Editorial

Tipp 233: Klare Abbildungenstatt Bilderrätsel

(08.04.2021) Nicht nur manipulierte wissenschaftliche Abbildungen sind ein Problem. Auch unverständliche, schlecht dargestellte Bilder können schnell zu Fehlinformationen führen. Helena Jambor, wissenschaftliche Koordinatorin am Mildrid-Scheel-Nachwuchszentrum Dresden, erklärt, wie man sie vermeidet.

Bilder sind in der biomedizinischen Forschung weit verbreitet, um qualitative und quantitative Beobachtungen zu dokumentieren. Jedes Jahr werden mehr als 800.000 neue Publikationen auf PubMed indiziert, von denen fast 25 Prozent Bilddaten enthalten (IEEE Transactions on Big Data 4(1): 117-29)

Mit der steigenden Bilderzahl erhöht sich unweigerlich auch die Anzahl problematischer Abbildungen, die nicht den Standards der „Guten wissenschaftlichen Praxis“ genügen. Bekannt sind viele Fälle von Bildmanipulationen, über die auch Laborjournal immer wieder berichtete. Irreführende Bilder, die absichtlich oder unwissentlich, etwa durch unsachgemäße Bildbearbeitung entstehen, finden sich in etwa vier Prozent aller Publikationen (mBio 7(3): e00809-16; J. Cell Biol. 166(1): 11-5). Angestoßen von prominenten, aufsehenerregenden Fällen wurden von Wissenschaftlern und Editoren Richtlinien erarbeitet, die festlegen, wann ein Manuskript zurückgezogen werden muss.

Problematisch sind aber auch Bilder, die Daten zwar wahrheitsgemäß präsentieren, die für das Publikum jedoch nicht verständlich sind. Eine internationale Gruppe, die von Tracey Weissgerber vom Berlin Institute of Health an der Charité und mir angeführt wurde, untersuchte die Bildqualität in Top-Journalen der Physiologie, Zellbiologie und Pflanzenwissenschaften. Unser Team analysierte zum Beispiel, ob Maßstab, Farben sowie Bildausschnitte verständlich waren und auch erklärt wurden (bioRxiv doi: 10.1101/2020.10.08.327718).

Farbenblinde nicht vergessen

Etwa zehn Prozent der männlichen Bevölkerung sind rotgrünblind. Dennoch waren erstaunlicherweise 30 bis 50 Prozent der untersuchten Bilder und 20 Prozent der Bild-Annotationen für Farbenblinde nicht lesbar. Um Details eines Bildes zu zeigen, werden oft vergrößerte Ansichten in Boxen dargestellt, die im Ausgangsbild gekennzeichnet werden sollten. In ungefähr 35 Prozent der Fälle fehlte diese Kennzeichnung oder wurde nicht korrekt ausgeführt. Maßstabsinformationen sollten in wissenschaftlichen Bildern grundsätzlich enthalten sein, fehlten aber de facto bei der Hälfte der untersuchten Bilder oder waren unvollständig. Zudem stellte sich heraus, dass Legenden und Methodenbeschreibungen von Bilddaten oft unvollständig sind, wodurch sich die Datenreproduzierbarkeit erheblich reduziert. Damit bestätigten sich auch die Ergebnisse einer US-amerikanischen Gruppe, die im letzten Jahr Abbildungen in 240 Publikationen untersuchte, die in acht verschiedenen Journals erschienen waren (eLife 9: e55133).

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Bei der Aufbereitung und Darstellung wissenschaftlicher Abbildungen sollte man sich an ein klar strukturiertes Schema halten. Illustration: Helena Jambor

Wenn Bilder nicht eindeutig zu verstehen sind, sinkt nicht nur das Vertrauen der Betrachter in die Daten – die Forschungsergebnisse werden auch weniger wahrgenommen und geraten schneller in Vergessenheit.

Um die Bildqualität in wissenschaftlichen Publikationen zu erhöhen, entwickelte ich zusammen mit Christopher Schmied vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie im Forschungsverbund Berlin e. V. einen Workflow für die Integration von Abbildungen in Publikationen, der in Form von „Cheat Sheets“ für jeden Schritt eine schnelle Orientierung bietet (F1000Research 9: 1373).

Grundsätzlich sollte man immer ein Bildduplikat bearbeiten und nie das Original. Beim Öffnen muss man sicherstellen, dass Metadaten richtig eingelesen werden. Bei dem Bildbearbeitungsprogramm FIJI/ImageJ geschieht dies zum Beispiel mit dem Plugin Bio-Formats. Nach jeder Bearbeitung sollte man das Bild sichern und dabei folgende Punkte beachten: In TIFF-Dateien bleiben Informationen erhalten, können aber nicht in Grafiksoftware (zum Beispiel Inkscape, PowerPoint) dargestellt werden. Das PNG-Format fusioniert Informationen, sodass zum Beispiel Helligkeit und Kontrast nicht mehr geändert werden können. Die Bilder können aber für Präsentationen genutzt werden. JPEG sollte man wegen der Datenverluste bei der Komprimierung nur ausnahmsweise verwenden.

