Schneller zu
Transformanten
(18.01.2023) Der Weg zu transgenen Pflanzen ist oft lang und steinig. Mit einer Transformations-Technik, die die Regenerationsfähigkeit ausnützt, geht’s viel RAPIDer.
Ob Welthunger, Vitaminmangel, Energiekrise oder Pandemien – Pflanzen könnten Lösungen für viele Probleme parat haben. Vor allem wenn sie dank Transgen(en) neue oder umgeleitete Synthesewege betreiben. Von zulassungsrechtlichen Belangen einmal abgesehen besteht der Knackpunkt aber darin, überhaupt an Transformanten zu gelangen. Nur wenige Pflanzenspezies lassen sich transformieren, und der Weg bis zur stabilen Transformante, die ihr verändertes Erbgut an die Nachkommen weitergibt, ist lang und beschwerlich.
Einfach die Blütenstände in die Suspension einer transgenen Agrobacterium-tumefaciens-Kultur zu tauchen, die Samenbildung abzuwarten und transgene Samen per Selektionsmarker herauszufischen, ist bequem, aber primär Forschern und Forscherinnen vorbehalten, die mit Arabidopsis thaliana arbeiten. Mühsamer ist die Gewebekultivierung unter sterilen Bedingungen.
Pflanzliche Mithilfe
Bei dieser Technik gewinnt man transgenes Pflanzenmaterial nach der Transformation von dedifferenziertem Gewebe via Particle Bombardment, Viren oder Agrobakterien in Form von Calli. In Gegenwart von Hormonen und unter Selektion wachsen aus den Calli transgene Sprosse. Weitere Hormone regen die Wurzelbildung an, sodass am Ende eine komplette Pflanze vorliegt. Nur ein Bruchteil der ursprünglichen Transformanten durchläuft diese Prozedur jedoch erfolgreich und bleibt am Leben. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Pflanze sich nicht wehren, sondern sogar ein bisschen mithelfen würde – manche Pflanzen bilden ja auch von selbst Triebe aus, sonst sähe es bei Heckenzüchtern und Kartoffelbauern ziemlich mau aus.
Meristeme bestehen aus undifferenzierten Zellen, haben dünne, Zellulose-arme Zellwände und sind theoretisch unbegrenzt teilungsfähig. Im Meristem von regenerationsfähigen und bereitwillig austreibenden Pflanzen ein Transgen unterzubringen, so die Idee einer chinesischen Gruppe, könnte den Weg zu Transformanten daher etwas verkürzen. Testen wollte sie diese Arbeitshypothese an der Süßkartoffel.
Optimale Konstellation
Ausgehend von der Transformation mit Agrobakterien als einfachster und billigster Technik tüftelte die Gruppe zunächst an der praktischen Umsetzung der Methode. Sind Blätter, Blüten oder Wurzeln empfänglicher? Sollte man die Agrobakterien-Lösung durch Eintauchen, Vakuum-Infiltration oder per Spritze in die Pflanze transferieren? Worauf oder worin gedeiht ein potenziell transformierter Trieb am besten?
Nachdem die Chinesen viele Kombinationen durchgespielt und getestet hatten, stand die optimale Konstellation für die Transformation fest. Sie nahmen den oberen Teil eines Stängels, der mehrere Knoten (Nodien) trug, und kürzten ihn auf circa zehn Zentimeter Länge. Die Agrobakterien-Lösung infiltrierten sie mit einer 1-ml-Standard-Spritze in die Nodien. Hierzu hielt die Gruppe die Spritze leicht nach oben geneigt und arbeitete sich vom Ende des Stängels von Knoten zu Knoten vor. Dass sie genügend Infiltrationslösung verabreicht hatte, sah sie an Tröpfchen, die an anderen Stellen austraten. Anschließend steckte das Team den Sprossabschnitt in sandige Erde (siehe Abbildung).
