicht etwas damit anzufangen weiß.

Wir entleeren alte Pufferflaschen, entsorgen auf Oblatenstärke eingetrocknete Agarplatten und fegen in Winkeln, wo seit Ewigkeiten kein Mensch mehr war. Erstaunlich, wie viele Spitzen, Eppis und Wollmäuse sich unter den Schränken tummeln. Dabei arbeiten wir gar nicht mit Mäusen, sondern mit Pflanzen und Cyanobakterien.

Immerhin wirkt das Zeug unter den Schränken erstaunlich inspirierend – und ich verfasse spontan ein Elfchen (ein Gedicht aus elf Wörtern):

Pipettenspitzen
Leere Boxen
Wollen gefüllt werden.
Oft ungeliebt, aber nötig.
Stecken.

Die Suche nach einem Besen treibt mich ins Nachbarlabor, wo es zwischen mir und einem altgedienten Doktoranden zu folgendem Dialog kommt:

Ich: „Darf ich mir den Besen von euch ausleihen?“

In seinen Augen beginnt es schelmisch zu funkeln.

„Ich muss kurz zum Blocksberg“, setze ich rasch hinzu.

Er: „Das wollte ich gerade sagen.“

Ich: „Ich weiß, darum habe ich es auch zuerst gesagt.“

Diesen Witz bringt er seit zwei Jahren.

Nach dem Fegen fülle ich einen Eimer mit lauwarmem Wasser, füge einen Schluck blaugrünes Putzmittel hinzu, tauche einen Schwamm hinein, wische damit halbherzig über den Rand des Waschbeckens und warte – aber kein muskulöser, kahlköpfiger Mann im weißen T-Shirt erscheint. Seufzend greife ich selbst wieder zum Schwamm.

Was macht man, wenn man keine Lust aufs Putzen hat? Man verfasst einen Haiku (5 Silben – 7 Silben – 5 Silben):

Labor, Staub, Flecken,
Putzlappen, noch mehr Staub, Schwamm,
lustlos, Küche, Tee.


Eine Reihe blauer Kleckse unter dem Abzug erweist sich als überaus hartnäckig. Ich schrubbe wie einst Lady Macbeth. „Fort verdammter Fleck, fort, sag ich!“ Wobei besagte Dame sich von moralischen Unreinheiten reinwaschen wollte. Diese Flecken sind wahrhaftig da. Und wie!

Oder hat einer meiner Kollegen hier seine künstlerische blaue Periode ausgelebt? Darf das dann überhaupt weg?

Sicherheitshalber stelle ich umgehend jegliche Putztätigkeit ein und mache erstmal Pause. Wäre doch tragisch, wenn ich in meinem Putzwahn ein Kunstwerk zerstöre. Besser nichts riskieren.

Zum Jahresabschluss noch ein weihnachtliches Uni-Akrostichon, oder ein universitäres Weihnachts-Akrostichon:

Forschung ruht fakultätsübergreifend
Rund um den Campus
Ohne Bedauern
Hörsäle sind verwaist
Es naht die stille Zeit
Studien können warten
Feiertage sind gekommen
Enten braten im Ofen
Schnee fällt auf alle Dächer
Taumelnder Flockentanz.



Letzte Änderungen: 08.12.2020