Bilder mit einem weiten Grauwert-Spektrum können beim ersten Öffnen, etwa mit dem Programm FIJI, schwarz erscheinen. Helligkeit und Kontrast muss man dann entsprechend anpassen. Um Daten in Bildern zu vergleichen, sollten feste Intensitätswerte verwendet werden. Lineare Intensitätsanpassungen sind vorzuziehen, dürfen aber keine Bildmerkmale verschwinden lassen (Cheat Sheet 10, 19, 25). Nichtlineare Anpassungen (Histogramm-Ausgleiche oder Gammakorrekturen) dürfen nur in Ausnahmen verwendet werden und müssen erklärt werden.

Mehr zu den Effekten von Intensitätsanpassungen findet man in einem ausführlichen Review zur Bearbeitung biowissenschaftlicher Bilder von Kota Miura und Simon Nørrelykke (EMBO J. 40: e105889).

Bildkorrekturen erklären

Oft ist eine detaillierte Bildverarbeitung notwendig: 3D-Darstellungen, Movies oder Volumenänderungen erfordern eine Projektion (Rendering). Bilder mit starkem Hintergrund-Signal (Rauschen) werden in der Regel mit Filtern und Dekonvolution korrigiert. Diese Schritte muss man im Methodenteil klar beschreiben.



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Ausschnitt aus den Cheat Sheets zur Präsentation und Publikation wissenschaftlicher Bilddaten. Die kompletten Cheat Sheets können Sie unter https://tinyurl.com/4vrupshf herunterladen. Bild: Helena Jambor


Zur besseren Vergleichbarkeit muss man Bilder oft drehen, etwa um die anatomische Orientierung von Proben auszurichten. Bilddrehungen erfordern meist eine Neuverteilung und Interpolation der Intensitätswerte im festen Bildpixelraster. Ausnahme: Drehungen in Vielfachen von 90-Grad-Schritten können auch ohne Interpolation neu geordnet werden. Bildverlust zur Visualisierung ist vertretbar, allerdings kann dann keine Intensitätsquantifizierung mehr erfolgen.

Am Mikroskop werden große Bildfelder erfasst. Um den Leser auf das relevante Ergebnis zu fokussieren, ist vielfach eine Bildbeschneidung notwendig. Das Ausschneiden von Daten, welche die Interpretation des Experiments verändern würden, oder „Rosinenpicken“ von Daten ist nicht zulässig. Wenn ein Zoom-Bild neben dem Vollbild gezeigt wird, sollte dessen Ausgangsort im Original gekennzeichnet werden. Achtung: Die Bildgröße nicht in der Bildbearbeitungssoftware anpassen, da dies eine Interpolation der Pixel erfordert und die Bildqualität beeinträchtigen kann.

Fluoreszenzbilder erfassen die Wellenlänge (Kanal) in separaten Graustufenbildern. Mit Graustufen können Daten mit maximalem Kontrast dargestellt werden, sie erleichtern dem Leser deshalb das Erkennen von Details. Die Invertierung der Intensitäten, mit weißem Hintergrund und schwarz dargestellten Intensitäten, kommt der menschlichen Helligkeitswahrnehmung am nächsten. Verwenden Sie bei mehrfarbigen Bildern Farbkombinationen, die farbenblind-verträglich sind (Test: colororacle.org).

Maßstabsinformationen sind für wissenschaftliche Bilder unerlässlich. Ideal ist ein Balken mit Dimension auf oder neben dem Bild. Man sollte aber auch Farbschemata, verwendete Symbole und Boxen annotieren. Schriftgrößen sollten in der finalen Bildgröße noch lesbar sein. Mithilfe der Beschriftung und der Legende muss der Betrachter das Bild vollständig verstehen können.

Verständliche Bilder in Publikationen sind wichtig für die Nachvollziehbarkeit und das Vertrauen in wissenschaftliche Daten. Dank genauer Beschreibungen, Annotationen und Maßstabsinformationen können wir heute noch Erkenntnisse aus antiken Bildern gewinnen. Dies sollten sich Biowissenschaftler zu Herzen nehmen, damit wissenschaftliche Abbildungen auch zukünftigen Forschergenerationen noch als wichtige Informationsquelle dienen können.

Helena Jambor
Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden