Editorial

Gefährliche Routine
Produktübersicht: Nukleinsäure-Extraktions-Kits für Automaten

Nukleinsäure-Extraktions-Kits für Automaten im Überblickpdficon

(07.02.2023) Eigentlich ist die Extraktion von Nukleinsäuren eine simple Routineübung, die häufig von Automaten und dazu passenden Kits übernommen wird. Man sollte aber dennoch im Hinterkopf behalten, dass die Art der DNA-Extraktion die weiteren Schritte eines Experiments sehr stark beeinflussen kann.

Die Extraktion von Nukleinsäuren aus lysierten Zellen liefert das Ausgangsmaterial für zahlreiche molekularbiologische Verfahren, etwa qPCR, Sequenzierung, Genotypisierung, forensische Analysen oder Virusdiagnostik. Entsprechend läuft in biowissenschaftlichen Laboren ohne extrahierte DNA oder RNA so gut wie gar nichts. Der rasante Aufstieg der Molekularbiologie wurde nicht zuletzt auch durch einfache und schnelle Nukleinsäure-Extraktionsverfahren ermöglicht, die ab Ende der Siebzigerjahre die bis dahin eingesetzte mühsame Extraktion von DNA in einer Dichtegradienten-Zentrifugation ablösten.

Hyman Chaim Birnboim und Janine Doly stellten 1979 ein simples Protokoll zur alkalischen Extraktion von Plasmid-DNA vor. Bert Vogelstein und David Gillespie nutzten die Bindung der negativ geladenen DNA-Moleküle an einer Silica-Oberfläche in Gegenwart von chaotropem Natriumiodid für die Abtrennung der DNA. 1986 entwickelten Piotr Chomczynski und Nicoletta Sacchi ein Standard-Protokoll zur Flüssig-Extraktion von RNA mit einer Mischung aus Guanidinium-Thiocyanat, Phenol sowie Chloroform. Kurze Zeit später beschrieben Shirley Miller et al. eine simple Methode zur Salzfällung von DNA. Mitte der Neunzigerjahre ließ sich schließlich Trevor Hawkins vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, USA, ein Verfahren patentieren, das die Bindung von Nukleinsäuren an magnetische Kügelchen (Beads) für die Isolation von Nukleinsäuren ausnutzt.

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Nukleinsäuren aus Zellen zu isolieren, ist im Grunde kinderleicht. Dennoch kann dabei einiges schiefgehen. Foto: Brookhaven National Laboratory

Auf diesen fünf Techniken fußen fast alle gängigen Labor-Protokolle zur Nukleinsäure-Extraktion. In kommerziellen Kits haben sich jedoch Silica-Spinsäulen oder magnetische Beads durchgesetzt, wobei sich Letztere auch sehr einfach in Automaten zur automatischen Nukleinsäure-Extraktion integrieren lassen. Meist unterscheiden sich automatenfähige Kits nur durch vorgefüllte und versiegelte Kartuschen von ihren manuellen Pendants. Die darin enthaltenen Puffer, Waschlösungen oder Beads sind mehr oder weniger identisch.

Auch wenn die Nukleinsäure-Extraktion mit hauseigenen Protokollen oder kommerziellen Kits Routine ist, darf man nicht unterschätzen, wie stark sich das Extraktions-Protokoll auf Experimente mit der isolierten Nukleinsäure auswirken kann. Auf der Hut sollten insbesondere Forschungsgruppen sein, die die Länge von Telomeren mit der qPCR bestimmen möchten.

Telomere sind repetitive Sequenzen an den Enden von Chromosomen, die für die Stabilität der Chromosomen sorgen und zum Beispiel verhindern, dass die Enden benachbarter Chromosomen rekombinieren oder fusionieren. Direkt nach der Geburt sind die Telomere am längsten und zerbröseln dann im Laufe des Lebens Stück für Stück, weil bei jeder Zellteilung ein kleiner Teil verloren geht. Verkürzen sie sich unter eine kritische Länge, treibt dies die betroffenen Zellen in den programmierten Zelltod (Apoptose) oder lässt sie vergreisen (Seneszenz). Wie schnell sich der Längenverlust bemerkbar macht, hängt neben der Anfangslänge der Telomere zur Zeit der Geburt auch von äußeren Einflüssen während der Lebenszeit ab, etwa von Entzündungsprozessen oder oxidativem Stress.

