Editorial

Alles entscheidende Routine
Produktübersicht: Flüssigchromatographie-Systeme

Flüssigchromatographie-Systeme im Überblickpdficon

(21.03.2024) Die Flüssigchromatographie produziert große Mengen flüssigen Sondermülls. Mit Kapillarsäulen und miniaturisierten, transportablen Instrumenten lässt sich der Verbrauch zumindest etwas eindämmen.

Als der russisch-italienische Botaniker Mikhail Semyonovich Tsvet im Jahr 1900 in seinem Labor in Sankt Petersburg auf die Idee kam, eine Glassäule mit Calciumcarbonat-Pulver vollzustopfen und mit Petroleum zu füllen, um damit Pflanzenpigmente zu isolieren, ahnte er sicher noch nicht, was für ein riesiges Geschenk er den Biowissenschaften mit seiner neuen Methode machen würde. Auch knapp 125 Jahre nach Tsvets Geistesblitz ist die Flüssigchromatographie (LC) noch immer eine der elegantesten und meistgenutzten Trennmethoden für Biomoleküle. Und ganz nebenbei bewies Tsvet mit der Flüssigchromatographie, dass Forschende Methoden auch dann erfolgreich anwenden können, wenn sie die zugrunde liegenden physikalischen Zusammenhänge noch gar nicht oder nur rudimentär verstehen. Mittlerweile kennen sie die theoretischen Hintergründe der Flüssigchromatographie zwar ziemlich genau und einige versuchen sogar, die Trennprozesse mit künstlicher Intelligenz vorherzusagen. Die wenigsten Biowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler werden sich jedoch mit den vertrackten Gleichungen zum Massentransport und zu kinetischen Effekten in Chromatographie-Säulen abmühen, wenn sie eine geeignete Säule für ihr Trennproblem suchen. Viel eher orientieren sie sich dazu an den recht einfachen Grundprinzipien der Flüssigchromatographie, die im Grunde nichts anderes ist als ein ausgeklügeltes Spiel mit molekularen oder ionischen Wechselwirkungen.

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Noch sind tragbare HPLC-Instrumente nicht so handlich wie Mr. Spocks Tricorder, und sie haben auch nicht so viele Funktionen. Aber immerhin sind die Geräte schon so leicht, dass Forschende sie für Feldstudien in den Rucksack packen können. Illustration: Playground.com

Löst man ein Substanzgemisch in einem als mobile Phase dienenden Lösungsmittel auf und injiziert die Mischung auf eine Chromatographie-Säule, wandern die gelösten Analyten durch die stationäre Phase der Säule. Die Zeit, die sie für den Marsch durch die Säule benötigen, hängt davon ab, wie stark sie mit der Oberfläche der stationären Phase interagieren und von dieser zurückgehalten werden. Wechselwirken die Analyten sehr innig mit dem Säulenmaterial, verweilen sie etwas länger in der Säule. Binden sie nur schwach an die Oberfläche, rauschen sie im Extremfall genauso schnell durch die Säule hindurch wie die mobile Phase. Durch die Geschwindigkeitsdifferenz trennen sich die Analyten und gelangen zu unterschiedlichen Retentionszeiten (Rt) zu einer Detektionseinheit, die die Messsignale in ein Chromatogramm übersetzt. In dem Chromatogramm sind die Signalspitzen beziehungsweise Peaks, die sich von der Grundlinie abheben und die Konzentration des gemessenen Analyten darstellen, zeitabhängig aufgetragen. Hat man Glück, erhält man schlanke, deutlich auseinanderliegende Peaks, die eine saubere Trennung der Analyten anzeigen. Sind die Peaks hingegen breit und gehen ineinander über, bleibt der Experimentatorin oder dem Experimentator nichts anderes übrig, als an den Parametern zu drehen, die die Wechselwirkung zwischen Analyten und Säulenmaterial am stärksten beeinflussen. Das sind im Wesentlichen die Polaritäten von stationärer und mobiler Phase, der pH-Wert sowie die Temperatur.

