Editorial

Voll toll –
und volles Risiko

(03.11.2022) Das Start-up Kupando entwickelt Agonisten für die Toll-like-Rezeptoren 4 und 7. Mit dem Doppelpack soll therapiert, vorgebeugt und verstärkt werden.
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Das Firmentier, der Kranich, als Glücksbote und Wächter der Gesundheit.

Gleich drei Dinge auf einmal? Möglich macht es der indirekte Wirkmecha­nismus, denn das Agonisten-Duo stimuliert das angeborene Immunsystem. Hilfe zur Selbsthilfe quasi. Kinderärztin, Biotech-Veteranin und Kupando-CEO Johanna Holldack (im Bild) über Kraniche, Elefanten und Mäuse mit Grippe.

Frau Holldack, Ihr Unternehmen hat einen spannenden Firmennamen, der zunächst nach Kunstwort klingt. Sie erklären auf Ihrer Website aber die Herkunft. Was hat es mit Kupando auf sich?
Johanna Holldack: Ich bin gern in Afrika unterwegs und fotografiere dort, vor allem Tiere. Einige der Fotos können Sie auf der Firmen­website sehen. Unter anderem auch einen Kranich, der seine Flügel ausbreitet, um abzuheben. Das Foto hat eine meiner Mitarbeiterinnen ausgesucht und seitdem ist der Kranich gewissermaßen unser Firmentier. Kraniche gelten als Vogel des Glücks, der Gesundheit, des langen Lebens. Das passt zu einer Firma, die Therapeutika entwickelt. Ich habe dann nach einem passenden Wort in Swaheli gesucht. Dabei bin ich auf Kupanda gestoßen, das bedeutet ‚sich erheben‘.

Editorial

Swaheli wird in Teilen Ost- und Zentralafrikas gesprochen. Haben Sie Verbindungen zu Ländern dieser Regionen?
Holldack: Ich war bereits achtmal in Kenia und zuletzt in Tansania. Das ist unbeschreiblich. Ich liebe es, mit den Massai durchs Land zu reisen und Tiere zu beobachten. Es gibt so viel zu lernen! Wussten Sie zum Beispiel, dass Elefanten mindestens 20 Kopien des Tumor­suppressor-Gens p53 haben? Elefanten sterben deshalb nur selten an Krebs.

Sprechen Sie denn auch Swaheli?
Holldack: Nein. [lacht] Wenn ich mal viel Zeit habe, möchte ich es aber lernen.

Das mit der Zeit ist vermutlich so eine Sache, wenn ich Ihren Lebenslauf betrachte. In den vergangenen Jahren haben Sie etliche Biotech-Firmen geleitet und mit aufgebaut. Zuletzt haben Sie 2018 Kupando gegründet. Warum?
Holldack: Dafür muss ich etwas ausholen. Als CEO der Schweizerischen Firma Telormedix kam ich das erste Mal mit Toll-like-Rezeptoren in Kontakt, kurz: TLR. Wir haben dort ein Molekül entwickelt, das den TLR-7 stimuliert und mit dem wir wirklich gute Daten in Infektions­modellen produzierten. Wie so oft in der Biotechnologie: Wenn man gute klinische Daten hat, wird die Firma verkauft, man muss den Lebenslauf auf Vordermann bringen und einen neuen Job suchen. So war es dort auch. Die Rechte für die TLR-Agonisten gingen zurück an die Universität San Diego. In meinem neuen Job habe ich aber immer wieder an die Rezeptoren gedacht und daran, wie furchtbar gern ich Agonisten dafür weiter­entwickeln würde. Irgendwann habe ich das Tech Transfer Office [der Uni San Diego] angerufen und um die Lizenzen gebeten.

Und offenbar auch erhalten.
Holldack: Ja, was im Nachhinein schon überraschend ist. Ich hatte zu dem Zeitpunkt weder eine Firma noch Geld. Aber wir hatten immer gut zusammen­gearbeitet und die Kooperation mit Telormedix war finanziell auch für die Uni profitabel gewesen. Dennis Carson, der in San Diego die Moleküle entwickelt hatte, sagte dann noch: Mach doch direkt beide, also eine Kombination für TLR-4 und -7. Nun ja, also habe ich zwei Lizenzen bekommen und Kupando gegründet. Furchtbar viele Daten für die Molekül-Kombination gab es noch nicht, dementsprechend war alles volles Risiko. Ich habe viel Geld und Zeit investiert, aber es hat sich gelohnt. Mittlerweile sind wir über Venture Capital finanziert und die Agonisten schlagen sich gut, sowohl in der Infektions­prophylaxe als auch der Therapie solider Tumoren.

