Editorial

Zwei Photonen
für Do-it-yourselfer

(02.08.2023) Lichtscheiben-Mikroskope mit 2P-Technik sind teuer. Mit einer guten Anleitung kann man ein 2P-Modul für ein Standardmikroskop auch selber bauen.
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Die Lichtscheiben- beziehungsweise Lichtblatt-Mikroskopie hat sich seit ihren frühen Anfängen vor zwanzig Jahren in Ernst Stelzers Labor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu einer der angesagtesten Mikroskopie-Techniken gemausert. Das liegt zum größten Teil an einem wesentlichen Vorteil, den insbesondere Entwicklungs- und Zellbiologen zu schätzen wissen: Statt die Probe mit einem konzentrierten Laserlicht anzustrahlen, wie bei der klassischen Fluoreszenz­mikroskopie, wird nur eine hauchdünne Schicht des untersuchten Objekts beleuchtet. Ausbleich-Effekte sowie licht­induzierter Stress werden hierdurch auf ein Minimum beschränkt. Dreht man die Probe schrittweise in der Lichtscheibe, lassen sich die Schnittbilder zudem zu einem hoch aufgelösten dreidimensionalen Bild zusammensetzen.

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Photonen treffen auf Elektronen

Die Lichtscheibe kann der Experimentator mit verschiedenen optischen Techniken erzeugen. Zu den ältesten und einfachsten Verfahren zählt die sogenannte Digital-Scanning-Light-Sheet (DSL)-Methode, bei der ein punktförmiger Laserstrahl sehr schnell in kleinen Schritten durch eine Ebene der Probe wandert. Die von der angeregten Probe ausgehenden Fluo­reszenz­signale fängt ein exakt senkrecht zur Richtung des Anregungslichts orientiertes Detektions­objektiv ein und lenkt diese zu einem mit dem Laserstrahl synchronisierten Detektor.

Um noch mehr aus der Lichtscheiben-Mikroskopie heraus­zukitzeln, wird sie oft mit der Zwei-Photonen-Mikroskopie kombiniert, die die Wechselwirkung von Lichtquanten mit Elektronen geschickt ausnutzt. Die deutsch-amerikanische Physikerin Maria Goeppert-Mayer erkannte bereits 1931, dass ein Elektron nicht nur durch ein einzelnes kurzwelliges Photon in einen höheren Energiezustand überführt werden kann – der Elektronen­übergang lässt sich auch durch zwei extrem schnell aufeinander­folgende langwellige Photonen anregen, die zusammen die gleiche Energie an das Elektron übertragen wie das kurzwellige Photon.

Tieferes Eindringen, weniger Rauschen

Viele für die klassische (Ein-Photon-)Fluoreszenz­mikroskopie verwendete Farbstoffe absorbieren bei Wellenlängen von 400 bis 500 Nanometern. Bei der Zwei-Photonen-Mikroskopie verdoppeln sich die Anregungs­wellenlängen entsprechend auf 800 bis 1.000 Nanometer. Die Anregung mit dem längerwelligen Infrarotlicht hat zwei entscheidende Vorteile: Infrarotes Licht dringt tiefer in die Proben ein als sichtbares Licht, zudem streut es weniger, wodurch sich das Hintergrund­rauschen verringert.

Doch so elegant das Prinzip der Zwei-Photonen-Lichtscheiben-Mikroskopie auch ist, so schwierig ist die technische Umsetzung. Die Anregung eines Elektrons durch zwei Photonen gelingt nur mit sündhaft teuren Femtosekunden-Lasern, die mit hoher Frequenz sehr energiereiche, nur wenige Femtosekunden andauernde Laserpulse abfeuern. Zudem lassen sich Zwei-Photonen-Systeme nur mit sehr viel technischem Aufwand in handelsübliche Mikroskope integrieren. Ein weiteres Problem ist die exakte Ausrichtung des Lichtscheiben-Moduls in das optische System des verwendeten Basis-Mikroskops.

Ein Zwei-Photonen-Lichtscheiben-Mikroskop selbst zu bauen, ist daher für den normalen Laborbastler kaum zu schaffen – es sei denn, er hat eine genaue Anleitung für eine Zwei-Photonen-Lichtscheiben-Einheit zur Hand, die sich mit überschaubarem Aufwand herstellen und in gängige Fluoreszenz­mikroskope integrieren lässt. Ein solches Manual finden ambitionierte Do-it-yourselfer in einem aktuellen bioRxiv-Manuskript von Volker Bormuths Gruppe an der Sorbonne Université in Paris.

Detaillierter Bauplan

Die optischen Komponenten des Moduls erhält man bei den gängigen Händlern. Die weiteren Bauteile, etwa ein ausgehöhlter Grundkörper, der die Objektive und zusätzliche optische Elemente aufnimmt, sowie verschiedene Adapterplatten und Halterungen werden aus Aluminium gefräst. Diese Arbeit erledigt entweder die Instituts­werkstatt oder ein Online-Frässervice, der dazu nur die von der Gruppe bereitgestellten Daten-Files benötigt. Vervollständigt wird die Liste der selbst gefertigten Teile durch eine Probenkammer aus dem 3D-Drucker. In einem detaillierten Bauplan beschreibt das Team, wie man die Lichtscheiben-Einheit zunächst aus den hergestellten Einzelteilen zusammenschraubt und dann via Adapterplatte an das Basis-Mikroskop montiert.

Das auf der Digitalen-Scanning-Technik basierende Lichtscheiben-Modul der Franzosen macht einen äußerst soliden und durchdachten Eindruck. Der Clou ist ein spezielles optisches Kabel, das die Strahlen des auf einem optischen Tisch montierten Lasers zur Lichtscheiben-Einheit leitet. Die räumliche Trennung von Laser und Lichtscheiben-Modul spart Platz und ermöglicht es Forschenden ohne viel Aufwand, von der Ein-Photon- zur Zwei-Photonen-Lichtscheiben-Mikroskopie zu wechseln. Für die Ein-Photon-Mikroskopie kann der Nutzer zunächst einen kontinuierlichen 488-Nanometer-Laser auf dem Tisch unterbringen. Im Strahl des Lasers angeordnete Spiegel lenken die Lichtimpulse in das optische Kabel. Funktioniert das System wie gewünscht, kann sich der Experimentator an die Zwei-Photonen-Mikroskopie wagen. Dazu muss er lediglich einen zusätzlichen Infrarot-Femtosekunden-Laser neben dem kontinuierlichen Laser platzieren und die Standard-Objektive des Moduls gegen Infrarotlicht-optimierte Objektive tauschen.

Von der Elbe an die Seine

Die Mannschaft von Bormuth, der nach seiner Promotion am Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik an die Seine wechselte, hat sich unglaublich viel Mühe mit der Anleitung zum Bau des Lichtscheiben-Moduls gemacht. Von der genauen Teileliste über CAD-Dateien der gefrästen Bauteile bis zu Montage-Videos findet man dort alles, was man für den Nachbau benötigt. Einige Links führen zwar noch ins Nirwana, das tut der Sache aber keinen Abbruch und zur Not kann man sich auch direkten Rat bei der Gruppe holen. Lehrreich dürfte der Bau des Lichtscheiben-Moduls auf jeden Fall sein.

Harald Zähringer

Panier et al. (2023): A versatile and open source one- and two-photon light-sheet microscope design. BioRxiv, DOI: 10.1101/2023.07.10.548107

Bild: Panier et al.




Letzte Änderungen: 02.08.2023