Auf diesem zugegebenermaßen stark vereinfacht dargestellten Prinzip basieren im Grunde alle Flüssigchromatographie-Verfahren, angefangen bei Tsvets ursprünglicher Schwerkraft-Flüssigchromatographie über die häufig für die Proteinreinigung eingesetzte FPLC (Fast Protein Liquid Chromatography) bis zu den vielen Spielarten von HPLC (High Performance Liquid Chromatography) sowie UHPLC (Ultra High Performance Liquid Chromatography).

Meist bestücken Forschende Flüssigchromatographie-Systeme mit Säulen, die hydrophobe oder ionische Wechselwirkungen zwischen Analyten und Säulenmaterial ausnutzen. Zu Ersteren zählen zum Beispiel Säulen für Umkehrphasen- (Reversed Phase, RP) sowie Hydrophober-Interaktions-Chromatographie (HIC), zu Letzteren Anionen- oder Kationenaustausch-Säulen.

Umpolung mit Brückenionen

Vor zwei Jahren gesellte sich zur klassischen Ionenaustausch (IE)-Chromatographie die sogenannte Bridge Ion Separation Technology oder kurz BIST hinzu. Wie übliche Ionenaustausch-Säulen enthalten auch BIST-Säulen meist ein modifiziertes Silica-Harz mit positiv oder negativ geladener Oberfläche. Ohne weitere Zusätze würde die geladene Oberfläche Analyten mit gleicher Ladung abstoßen und solche mit entgegengesetzter Ladung anziehen. Bei der BIST-Chromatographie enthält die mobile Phase jedoch zweiwertige Ionen – etwa SO42-, wenn die stationäre Phase positiv geladen ist, oder Ca2+ bei negativer Ladung –, mit denen sich die Nettoladung der stationären Phase mit einem einfachen Trick „umpolen” lässt. Dazu muss man lediglich die Konzentration der Wassermoleküle in der mobilen Phase so weit herunterfahren, bis sie die zweiwertigen Ionen nicht mehr solvatisieren können. Die zweiwertigen Ionen binden hierdurch an die entgegengesetzt geladenen Ionen der stationären Phase, wodurch sich deren Nettoladung umkehrt. Hat der Analyt die gleiche Ladung wie die Oberfläche der stationären Phase, verlängert sich seine Retentionszeit mit abnehmendem Wassergehalt der mobilen Phase. Sind die Ladungen entgegensetzt, verkürzt sie sich mit sinkendem Wasseranteil.

Für das Spiel mit den Wechselwirkungen sind bei der BIST keine ausgefallenen Lösungsmittel, hohe Pufferkonzentrationen oder besonders lange Säulen nötig. Nach den Angaben der Erfinder funktioniert die Methode auch mit kurzen Säulen und einfachen mobilen Phasen, etwa der klassischen Mischung aus Acetonitril (MeCN) und Wasser. Interessant ist die BIST-Chromatographie insbesondere für die Trennung von Molekülen, deren Ladungen über die gesamte Oberfläche verteilt sind wie etwa bei negativ geladenen Oligonukleotiden. Als Brückenion fungiert hier das zweifach geladene Tetramethylethylendiamin (TMEDA). Bei einer entsprechenden Wasserkonzentration, die via Acetonitril-Gradient eingestellt wird, bindet TMEDA an die negativ geladene Oberfläche der verwendeten Kationenaustausch-Säule, die hierdurch ihre Nettoladung umkehrt.

Aber auch die BIST-Chromatographie ändert nichts daran, dass die gängigen Flüssigchromatographie-Geräte nicht nur schwer und teuer sind, sondern auch Unmengen an flüssigem Sondermüll produzieren. Mit den noch immer weit verbreiteten Standardsäulen mit 4,6 Millimeter Innendurchmesser (ID) und üblichen Flussraten der mobilen Phase von 1,5 Milliliter pro Minute verbraucht ein einziges HPLC-Instrument etwa einen Liter Lösungsmittel pro Tag – ein Großteil davon Acetonitril, das Lieblingslösungsmittel in der HPLC. Im Laufe eines Jahres kommt da ordentlich was zusammen. Knapp zwanzig Prozent des gesamten jährlichen weltweiten Acetonitril-Verbrauchs von etwa 180.000 Tonnen geht auf das Konto von Analytiklaboren, in denen HPLC-Instrumente praktisch rund um die Uhr laufen. Viele Forschende versuchen zwar, Acetonitril durch „grünere” Lösungsmittel wie zum Beispiel Ethanol zu ersetzen. Das funktioniert aber nicht immer und im Zweifelsfall dürften viele dann doch auf die altbewährten HPLC-Protokolle mit Acetonitril zurückgreifen.