Verkürzte Telomere sind für verschiedene degenerative Krankheiten verantwortlich, die unter dem Begriff Telomerase-Syndrome zusammengefasst werden. Sie spielen aber auch bei einigen im Alter gehäuft auftretenden Krankheiten eine Rolle, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Bluthochdruck. Verhindert, oder sogar rückgängig gemacht, wird der Rückbau der Telomere von der sogenannten Telomerase, die in gesunden Zellen von Erwachsenen kaum noch aktiv ist, in vielen Krebszellen aber verstärkt exprimiert wird.

Telomermessung mit qPCR

Für die Vorgange an den Telomeren interessieren sich daher nicht nur Alternsforscher und -forscherinnen, sondern zunehmend auch Gruppen aus der Krebsforschung. Wie lang die Telomere in den fraglichen Zellen sind, messen sie entweder mit einem Southern Blot der restriktionsverdauten Telomerfragmente (Terminal Restriction Fragmentation, TRF) oder mit einer speziellen qPCR-Technik (monochrome multiplex qPCR). Der TRF-Southern-Blot gilt zwar noch immer als Goldstandard. Den meisten Gruppen ist er aber zu langwierig und zu teuer, weshalb sie die qPCR vorziehen. Vor der qPCR steht aber zunächst die Extraktion der DNA an – und so wie es aussieht, beeinflusst die Extraktionsmethode die mit der qPCR gemessene Länge der Telomere.

Schon lange gehegter Verdacht

Verdachtsmomente in diese Richtung hegten Telomer-Spezialisten schon länger. Was an diesen dran ist, untersuchte Katharina Sonja Kim in ihrer medizinischen Doktorarbeit, die sie im letzten Jahr an der Charité-Universitätsmedizin Berlin anfertigte. Angeleitet wurde sie dabei von dem Telomer-Forscher Michael Walter von der Universität Rostock.

Aus den Blutproben von 15 Freiwilligen, die in drei Altersgruppen mit einem Durchschnittsalter von 18, 44 und 74 Jahre eingeteilt waren, extrahierte Kim DNA mit fünf unterschiedlichen Techniken. Die DNA setzte sie anschließend für die Längenmessung der Telomere mit der qPCR ein. Mit Ausnahme der magnetischen Beads deckten ihre Extraktionsprotokolle das gängige Methoden-Spektrum für die DNA-Extraktion ab und bestanden aus der Extraktion mit Silica-Spinsäulen (kommerzieller Kit), der Extraktion durch Salzfällung (hauseigenes Protokoll und zwei Kits) sowie aus einer Phenol-Chloroform-Extraktion.

Dass die Phenol-Chlorofom-Extraktion ziemlich schrottige DNA lieferte, die sehr stark fragmentiert war und bei der Messung im Spektrometer durch ein miserables Verhältnis der optischen Dichte bei 260 und 280 Nanometern (OD260/280) auffiel, (was auf erhebliche Verunreinigungen hindeutete), war nicht wirklich überraschend. Auch die starke Streuung bei wiederholten Phenol-Chloroform-Extraktionen und ein daraus resultierender hoher Variationskoeffizient war im Grunde zu erwarten. Alle anderen Extraktionstechniken ergaben unfragmentierte, saubere DNA und auch die Variationskoeffizienten lagen hier deutlich unter den von Kim als tolerierbare Obergrenze festgelegten zehn Prozent.

Die Phenol-Chloroform-Extraktion flog deshalb aus dem Vergleich der gemessenen Telomerlängen (TL) heraus und Kim berücksichtigte für diesen nur die restlichen vier Extraktionsprotokolle. Dabei fiel ihr auf, dass die mit den Spinsäulen extrahierte DNA in allen Altersgruppen immer die längsten Telomere lieferte. Zudem hingen die Telomerlängen bei individuell gemessenen Proben sehr stark von der jeweiligen Extraktionsmethode ab – die sogenannte Inter-Assay-Variation als Maß für die Schwankungen zwischen den verschiedenen Extraktionstechniken lag zwischen sieben und neunzehn Prozent und damit in den meisten Fällen über Kims Grenzwert von zehn Prozent. Etwas besser sah es mit gepoolten Proben aus, bei denen zwei der eingesetzten Kits reproduzierbare Ergebnisse für die Telomerlänge lieferten.

Kim kommt daher in ihrer Doktorarbeit zu dem Schluss, dass die Länge der Telomere innerhalb einer Kohorte nicht vergleichbar ist, wenn die DNA mit verschiedenen Extraktionsmethoden gewonnen wurde. Trotz der großen Schwankungen war die altersbedingte Verkürzung der Telomere bei den Proben aus den verschiedenen Altersgruppen aber klar zu erkennen.

