Editorial

Tipp 136:
Wenn die Fermenter-Pandemie zuschlägt

Trick 136

Landemanöver des Bakteriophagen T4 auf einer E. coli-Zelle.

In Zeiten von Vogel- und Schweinegrippe übersieht man leicht einen Virentyp der Tag für Tag weit mehr Opfer fordert als sämtliche Influenzaviren zusammen – die Bakteriophagen.


Tipp: Phagenbekämpfung

Wie alle Viren sind auch Phagen auf die Hilfe einer Wirtszelle angewiesen, um sich selbst zu reproduzieren. Dazu injizieren sie zunächst ihre DNA oder RNA in die Bakterienzelle, die daraufhin die Synthese der Virenproteine und deren Zusammenbau zu neuen Phagen übernimmt. Sobald diese hergestellt sind platzt die Wirtszelle und macht den Phagen den Weg frei für eine neue Infektionsrunde. Im Gegensatz zu Grippepatienten ist die Behandlung „erkrankter“ Bakterienzellen äußerst schwierig oder ganz unmöglich, so dass nach Phageninfektionen meist hohe Verluste in den betroffenen Kulturen zu beklagen sind. Hinzu kommt, dass das integrierte Phagengenom häufig gut versteckt ist. Während man H5N1- oder SARS-Erreger mittlerweile via RT-PCR innerhalb von acht Minuten nachweisen kann, gibt es für die meisten wirtsspezifischen Bakteriophagen keine kommerziellen Testkits.

Infektionen lysogener Phagen sind insbesondere bei der Produktion von Milchprodukten oder der großtechnischen Herstellung von Enzymen sehr gefürchtet. Weil Bakteriophagen selbst unter trockenen Verhältnissen jahrelang überleben können, ist steriles Arbeiten während der Beimpfung von Kulturgefäßen und Gute Hygienepraxis obligatorisch. Ist dennoch eine Phageninfektion aufgetreten, muss man sämtliche Gegenstände, zum Beispiel Filtereinheiten, die Kontakt mit der betroffenen Kultur gehabt haben könnten reinigen und desinfizieren. Dazu eignen sich UV-Lampen oder auch chemische Desinfektionsmittel.

Selbst bei bester Hygiene kann eine Infektion mit Bakteriophagen aber niemals vollständig ausgeschlossen werden. In diesem Fall kann man versuchen die infizierten Kulturen mit einigen einfachen Maßnahmen zu retten. Bei Kulturen, in denen die Wachstumsgeschwindigkeit der Bakterien keine Rolle spielt, lässt sich das Phagenwachstum fast komplett unterdrücken, wenn man die Verdopplungsraten unter 0,1 mal pro Stunde verringert. In großen Fed-Batch-Kulturen sollte man beim ersten Anzeichen einer Infektion die Zufuhr der Kohlenstoffquelle stoppen, um die Phagenentwicklung zu bremsen. Als zusätzliche Maßnahmen kann man die Temperatur unter 20 °C absenken oder den pH-Wert des Kulturmediums verschieben.

Um eine Phageninfektion möglichst frühzeitig zu erkennen ist es unerlässlich die eingesetzten Bakterienstämme kontinuierlich zu verifizieren. Bekannte Phagen lassen sich mithilfe von elektrischen DNA-Chips nachweisen, fremde Kontaminationen mittels klassischer Mikrobiologie und spätestens wenn der Bakterienrasen mit Phagenplaques übersät ist, sollte man sich daran machen die Produktionsstämme zu überarbeiten.

Andrea B. Dreusch
MicroMol










Letzte Änderungen: 22.12.2009