Nach etwa einer Woche bildete der Spross spontan Seitenwurzeln. Wie ein Reportergen (b-Glukuronidase, 35S-Promoter, mit Intron) verriet, waren die meisten davon transgen. Aus den Seitenwurzeln wuchsen Knollen, die das Transgen exprimierten und im Genom trugen (Sequenzierung). Mit dem A.-tumefaciens-Stamm AGL1 erzielte das Team die höchste Transformationseffizienz von 28 Prozent; durch eine optimale Bakteriendichte (OD 0,5) sowie Lösungszusätze (Silwet-L77 0,02%; Acetosyringon 100 µM) ließ sich die Effizienz sogar auf 37 Prozent steigern. Anhand eines Resistenzmarkers anstelle von b-GUS verfolgten die Forscher und Forscherinnen die Transformation: nur Stecklinge, die sie mit Hygromycin besprüht hatten, überlebten.
Auch zum Gene editieren geeignet
Die sogenannte RAPID-Methode (Regenerative Activity-dependent in Planta Injection Delivery) der chinesischen Gruppe kann man verwenden, um Transgene in Pflanzen einzuschleusen. Sie eignet sich aber auch für die Geneditierung mit CRISPR/Cas9, wie das Team mit einer sgRNA zeigte, die auf die Phytoen-Desaturase abzielte. Knockouts outeten sich in diesem Fall als Albinos.
Mithilfe des Fluoreszenz-Reporters mScarlet beobachtete das Team, was bei der RAPID-Transformation abläuft. Offenbar ist die Regenerationskapazität das A und O für den Erfolg. Die Fluoreszenzsignale erschienen tief im Inneren von Stängel-Querschnitten und konzentrierten sich auf die meristematischen Regionen des Phloems, in denen insbesondere Kambium und Epidermis an der Differenzierung von Trieben und Seitenwurzeln beteiligt sind.
Alle aus transgenen Knollen hervorgegangenen positiven Linien waren nicht-chimär. Das spricht dafür, dass ihr transgener Status ursprünglich auf eine oder wenige transformierte Zellen zurückgeht.
Kartoffel-Transformation
Wer mit Süßkartoffeln nichts am Hut hat, könnte dennoch von der RAPID-Methode profitieren. Möglicherweise funktioniert sie generell für Pflanzenarten mit hoher Regenerationsfähigkeit. Jedenfalls stellten sich bei Experimenten mit der Ziegenfuß-Prunkwinde Ipomea pes-caprea, die hinsichtlich Transformation ein völlig unbeschriebenes Blatt ist, ähnliche Erfolge ein wie mit der Süßkartoffel. Die Prunkwinde ist zwar mit der Süßkartoffel verwandt, vermehrt sich aber über Ausläufer.
Bei Trieben und Knollen denkt man vermutlich zuallererst an die „normale“ Kartoffel. Auch die lässt sich mit RAPID transformieren. Die Chinesen mussten das Protokoll nur etwas anpassen. Statt Stängel verwendeten sie eine frische feuchte Knolle. Die Augen (buds), an der die Infiltrations-Spritze ansetzen muss, sind leicht als Unebenheit zu erkennen. Wer öfter Kartoffeln schält, findet sie blind. Die Gruppe ritzte die Schale mit einer Injektionsnadel etwas an und infiltrierte daumendicke Scheiben unter der Schale rund um die Augen mit einer nadelfreien Spritze. Da Kartoffelknollen einen kleinen Hormonschub (Auxin, Cytokinin) von außen benötigen, setzte das Team der Infiltrationslösung die Wachstumsregulatoren 1-Naphthylessigsäure (NAA; 2,5mg/l) und 6-Benzyladenin (6-BA; 0,5mg/l) zu. In sandigem Boden erschienen danach die ersten transgenen Triebe, die das Team nach sechs bis acht Wochen erntete, um daraus unabhängige transgene Linien durch vegetative Vermehrung zu gewinnen.
Andrea Pitzschke
Mei G. et al. (2023): A simple and efficient in planta transformation method based on the active regeneration capacity of plants. bioRxiv, DOI: 10.1101/2023.01.02.522521
Bild: Mei G. et al.