Genau das ist noch immer etwas Besonderes, denn die meisten onkologischen Therapeutika wirken auf hämatologische Krebs­erkrankungen, etwa Leukämien und Lymphome. Warum sind TLR spannende Ziele für die Therapie solider Tumoren?
Holldack: Jeder Tumor hat sein Tumor Environment, in dem immun­kompetente Zellen wie Monozyten, B-Zellen und so weiter sitzen. Insbesondere die Monozyten, aber auch Makrophagen und Endothel­zellen, exprimieren die Toll-like-Rezeptoren 4 und 7. Die Agonisten sind also keine Zytostatika, welche den Tumor direkt angreifen, sondern sie aktivieren als Teil der angeborenen Immunität die immun­kompetenten Zellen in der Tumor­umgebung. Das wiederum führt zu einer Aktivierung des adaptiven Immunsystems, inklusive einer CD8-Antwort und so weiter.

Damit sind die Agonisten eine Immuntherapie, denn erst das aktivierte Immunsystem vernichtet den Tumor, nicht der Wirkstoff selbst.
Holldack: Genau.

Sie hatten es eben schon gesagt, Kupandos Hauptkandidat KUP101 ist eine Kombination aus zwei Agonisten, und zwar gegen TLR-4 und -7. Welchen Vorteil hat das?
Holldack: Wir konnten im Tiermodell zeigen, dass sowohl der Agonist für TLR-4 als auch -7 eine Infektion mit Influenza moderat verhindert. Aber den vollen Effekt, eine breite Immunantwort, sehen wir nur, wenn wir beide Agonisten in einer liposomalen Formulierung vereinen. Warum das so ist, wissen wir nicht, vermuten aber, dass es mit der räumlichen Anordnung zusammenhängt. Das bietet völlig neue Möglichkeiten, etwa für Grippe­impfstoffe. Jedes Jahr prognostiziert die WHO, welche Influenza-Stämme im kommenden Herbst möglicherweise aktiv sein werden. Manchmal schützen die Impfstoffe dann aber trotzdem nicht gut, weil Influenza doch anders mutiert ist als erwartet. Mit unserer Agonisten-Kombination schützen wir Mäuse vor einer Vielzahl von Stämmen, universell. Denn wir stimulieren ja das angeborene Immunsystem, ohne dass uns Antigene, Virenstämme oder Mutationen interessieren müssen.

Als Adjuvans ist ein Agonist von TLR-4 bereits zugelassen. Gibt es auch zugelassene Krebs­therapeutika auf der Basis?
Holldack: Ja, Imiquimod ist ein TLR-7-Agonist, der von 3M Pharma­ceuticals und Eli Lilly entwickelt wurde und bereits vor Jahren zur Behandlung von Basalzell-Karzinom und aktinischer Keratose zugelassen wurde. Die Anwendung erfolgt topisch, also als Creme. Als man versuchte, Imiquimod systemisch zu verabreichen – intramuskulär oder intravenös –, gab es massive Nebenwirkungen. Denn Imiquimod bindet recht unspezifisch, dementsprechend groß sind die Off-Target-Effekte. Wir haben eine neue, potentere Generation von Molekülen entwickelt, die spezifisch an TLR-4 und -7 binden. Dadurch benötigen wir für starke Effekte deutlich geringere Dosen an Wirkstoff. Gleichzeitig erleichtert die Verpackung in die Liposomen die Aufnahme der Wirkstoffe, sodass sie nicht lange im Blut zirkulieren. Beides reduziert auch bei systemischer Gabe die Nebenwirkungen, das haben die toxikolo­gischen Studien gezeigt.

Die Proof-of-Concept-Studien sind abgeschlossen, wie geht es nun weiter?
Holldack: Aktuell kümmern wir uns um die GMP-Produktion, denn für den Einsatz im Menschen benötigen wie qualitativ einwandfreie Wirkstoffe. Unser Ziel ist es, Ende des kommenden Jahres mit den klinischen Studien zu beginnen.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief Kupando
Gründung: 2018
Sitz: Berlin
Mitarbeiter: Sieben
Produkt: Agonisten für die Toll-like-Rezeptoren 4 und 7 zum Einsatz als Immunmodulator

Bilder (2): Kupando


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Letzte Änderungen: 03.11.2022