Kaum noch nennenswerte Lösungsmittelmengen verbrauchen hingegen Kapillarsäulen mit winzigen Innendurchmessern von unter 500 Mikrometern, die für die sogenannte nano-LC mit HPLC- oder UHPLC-Instrumenten eingesetzt werden. Die superschlanken Säulen kommen aber auch Konstrukteurinnen und Konstrukteuren gelegen, die schon seit gut vierzig Jahren versuchen, Flüssigchromatographie-Geräte so weit abzuspecken, dass Forschende sie problemlos unter den Arm nehmen und direkt zum Analyseort am Krankenbett oder in Wald und Flur transportieren können. Insgeheim träumen sie von Instrumenten, die genauso handlich und multifunktional sind wie der legendäre Tricorder von Mr. Spock, mit dem der Vulkanier vom Raumschiff Enterprise auf fremden Planeten nach Anzeichen für Leben suchte.

Bisher haben es aber nur einige wenige der zahlreichen Prototypen tatsächlich bis zur Marktreife geschafft oder stehen kurz davor. Offensichtlich ist es alles andere als einfach, die wesentlichen Komponenten eines Flüssigchromatographie-Instruments so weit zu miniaturisieren, dass das Ganze in eine kleine Box oder ein Köfferchen passt, das im Idealfall nur einige Kilogramm auf die Waage bringt. Die Trennsäule ist da noch das kleinste Problem. Nur wenige Zentimeter lange Kapillarsäulen mit Innendurchmessern von 150 oder 300 Mikrometern, die es mittlerweile von der Stange zu kaufen gibt, wiegen nicht viel und benötigen nur wenig Platz. Deutlich schwieriger ist es, auf engstem Raum ein Pumpensystem einzubauen, das die für die HPLC nötigen Drücke von einigen hundert Bar erreicht und dabei auch dicht bleibt.

Detektor en miniature

Die größte Herausforderung ist aber offensichtlich die Detektion der Analyten. Dazu kann man grundsätzlich ein kleines Massenspektrometer oder einen Absorptionsdetektor wie bei klassischen HPLC-Geräten verwenden. Die meisten Entwicklerinnen und Entwickler machen sich das Leben aber nicht unnötig mit einem Massenspektrometer schwer und konzentrieren sich auf die Detektion der Analyten mit ultraviolettem (UV) oder sichtbarem (VIS) Licht – die Konstruktion eines kompakten UV/VIS-Absorptionsdetektors ist schon kompliziert genug. Die Lichtquelle muss möglichst klein sein, wenig Strom verbrauchen, die passende Wellenlänge emittieren und nicht zu viel Wärme produzieren. Da bieten sich LEDs an. Die Frage ist aber, wie das Licht zur Detektionseinheit gelangt – mit einer klassischen Optik oder eher mit Lichtleitern? Und ist es geschickter, den Absorptionsdetektor bereits in der Kapillarsäule, also on column, zu platzieren oder erst nach der Säule?

Zu den Ersten, die praktikable Lösungen auf diese Fragen fanden, gehört das Team des Chromatographie- und Massenspektrometrie-Experten Milton L. Lee an der Brigham Young University in Utah. Nachdem Lee jahrelang an einem portablen HPLC-Gerät herumgedoktert hatte, stellte das von ihm gegründete Start-up Axcend vor wenigen Jahren das erste kommerzielle tragbare HPLC-Gerät vor. Mit einem Gewicht von acht Kilogramm ist das etwa 20 Zentimeter breite, 35 Zentimeter lange und 20 Zentimeter hohe Instrument zwar schon erheblich kleiner und leichter als die stationären HPLC-Boliden in den Laboren. Von einem echten Analyse-Gerät im Westentaschenformat à la Spocks Tricorder ist es aber noch ein gutes Stück entfernt.

Flüssigchromatographie-Systeme im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 3/2024, Stand: Februar 2024, alle Angaben ohne Gewähr)


Letzte Änderungen: 21.03.2024