Jetzt könnte man sagen: Na ja, eine medizinische Doktorarbeit mit ein paar wenigen Probanden ist noch nicht besonders aussagekräftig. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen aber auch Forscher und Forscherinnen des 2019 an der Tulane University School of Medicine ins Leben gerufenen Telomere Research Networks (TRN) in einer großangelegten Studie, an der fünf Labore teilgenommen haben. Seit dem vergangenen Dezember stehen die Ergebnisse des Konsortiums auf bioRxiv zur Diskussion (bioRxiv doi.org/jthd).

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Bei der Vermessung der Telomerlänge mit der qPCR hängt die Präzision der Längenmessung von der DNA-Extraktionstechnik ab. Wird die DNA mit unterschiedlichen Methoden extrahiert, sind die gemessenen Telomerlängen kaum miteinander vergleichbar. Illustration: UK Biobank

Alles vertreten

Vier Gruppen des Netzwerks erhielten fünfzig verblindete humane Blutproben und extrahierten aus diesen DNA mit magnetischen Beads, der Aussalz-Technik oder mithilfe von Silica-Membranen. Sie nutzten dazu sechs unterschiedliche in den jeweiligen Laboren etablierte DNA-Extraktionsprotokolle, die auf verschiedenen kommerziellen Kits für die manuelle oder automatische DNA-Extraktion basierten. Die Telomerlänge analysierten sie danach mit dem qPCR-Verfahren. Die fünfte Gruppe extrahierte die DNA mit der Aussalz-Methode und maß die Länge der Telomere mit einem Southern Blot.

Um die Präzision der TL-Messung zu bestimmen, führten die Teams die TL-qPCR mit der selben DNA-Probe zunächst an verschiedenen Tagen durch. Als Maß für die Präzision der TL-Messung verwendeten sie die sogenannte Intraklassen-Korrelation (ICC). Der ICC-Wert bewegt sich zwischen 0 und 1, die maximale Präzision wäre mit 1 erreicht. Die ICC-Werte lagen bei der TL-qPCR zum Teil erheblich niedriger als bei der Längenbestimmung mit dem Southern Blot (ICC: 0,98) und schwankten sehr stark zwischen den beteiligten Laboren. Ein eindeutiges Muster, wie sich die einzelnen Extraktions-Kits auf die Präzision der TL-Messungen auswirkten, konnte die Gruppe aber nicht erkennen.

Auch wenn sie an zwei verschiedenen Tagen DNA aus einer Probe extrahierte und diese jeweils für den TL-Assay einsetzte, trat bei den verwendeten Extraktions-Kits kein klares Schema zutage, aus dem sich ableiten ließ, wie die jeweiligen Extraktionsverfahren die Längenmessung beeinflussen. Die ICC-Werte waren hier grundsätzlich niedriger als beim vorhergehenden Experiment, variierten aber ebenfalls sehr stark zwischen den beteiligten Laboren.

Offensichtlich hängt die Präzision der TL-Messung von spezifischen Labor-Effekten und der eingesetzten DNA-Extraktionstechnik ab. Das TRN-Konsortium empfiehlt deshalb, ein einheitliches DNA-Extraktionsverfahren zu verwenden, wenn mehrere Labore an einer TL-Studie beteiligt sind.

Kein klarer Favorit

Eine Aussage zum geeignetsten DNA-Extraktionsprotokoll für TL-Messungen ist angesichts der ziemlich diffusen Datenlage nicht möglich. Das ist schade, denn eigentlich war dies die ursprüngliche Intention der TRN-Studie. Das TRN-Team gibt aber immerhin an, welchen DNA-Extraktions-Kit es bei TL-Messungen nicht einsetzen würde.

Interessant ist auch eine kleine Randnotiz in dem Manuskript. Eine der beteiligten Gruppen, die einen DNA-Extraktionsautomaten inklusive der passenden Kits für die Versuche nutzte, bemerkte erst durch unerwartet niedrige ICC-Werte, dass der Pipettier-Roboter offensichtlich einen technischen Defekt hatte.

Auch bei der Automation der Nukleinsäure-Extraktion sollte man also immer Kontrollen durchführen – vor allem wenn ein vermeintlich simpler Routine-Schritt die Ergebnisse einer ganzen Studie vermasseln kann.

Nukleinsäure-Extraktions-Kits für Automaten im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 01/2023, Stand: Januar 2023, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 07.02.2023